Mai 2006: Heinrich Mann: Die Jugend des Henri IV.

  • Zitat von "Erika"

    ich plane im Oktober eine Romreise, vielleicht geht es im nächsten Jahr nach Paris. Vielleicht kann ich ja dann auf Eure Erfahrungen zurückgreifen, was Hotels etc angeht.


    ja klar, melde dich dann einfach per PM. Ich kann dir dann auch sagen in welchem Museum die Rüstung von Henri IV steht :zwinker:

  • Hallo ihr stillen Leser :smile: ,


    wie weit seid Ihr mittlerweile ?


    Ich denke, dass ich in den nächsten Tagen mit der "Jugend" fertig werde und möchte dann recht bald die "Vollendung" weiterlesen.


    In dem Roman sieht man auch recht gut, wie vorteilhaft für den Katholizismus die protestantische Spaltung direkt nach der Reformation war.
    Der französische Hof hätte sich im Ernstfall zur Verteidigung des katholischen Glaubens auf Spanien, die damals noch spanische und noch katholische Niederlande und wohl noch einige weitere Staaten verlassen können.
    Henri IV dachte im Roman einmal daran die deutschen protestantischen Fürsten zur Hilfe zu rufen, aber ob sie ihm geholfen hätten, halte ich für fraglich. Bis auf die Pfalz war der protestantische Teil der deutschen Länder damals lutherisch und die Abneigung der Lutheraner gegen die Reformierten war zu dieser Zeit noch sehr hoch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie militärisch die französischen Reformierten unterstützt hätten - genausowenig haben sie Zwingli im Zweiten Kappeler Krieg gegen die katholischen Kantone geholfen, wo dieser den Tod fand. Eine frühe Einheit der evangelischen Konfessionen hätte dem Protestantismus sicherlich mehr Bedeutung in Europa gegeben.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo zusammen,


    sehr beeindruckend geschrieben fand ich das recht kurze Kapitel "Das Begräbnis" im Teil "Der Weg zum Thron", in meiner Ausgabe auf Seite 640.


    Bei der Beerdigung des Königsbruders Franz wird zum ersten Mal die Macht der Katholischen Liga und ihre feindliche Haltung gegenüber dem König offen zum Ausdruck gebracht. Die Beschreibung Ihres Auftretens, die "Heil"-Rufe ihrer Anhänger erinnern in der Tat an die NSDAP und ihre Kampforganisationen, der König selbst wirkt machtlos in seinem Reich.


    Es ist schon beeindruckend, Katharina von Medici war Mutter von drei Königen Frankreichs, aber alle ihre Kinder waren unfruchtbar, die meisten von Jugend an kränklich oder durch Krankheiten entstellt und starben früh - wenn sie überhaupt das Säuglingsalter überlebten.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo zusammen,


    ich habe die "Jugend" zwischenzeitlich fertiggelesen.
    Die Beschreibung der Katholischen Liga ähnelt immer mehr der NSDAP, bezeichnet Heinrich Mann sie als "Partei und Bewegung", gerade letzten Begriff hatte die NSDAP im "Dritten Reich" für sich reserviert und durfte von niemand anderem verwendet werden.


    Die hugenottischen Truppen Henris werden in der letzten Schlacht gegen die Liga immer mehr als Vertreter des Humanismus beschrieben: "Recht und Freiheit: diese sind unsere Heiligen. Daß wir auftreten anstatt der Tugend, Vernunft und Mäßigung, die unsere Engel sind".


    Am Ende ist die Liga geschlagen, Henris Armee war siegreich, aber seine Mitstreiter sind gefallen, nur er bleibt übrig und kann jetzt König von Frankreich werden. Von dieser Phase seines Lebens handelt das zweite Buch.


    Interessant finde ich, wie aus manchen Psalmen Kriegshymnen wurden. Im Buch öfters zitiert wird der Psalm 118. Der biblische Text aus dem Psalter ist friedlich (siehe Bibel Online), der Text der Vertonung schon viel kriegerischer.
    Das war mir eigentlich neu, ich dachte die Psalmen wären immer nur nach den biblischen Texten gesungen worden.


    viele Grüße,
    Zola

  • Hallo!


    Ärgerlich nur, dass bei meiner rororo-Ausgabe - wohl im Gegensatz zu aktuellen Ausgaben - keine Übersetzung der mit Moralité betitelten Schlußabschnitte zu finden ist.


    Nach Übersetzung des ersten nämlichen Abschnittes - dass er trotz seines jungen Alters in Gefahren schwebt, es Privileg seines Alters ist, sich alle Wegende zu verlieben und dass die Königin, die er seine Mutter nannte, bereit war für ihn zu sterben - steht zwar also nix neues drin, aber trotzdem.


    Haben die hier "in Umlauf befindlichen" DDR-Ausgaben solch einen Anhang?


    Gruß!

  • Hallo Stoerte,


    Meine Claassen-Ausgabe (erste westdeutsche Ausgabe) hat keinen Anhang. Ich versuche die Moralités mit meinem Schulfranzösisch selbst zu verstehen, eigentlich sind es immer nur Zusammenfassungen des Geschehens im vorhergehenden Teil des Buchs, also nichts Neues.
    Erika schrieb hier, dass in ihrer DDR-Ausgabe die Moralités übersetzt wurden.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Danke Zola!


    Wahrscheinlich hatten die bei Claassen und rororo Angst vor einer ideologischen Prägung der Übersetzung durch die DDR-Bürokratur (und waren zu geizig für eine eigene). Die Balzac-DDR-Ausgaben (etwa von Kiepenheuer) sind, abgesehen von (aber wohl auch aufgrund) des Weltbildes der Herausgeber auch immer sehr informativ.


    Gruß!

  • Hallo zusammen,
    ich hinke etwas hinterher. Am letzten Wochenende habe ich die Ereignisse der Bartholomäusnacht gelesen. Die Parallelen zum 3. Reich waren auffallend. Diesmal trugen die Sieger ein Zeichen (weißes Tuch ?). Es war eine gespenstische Szenerie, weil ich die ganze Zeit wusste, wie es ausgehen wird.


    Gruß
    Erika
    :blume:

    Wer Klugheit erwirbt, liebt das Leben und der Verständige findet Gutes.
    <br />Sprüche Salomo 19,8

  • Hallo zusammen,


    Ich bin in der "Vollendung" mittlerweile auf Seite 250.
    Stilistisch gibt es keinen Unterschied zwischen den beiden Büchern (Heinrich Mann wird die beiden Romane wohl direkt hintereinander geschrieben haben, die Jugend erschien 1935, die Vollendung 1938), auf die Moralités am Ende jedes Teils hat der Autor in der "Vollendung" jedoch verzichtet.


    Im Übergang zwischen den beiden Büchern (ca. die letzten 200 Seiten der "Jugend" und die ersten 100 Seiten der "Vollendung"), fand ich das Lesen etwas mühsam, es gab zu viele Schlachten, auf die Dauer waren die (meiner Meinung nach) teilweise zu detaillierten Beschreibungen der Hugenottenkriege doch etwas ermüdend zu lesen.



    Viele Grüße,
    Zola

  • Das Prinzip, dass ein braver Bürger Teil der mordenden Masse wird, und als solcher dann grausam gewissenhaft seinen Auftrag erfüllt,
    hat Mann in der Batholomäusnacht schön beschrieben.
    Wie es ihm auch vorher schon, ganz nebenbei, gut gelang zu vermitteln, dass ein gemeinsamer Feind vor allem nötig ist um eine Kriegspartei zusammenzuschweißen und moralisch aufzubauen usw..


    Mögen nun keine neuen oder allzu intellektuellen Thesen sein, die All-gemeinheit hat sie aber auch heute offensichtlich noch nicht verinnerlicht.


    Gruß!

  • Nicht nur den Königsmörder-Mönch nennt er gegen Ende auch "den Braunen". Auch schön: "Nur ganz kleine Leute halten sich für große Männer, wenn eine verlogene und irrsinnige Massenbewegung sie auf den Gipfel trägt, wohin sie nicht gehören. Heil mein Führer! hört ein Herzog von Guise und möchte sich verkriechen..." - das könnte man als Anspielung auf den Anstreicher lesen.


    Das Thema Massen wird ja mehrmals angerissen. Ob nun die Gerüchte stimmen und Hitler samt Komplizen "Die Psychologie der Massen" von LeBon gelesen hat und dadrauf also aufbaute oder nicht, die Massen bzw. deren psychologische Beeinflussung, etwa mittels damals neuer Technik, waren ein wichtiges Instrument der Nazis.


    Gruß!


    (Achso, werde Band zwei, also die Vollendung, wohl erst in 14 Tagen oder so beginnen.)

  • Hallo zusammen,


    ich bin vor wenigen Tagen auch mit der "Vollendung" fertiggeworden. Ich muß das Buch noch etwas auf mich wirken lassen.
    Mit seinen etwa 1800 Seiten war das der längste zusammenhängende Roman, den ich je gelesen habe.
    Was ich versäumt habe und euch nur empfehlen kann, ist ein Personenregister anzulegen. Viele Personen tauchen fast den ganzen Roman hindurch auf, oftmals allerdings mit so großem Abstand oder eher als Hintergrundpersonen, dass es einem irgendwann schwerfällt sie auseinanderzuhalten. Dazu kommt auch noch, dass Mann sie oftmals spärlich beschreibt und ihre Charaktere nicht so ausgefeilt dargestellt werden. Das erschwert die Unterscheidung oftmals noch.


    In der ersten Hälfte des Zweiten Teils gab es für mich eine ziemlich Durststrecke, die häufige Beschreibung von Schlachten und Liebesgeschichten ist natürlich für die Erzählung Henris Leben wichtig, aber auf mich wirkte das irgendwann nur noch wie Wiederholungen.


    Henri war ein Kind seiner Zeit, aber auch ein großer Humanist. Ich denke das auszuarbeiten ist Heinrich Mann in dem Mammutwerk sehr gut gelungen.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo,


    vermutlich war das Glaubensbekenntnis der Hugenotten das "Confessio Galicana" (gilt nicht als sicher):


    http://www.glaubensstimme.de/bekenntnisse/26.htm


    Bekannt war in Frankreich zur Zeit Henris aber wohl auch das Zweite Helvetische Bekenntis aus dem Jahr 1562:


    http://www.reformatio.de/beken…elvetischesBekenntnis.pdf


    Gefunden habe ich noch die Hugenottische Kirchenordnung von 1559:


    http://www.glaubensstimme.de/bekenntnisse/bek006.html