Februar 2006: Virginia Woolf - Die Wellen

  • Hallo zusammen,


    ich eröffne nun mal den Lesethread und freue mich auf eine weitere Virginia Woolf Leserunde. :winken:


    Ohne es benennen zu können, habe ich vor den 'Wellen' großen Respekt.
    E.M. Forster nannte es das originellste und tiefgründigste aller ihrer Bücher, vielleicht ein Meisterwerk...


    Klappentext, Taschenbuchausgabe 2003 Fischer Verlag:
    In Die Wellen sind sechs Personen versammelt. Ihre Stimmen evozieren die Intensität ihrer Kindheit, die Zuversicht und sinnliche Erfahrung der Jugend, das Losgelöstsein des mittleren Alters. Sinneswahrnehmungen, Emotionen, Reflektionen kommen und gehen im Fluß des Erzählstroms wie die Jahreszeiten, wie die Wellen, die Sonne..... Die Wellen ist die höchst eigenwillige Antwort der Moderne auf das traditionsreiche Genre des Bildungsromans.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Ich bin auch schon mächtig gespannt was mich bzw. uns erwartet. Außerdem freue ich mich, dass ikarus mal wieder Zeit findet fürs gemeinsame Lesen. Ich hoffe, dass der Einstieg durch diesen wohl als schwersten Roman von Virginia Woolf bekannte Werk auch klappt.


    Danke, Maria, für den schönen link zu den Wellen. Er hinterläßt bei mir gemischte Gefühle. :sonne:


    Gruß von Steffi

  • Hallo,


    den ersten Abschnitt habe ich bereits gelesen. Er erinnert mit seinen Beschreibungen sehr an Zum Leuchtturm. Zuerst dachte ich, ich werde die einzelnen Charaktere wohl nie auseinanderhalten können, aber ich glaube, die unterschiedlichen Standpunkte werden schon langsam deutlich.


    Wie weit seid ihr ?


    Gruß von Steffi

  • Hallo liebe Mitleser/innen!


    ich bin auf Seite 46 der Fischer Taschenbuchausgabe.


    Ich habe bisher nur Virginia Woolfs 1. Roman "Die Fahrt hinaus" gelesen und bin überrascht, wie anders dieser ist.


    Mir gefällt vor allem die fast schon tranceartige Sprache - nachdem ich mich erstmal an sie gewöhnt habe.


    Freue mich schon auf Eure Eindrücke!


    viele Grüße
    Iris

  • Hallo zusammen


    Steffi schrieb:

    Zitat

    Außerdem freue ich mich, dass ikarus mal wieder Zeit findet fürs gemeinsame Lesen.


    Danke, ich freue mich natürlich auch :smile: .
    Ich konnte leider noch nicht anfangen und weiß auch nicht, ob ich es heute noch klappt. Zunächst mußte ich heute überraschenderweise Überstunden schieben und dann auch noch zum Zahnarzt[Blockierte Grafik: http://fool.exler.ru/sm/hlp.gif]
    Spätestens ab morgen bin ich aber auch dabei.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Zitat von "ikarus"

    Hallo zusammen


    Zunächst mußte ich heute überraschenderweise Überstunden schieben und dann auch noch zum Zahnarzt[Blockierte Grafik: http://fool.exler.ru/sm/hlp.gif]
    Spätestens ab morgen bin ich aber auch dabei.


    Viele Grüße
    ikarus


    Hallo zusammen,
    Gute Besserung Ikarus :blume:


    Steffi, die Zusammenfassung des Buches und was man alles im voraus in dem Link erfährt, hat mich auch etwas verunsichert, aber so weiß ich wenigstens was auf mich zu kommt.


    Ich habe das kurze Nachwort gelesen, da ich weiß, dass Klaus Reichert sich immer sehr kurz, m.E. zu kurz, hält. Dort erfährt der Leser, wie schwer sich Virginia Woolf mit dem Roman tat, es kostete ihr viel Kraft.
    In ihren Tagebüchern erfährt man angeblich mehr über die "Geburt der Wellen". Ich gehe daher mit viel Respekt in diesen Roman.


    Steffi, habe ich dir erzählt, dass ich beim Fischer Verlag nachgefragt habe, ob sie auch die Tagebücher in Taschenbuchformat herausbringen?


    Ich bekam sehr schnell Antwort, dass sie einen Taschenbuch-Schuber mit den Tagebüchern für 2007 planen.


    toll - :klatschen:


    Im Hörspiel "Die Wellen" wird eingeleitet, dass es kein Buch der Gestalten ist, sondern der Stimmen. Ich habe ein bißchen reingehört und fand sofort Zugang zu den Stimmen. Das hat mich sehr beeindruckt.


    Ich fange heute abend mit dem Lesen an.


    Zitat von "salome1"

    Mir gefällt vor allem die fast schon tranceartige Sprache - nachdem ich mich erstmal an sie gewöhnt habe.


    das fiel mir im Hörspiel auch auf. Dieser Fluss an Gedanken, es geht immer weiter und weiter und weiter.... Jetzt passiert dies, Jetzt passiert das ..... wellenartig

    Die Personen sprechen ja nicht miteinander, sondern wir lesen nur ihre Gedanken. Was für eine Idee für einen Roman, beeindruckend!


    Zitat von "Steffi"

    Er erinnert mit seinen Beschreibungen sehr an Zum Leuchtturm.


    stimmt, erinnerte mich auch daran. Es gibt wieder schöne Naturbeschreibungen, der Tagesanbruch war doch wunderschön beschrieben, oder?


    Nebengedanke: Warum kommen in den meisten Romanen und Erzählungen von V.W. Schnecken oder Schneckengehäuse vor? Ich stosse jetzt schon so oft auf diese Tiere, dass es auffallend ist. *kopf_kratz*


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen


    Meine Neugierde hat gesiegt und ich habe gestern Abend zumindest noch das erste Kapitel gelesen.
    Mein erster Eindruck schwankt zwischen Faszination und Unverständnis. Einerseits gefällt mir diese intensive, bildmächtige Sprache, andererseits hatte ich anfangs Probleme die Figuren überhaupt auseinander zu halten, was mir dann jedoch zunehmend besser gelang. Auch diese sehr kurzen Sätze sind für mich gewöhnungsbedürftig (ich bin wohl mehr die Endlos-Schachtelsätze Thomas Manns gewöhnt :smile: ), aber die dadurch entstehende betörende Rhythmik übt auch einen eigenartigen Sog aus. "Tranceartig" ist genau das richtige Wort dafür.
    Bis jetzt ein sehr merkwürdiges Buch.


    Viele Grüße
    ikarus

    "Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand" (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen,


    die Geburt des Tages, wenn die Morgenröte (wenn ich mal Homer zitieren darf) erscheint, fand ich besonders schön:


    Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Meer und Himmel ließen sich nicht unterscheiden, nur daß das Meer leicht gefältelt war wie ein zerknittertes Tuch. Allmählich, während der Himmel weiß wurde, erstreckte sich eine dunkle Linie am Horizont, die das Meer vom Himmel trennte, und das graue Tuch wurde von dicken Streifen durchzogen, die sich, einer nach dem anderen, unter der Oberfläche bewegten, einander folgend, einander jagend, immerzu.


    ich finde schon im 1. Abschnitt steckt soviel drin:
    Geburt, Beginn eines Kreislauf, Trennung von Himmel und Meer.
    Graues Tuch - und unter diesem Tuch bewegt sich etwas immerzu.
    Mir stellen sich ein bißchen die Haare auf.


    ikarus:
    was meinst du mit 1. Kapitel? Ich habe keine Kapitelunterteilung. Meinst du bis dahin, wenn das nächste Mal in Kursivschrift der Verlauf des Tages weiter beschrieben wird?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !


    Mir ging es die ersten paar Seiten wie ikarus - die kurzen, knappen Sätze verwirrten mich auch etwas. Aber bereits das zweite Kapitel, Abschnitt oder wie immer man es nennen mag hat mich vollständig in seinen Bann gezogen. Vielleicht sollen auch die kurzen Sätze die Jugend widerspiegeln - als Kind hat man noch nicht soviel wichtiges zu sagen (?) und auch die Charaktere sind noch nicht so leicht unterscheidbar - außer vielleicht Louis, der so gerne dazugehören möchte aber doch irgendwie stolz auf sein Anderssein ist.


    Als aus den Kinder jedoch Teenager werden und sie in ihren Internaten sind, werden die Gedanken dichter und die Charaktere deutlicher.


    Natürlich habe ich schonmal nachgeforscht, wen denn VW so verewigt hat. Wie üblich, trägt auch dieser Roman starke biografische Züge, wenn sich auch VW alle Mühe gibt, es etwas zu verschleiern. Aber je mehr man von ihr liest und wenn man auch noch ihre Biografie hernimmt, erkennt man viele Wiederholungen. In dem Zusammenhang: leider kann ich mir über die Schnecken auch keinen Reim machen, Maria, aber ich behalte es im Auge.


    Die Charaktere (sind es mehrere oder sind es die Facetten einer Person ?) sollen lt. Hermione Lee (z.T. abweichend davon Angelica Garnett im Nachwort der Fischer-Ausgabe) folgenden Personen nachempfunden worden sein:
    Jinny - Mary Hutchinson
    Susan - Vanessa Bell, Schwester VW's
    Rhoda - Virginia Woolf
    Louis - E.M.Forster
    Percival - Thoby Stephen, früh verstorbener Bruder VW's
    Neville - Lytton Strachey


    Über Bernard habe ich keine Angaben gefunden, mal sehen, ob sich eine Ahnung während des Lesens ergibt.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Steffi"

    Vielleicht sollen auch die kurzen Sätze die Jugend widerspiegeln - als Kind hat man noch nicht soviel wichtiges zu sagen (?) und auch die Charaktere sind noch nicht so leicht unterscheidbar - außer vielleicht Louis, der so gerne dazugehören möchte aber doch irgendwie stolz auf sein Anderssein ist.


    Jugend: Ein guter Gedanke, Steffi! :klatschen:


    Zitat

    . In dem Zusammenhang: leider kann ich mir über die Schnecken auch keinen Reim machen, Maria, aber ich behalte es im Auge.


    Danke :-)

    Zitat

    Jinny - Mary Hutchinson
    Susan - Vanessa Bell, Schwester VW's
    Rhoda - Virginia Woolf
    Louis - E.M.Forster
    Percival - Thoby Stephen, früh verstorbener Bruder VW's
    Neville - Lytton Strachey


    Toll, dass du nachgeschaut hast. Lytton Stracheys Gestalt habe ich deutlich vor Augen, auch Vanessa und Virginia. Bei den anderen werde ich nochmals nachschauen müssen.


    Jinny habe ich für mich persönlich als die "Sinnliche" eingeordnet. Sie tanzt, schaut in Spiegel und denkt viel über Kleider nach.


    Parcival, die Muse. Zum Verlieben, wie er mit seiner Hand den Nacken durchfährt. Für Louis ist er wohl eine Art Muse, oder?


    Zitat


    Über Bernard habe ich keine Angaben gefunden, mal sehen, ob sich eine Ahnung während des Lesens ergibt.


    vielleicht Leonard Woolf?
    Bernhard hat einen anderen Akzent, da er aus Australien stammt. Er ist und wirkt andersartig. Leonard Woolf war Jude und wirkte auf Virginia Woolf auch anders. Dann war er lange auf Ceylon. Leonard Woolf schrieb "Geschichten". Die Namen ähneln sich "Bern-ard // Leon-ard".


    *Nachträgliche Korrektur:
    ich habe da wohl Bernard mit Louis verwechselt. Louis hat den Akzent.


    Ich wünsche mir mal ein Buch, das darüber schreibt was die Farben in Virginia Woolfs Romanen bedeuten, andeuten sollen. Gelb kommt in allen ihren Romanen auffallend oft vor.


    "Die Wellen" sind ebenfalls farbenfroh, speziell Gelb und Blau/Grün.
    Gelb für die Sonne / Blau und Grün für die Wellen ? (stelle ich mir vor).


    Ist euch in den Gedanken der einzelnen aufgefallen, dass Symbole des endlosen Kreislaufs vorhanden sind? Ringe und Kreise kommen immer wieder vor. Lebenszyklus?


    Außerdem fiel mir auf, dass V.W. wieder ihren eigenen Kosmos erschafft. Im Großen durch den Geburt des Tages und sein Verlauf zur Nacht, die Trennung zwischen Meer und Himmel. Im Kleinen, die Natur, die Menschen..... Ich kann es nur schwer ausdrücken. Ich habe immer das Gefühl, dass mich Virginia Woolf manchmal einen Fernblick gewährt, dann wieder eine Nahaufnahme.


    z.B. das im Gras liegen, die Wolken zu beobachten... dann wieder der Blick ins Gras ....


    Vielleicht ist euch auch etwas ähnliches aufgefallen oder habt es verspürt?


    Viele Grüße
    Maria
    PS: könnt ihr Seitenzahlen angeben? Mit "Kapitel" tue ich mir schwer, ich weiß nicht wo ihr genau seid. Ich bin auf S. 42.

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo Maria,
    hallo zusammen !


    Ach ja, die Farben bei VW *seufz*. Leider sind ihre Metaphern nicht ganz so einfach zu verstehen wie z.B. bei Fontane. Ich denke, dass die Farben tatsächlich sehr nach der Natur gewählt sind, Frühlingsfarben ähnlich der Lebenszeit der Protagonisten.



    Folgendes ist mir im Zusammenhang mit den Schnecken durch den Kopf gegangen. VW kämpft ja immer mit ihren eigenen Emotionen, die sie ja selten zuließ und dann in ihren Werken verarbeitete. So konnte sie über den Tod ihrer Mutter lange nicht sprechen - zwei Jahre danach schrieb sie nichts und war krank - und ließ sie dann in verschiedenen Werken (Mrs. Ramsay in Zum Leuchtturm z.B.) nochmals sterben. Sie verarbeitete damit auch ihre Trauer. Im Gegensatz dazu quetschte sie immer alle Bekannten nach Klatsch und Tratsch aus, vielleicht um an deren Emotionen teilhaben zu können. Wenn man also seine Emotionen nicht herauslässt (lassen kann) zieht man sich in ein Schneckenhaus zurück. Im übrigen könnte ich mir auch einen Zusammenhang mit der ihr nachgesagten Frigidität denken - sind Schnecken nicht Zwitter ?


    Ich habe sehr viele Gedanken zu dem bisher gelesenen im Kopf, die ich erst mal sammeln muss. Ehrlich gesagt bin ich momentan richtig im Virginia Woolf - Fieber, weil ich parallel noch die sehr gute und ausführliche Biografie von Hermione Lee lese.


    Ich komme zu Seite 45 (gebundene Ausgabe).


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi
    Hallo zusammen,


    Zitat


    Folgendes ist mir im Zusammenhang mit den Schnecken durch den Kopf gegangen. VW kämpft ja immer mit ihren eigenen Emotionen, die sie ja selten zuließ und dann in ihren Werken verarbeitete. So konnte sie über den Tod ihrer Mutter lange nicht sprechen - zwei Jahre danach schrieb sie nichts und war krank - und ließ sie dann in verschiedenen Werken (Mrs. Ramsay in Zum Leuchtturm z.B.) nochmals sterben. Sie verarbeitete damit auch ihre Trauer. Im Gegensatz dazu quetschte sie immer alle Bekannten nach Klatsch und Tratsch aus, vielleicht um an deren Emotionen teilhaben zu können. Wenn man also seine Emotionen nicht herauslässt (lassen kann) zieht man sich in ein Schneckenhaus zurück. Im übrigen könnte ich mir auch einen Zusammenhang mit der ihr nachgesagten Frigidität denken - sind Schnecken nicht Zwitter ?


    So kann ich es mir gut vorstellen. Deine Gedanken gehen in die Richtung, die ich auch im Netz nun gefunden habe. Wenn man im Google "snails" und "Virginia Woolf" eingibt, so ergibt es einige Treffer zu ihren Romanen. Schnecke/n kommen vor in "Kew Gardens" , "Jacobs Room", The Hounted House, The Waves, "Between the Acts" usw....


    in einem Link wird Kew Gardens Freudianisch betrachtet.


    shell of a snail" - snail and shell are the most typical symbols for the female sexual organ Quelle: http://kvtr.elte.hu/csoport/ago/eng.html


    Ich finde zwar, Kew Gardens ist zum Glück auch ohne Freud wunderschön zu lesen, aber ganz interessant was so heraus gelesen wird.


    Zitat


    Ich habe sehr viele Gedanken zu dem bisher gelesenen im Kopf, die ich erst mal sammeln muss. Ehrlich gesagt bin ich momentan richtig im Virginia Woolf - Fieber, weil ich parallel noch die sehr gute und ausführliche Biografie von Hermione Lee lese.


    wie ist die Biographie eingeteilt? Ich möchte sie mir ja auch noch besorgen.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Zitat von "Steffi"

    Hallo Maria,


    Ach ja, die Farben bei VW *seufz*. Leider sind ihre Metaphern nicht ganz so einfach zu verstehen wie z.B. bei Fontane. Ich denke, dass die Farben tatsächlich sehr nach der Natur gewählt sind, Frühlingsfarben ähnlich der Lebenszeit der Protagonisten.


    Hallo Steffi, hallo zusammen
    es läßt mir einfach keine Ruhe:
    wie wäre es mit der Theorie, dass sie ihre Geschichten 'malt'? Sie beneidete ja auch ihre Schwester um ihr künstlerisches Talent. Eine zeitlang, zu beginn ihrer schriftstellerischen Laufbahn, hat Virginia Woolf im stehen geschrieben, so wie ihre Schwester im Stehen arbeitete.
    und ihre Szenen haben durchaus etwas malerisches, oder? Vielleicht deswegen die Farbenvielfalt bzw. die Vorliebe für bestimmte Farben.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    nicht erschrecken weil ich schon wieder poste. Es ist für mich einfacher Gedanken sofort niederzuschreiben, wenn ich weiterlese verwischt es mir.


    nur kurz:


    Parallel verlaufen die Gedanken der Mädels und der Jungs. Kann es sein, dass sie sich manchmal in Gedanken berühren?


    Mir fiel es erst jetzt auf als Louis denkt:
    Ich, Louis, der ich siebenzig oder mehr Jahre auf dieser Erde wandeln soll, bin als Ganzer wiedergeboren, aus dem Haß, aus der Zwietracht (TB S. 31)


    nun Jinny:
    Ich habe fünfzig Jahre, ich habe sechzig Jahre zu meiner Verfügung. Ich habe meinen Vorrat noch nicht angebraucht. Dies ist ein Beginn (TB S. 44)


    es klingt ähnlich und doch anders. Jinny wirkt positiver, erwartungsvoller in ihrer Lebenssicht, auch wenn sie weniger Lebensjahre ansetzt. Louis dagegen... ja was? Es klingt bei ihm wie eine Proklamation. Seltsam.


    Bin auf der S. 50 (Taschenbuch).
    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Finde eure Ausführungen interessant. Insesondere gefällt mir die Bildersprache bei VW sehr gut. Aus eigenen Erlebnissen ist mir die Bildersprache nicht fremd und ihr habt mich jetzt schon neugierig auf ihre Werke gemacht. :freu: Ich kenne diese Schriftstellerin überhaupt nicht. Vielen Dank für eure Mühen, bin schon gespannt wie es weiter geht.


    Gruß Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij

  • Hallo !


    Zitat

    Parallel verlaufen die Gedanken der Mädels und der Jungs. Kann es sein, dass sie sich manchmal in Gedanken berühren?


    Ich glaube, es gibt eine Theorie, wonach es auch die Gedanken einer Person sein könnten. Ob das VW auch so gesehen/gemeint hat, weiß ich aber nicht. Auf jeden Fall lassen sich so bessere Vergleiche der einzelnen Personen anstellen.



    Zitat

    wie wäre es mit der Theorie, dass sie ihre Geschichten 'malt'?


    Dieses Empfinden hatte ich bei "Zum Leuchtturm" ganz stark, vielleicht auch durch die Malerin Lily Briscoe, die durch ihr Bild ja versucht hat, die Kindheit und die damit verbundenen Gefühle wieder herzustellen.


    Bei den Wellen empfinde ich die Farben nicht so übermächtig. Das liegt evtl. daran, dass sich alles mehr in den Gedanken abspielt.


    Zitat

    aber ganz interessant was so heraus gelesen wird.


    Ja, es wird sehr viel hineininterpretiert und wenn ich nun so die Biografie lese, wird dort auch vieles relativiert und als Spekulation entlarvt. VW kannte sich mit Freud und insbesondere mit der Traumdeuting sehr gut aus, ihr Bruder war Psychoanalytiker und ich glaube nicht, dass sie die Schnecken da so leichtfertig eingesetzt hätte. Da sie auch sehr genau und überlegt schrieb, glaube ich auch nicht, dass ihr diese Assoziationen entgangen wären, wenn es denn welche waren.


    Gerade über ihren sexuellen Mißbrauch durch den Stiefbruder George gibt es viel wiedersprüchliches und es ist nicht eindeutig, wie weit dieser ging.
    VW hatte auch später Kontakt zu George, über seine "Gier" wurden öffentlich Späße gemacht, auch in ihrer kurz vor ihrem Tod geschriebenen biographischen Skizze rechnet sie nicht mit ihm ab. Es gibt wohl ein Buch, dass VW und ihr Werk ziemlich ausschließlich über diesen Mißbrauch definiert, was ich aber eindeutig zu einseitig finde.


    Zitat

    wie ist die Biographie eingeteilt? Ich möchte sie mir ja auch noch besorgen.


    Die Biografie geht chronologisch vor, nimmt sich aber in jedem Lebensabschnitt ein herausragendes Thema vor, also z.B. Geschwister, Häuser, Wahnsinn usw. Diese Themen werden dann auch ein bißchen zeitübergreifend behandelt. Alles sehr ausführlich und mit vielen Zitaten. Interessant ist, dass viele Parallelen zu ihren Werken gezogen werden, d.h. es wird deutlich, wieviel autobiographisches darin enthalten ist. Durch die Einteilung kann man das Buch auch ganz gut für eine Weile wieder weglegen, denn es ist sehr dick :klatschen:


    Fuu: freut mich, dass du neugierig geworden bist. Du solltest unbedingt mit VW anfangen, wenn nicht die Wellen, dann "Zum Leuchtturm".


    Gruß von Steffi

  • Hallo ihr Virginia-Woolf-Experten :smile:


    Ihr legt euch ja mächtig ins Zeug und laßt mich dabei mal wieder ganz schön alt aussehen. Aber über Virginia Woolf weiß ich so gut wie gar nichts und finde deshalb eure Beiträge sehr interessant. Die von Steffi erwähnte Biographie habe ich mir mal notiert. Es scheint mir lohnend, sich mit dieser Schriftstellerin näher zu befassen.
    Beim Weiterlesen habe ich jetzt verstärkt auf Farben und Schnecken geachtet. Insbesondere Rot, Grün und vor allem Gelb kommen tatsächlich auffällig oft vor. Da wird es wohl auch kaum Zufall gewesen sein, daß der Umschlag der deutschen Erstausgabe 1959 knallgelb war.


    Mit der charakterlichen Unterscheidung der Personen habe ich immer noch so meine Probleme. Eindeutig ist für mich bis jetzt nur die Affinität Susans zur Natur und zum Landleben, wovon sie träumt; und Bernard, der viel und gern erzählt und wahrscheinlich eine Schriftstellerkarriere anstrebt. Aus den anderen werde ich noch nicht so recht schlau.


    Weiterhin fasziniert auch mich vor allem diese Bildersprache. Mein Lieblings-"Bild" bisher ist die Beschreibung des Internats-Direktors: "Der alte Crane, der Direktor, hat eine Nase wie ein Bergzinken bei Sonnenuntergang, und eine blaue Kerbe am Kinn, wie eine bewaldete Schlucht, die ein Ausflügler angekohlt hat;..."


    Ich bin auf Seite 94. Allerdings habe ich eine Ausgabe der Bibliothek Suhrkamp.


    Ansonsten schließe ich mich Fuu an:

    Zitat

    Vielen Dank für eure Mühen, bin schon gespannt wie es weiter geht.


    Viele Grüße
    ikarus

    &quot;Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand&quot; (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Steffi"

    Ich glaube, es gibt eine Theorie, wonach es auch die Gedanken einer Person sein könnten. Ob das VW auch so gesehen/gemeint hat, weiß ich aber nicht. Auf jeden Fall lassen sich so bessere Vergleiche der einzelnen Personen anstellen.


    auf die Idee wäre ich jetzt nicht gekommen, den Eindruck hatte ich auch nicht. Aber es lohnt sich darüber nachzudenken. Berührungspunkte gibt es jedenfalls, so mein Eindruck.


    Zitat


    Dieses Empfinden hatte ich bei "Zum Leuchtturm" ganz stark, vielleicht auch durch die Malerin Lily Briscoe, die durch ihr Bild ja versucht hat, die Kindheit und die damit verbundenen Gefühle wieder herzustellen.


    du hast recht, ich sehe Lily vor mir.


    Zitat

    Bei den Wellen empfinde ich die Farben nicht so übermächtig. Das liegt evtl. daran, dass sich alles mehr in den Gedanken abspielt.


    seltsam, ich empfinde sehr viel Farbenreichtum, wenn es auch nur auf ein paar Farben beschränkt wird (Gelb - sehr häufig, Blau/Grün - häufig, rot - ab und zu) :rollen: (Rot, so habe ich den Eindruck, meist in Bezug mit Jinny)


    Zitat


    Ja, es wird sehr viel hineininterpretiert und wenn ich nun so die Biografie lese, wird dort auch vieles relativiert und als Spekulation entlarvt. VW kannte sich mit Freud und insbesondere mit der Traumdeuting sehr gut aus, ihr Bruder war Psychoanalytiker und ich glaube nicht, dass sie die Schnecken da so leichtfertig eingesetzt hätte. Da sie auch sehr genau und überlegt schrieb, glaube ich auch nicht, dass ihr diese Assoziationen entgangen wären, wenn es denn welche waren.


    ich habe eine weitere Schnecke im Text entdeckt *g* (S. 59 Fischer TB)


    Man liest oft, dass Schriftsteller gerade in ihren Werken offen oder auch bewußt versteckt einen Einblick in ihr Seelenleben geben. Ich könnte mir vorstellen, dass V.W. durchaus bewußt war, was man in diverse Dinge hinein interpretieren könnte und es trotzdem verwendete. Auch wenn jetzt z.B. die Schnecke für sie ein anderes Symbol wäre, als Freud es beurteilt. Deine Erklärung, für Zurückgezogenheit , das zurückhalten von Emotionen ist vollkommen logisch für mich.


    Neben der Farbe Gelb und der Schnecke, kommt auch der Vorhang immer wieder in ihren Werken vor. Besonders viel mir das in "Zwischen den Akten" und in "Mrs Dalloway" auf. Auch in den "Wellen" habe ich den Vorhang schon entdeckt, auch eine Umschreibung wie z.B. "Fontänen der hängenden Bäume".


    Und viele viele Ringe (Ringe, Rauchringe, Drahtringe usw.) kommen vor. Achtet mal darauf, ob ich mir das nur einbilde.


    Fuu:
    ich schließe mich Steffis Vorschlag an. "Zum Leuchtturm" wäre für den Einstieg bestimmt geeignet. Du bist auch bei unserer nächsten Virginia Woolf Leserunde herzlich eingeladen. "Orlando" fristet noch ein ungelesenes Bücherleben bei mir *g*


    ikarus:

    Zitat


    Ihr legt euch ja mächtig ins Zeug und laßt mich dabei mal wieder ganz schön alt aussehen. Aber über Virginia Woolf weiß ich so gut wie gar nichts und finde deshalb eure Beiträge sehr interessant. Die von Steffi erwähnte Biographie habe ich mir mal notiert. Es scheint mir lohnend, sich mit dieser Schriftstellerin näher zu befassen.


    so fühlte ich mich auch, als ich meinen ersten Woolf las (Zum Leuchtturm). Steffi kannte V.W. bereits etwas und hat mich einfach ins Wasser geschubst. :breitgrins:


    Es lohnt sich wirklich, sich mehr mit ihr zu befassen. Ich finde sie so fascettenreich und sehr mutig. Die Biographie von ihrem Neffen Quentin Bell ist auch zu empfehlen.


    Steffi, danke für die nähere Beschreibung der Bio von Hermione Lee.

    weitere oben erwähnte ich was Jinny und Louis für ihr weiteres Leben erwarten. Hier noch die Ergänzung von Bernards Vorstellung, wie sein Leben aussehen wird:


    ...wenn ich durch das Leben rassele und poltere, mich erst an der einen Wagenwand stoße, dann an der anderen...


    jetzt fehlen nur noch Susan, Rhoda und Neville. Vielleicht sind mir ihre Gedanken auch beim Lesen entgangen. Mir ist dieser Aspekt erst im Nachhinein aufgefallen.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Ja so werde ich es später halten, Danke für den Tipp :winken: !


    Gruß Fuu

    Richte nicht, damit du nicht gerichtet wirst...ja, wenn man aber einander nicht richten soll, haben die Menschen nichts, um sich zu unterhalten.
    <br /> Maxim Gorkij