Dezember 2005 - Adalbert Stifter: Der Nachsommer

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Sandhofer"

    Zum Thema "Erzählzeit - erzählte Zeit" ..... Man stelle sich vor: Da wird ein Besuch in der östereichischen Provinz von ein paar Tagen kapitellang abgehandelt, und dann eine Europareise von fast zwei Jahren in diesem halben Abschnitt erledigt!


    Mir scheint auch, die Winteraufenthalte zu Hause werden im Verlauf des Werkes zunehmend kürzer. Vom ersten erden noch Episoden berichtet, derjenige zu Beginn des 2. Bandes (Die Erweiterung) wird auf einer Doppelseite abgehandelt. Das genauer anzuschauen habe ich mir jedenfalls für einen nächsten Durchgang vorgemerkt.


    Zitat von "finsbury"

    ...weshalb vielleicht bei dir, Maja, auch der Eindruck entsteht, dass ebenso gut eine andere Perspektive möglich wäre.


    Uiiii, da hast Du mich verkehrt verstanden! Ich glaube eben nicht, dass eine andere Perspektive möglich wäre, ohne dass ein ganz anderes Werk daraus geworden wäre. Aber wenn es stimmt, dass man hinter das "Was" eines Werks nur über das "Wie" kommt, müsste man da wohl ansetzen. Mit Sandhofer stimme ich soweit überein, dass das Werk wohl aus der Aussenperspektive unglaubwürdig bis unerträglich wäre.
    Sonst bin ich da noch ziemlich ratlos und muss mir die gleiche Frage mal bei anderen Ich-Erzählern stellen.


    Zitat von "finsbury"

    Angerührt hat mich auch der Hintergrund, dass Stifter mit diesem Werk wohl auch gegen seine eigenen Ängste und Obsessionen angeschrieben hat. Das gibt dem Roman eine tiefere Dimension, die untergründig mitläuft und nur manchmal angedeutet wird, wie z.B.,


    Zum Beispiel beim oben erwähnten Winteraufenthalt: Hier scheint etwas durch die problemlose Oberfläche durch:Dieses liess mich manches vergessen, das beinahe wie eine Sorge in meinem Herzen war und eine Seite später "...Ruhe und eine süsse Empfindung, die mir in der letzten Zeit beinahe fremd geworden war und ......wollte mir mein Herz immer sagen:"Jetzt ist alles gut, jetzt ist alles gut"
    Schon am nächsten Tag kauft er sich ein Spanischbuch, dennoch entsteht der Eindruck, als verschwiege er noch andere Probleme als "nur" ein bisschen Liebeskummer.


    Geradezu phänomenal die Wortbildung "meinen Zitherspieljägersmann"! So sollen wohl Frühlingsgefühle ausgedrückt werden!


    Zur weissen Kleidung des Gärtnerpaares habe ich zuerst auch gedacht "...und das vor der Erfindung der Waschmaschine...?!" Soeben ist mir eine vage Erinnerung daran gekommen, dass bei Stifter Weiss mit dem Tod zu tun hat, z.B. in Kalkstein.(Maturlektüre-lang ist's her...)

    Zitat von "finsbury"

    Euch eine schöne Arbeitswoche!

    ...Lesewoche wäre mir lieber :sauer:


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo,


    Zitat von "Maja"


    Zum Beispiel beim oben erwähnten Winteraufenthalt: Hier scheint etwas durch die problemlose Oberfläche durch:Dieses liess mich manches vergessen, das beinahe wie eine Sorge in meinem Herzen war und eine Seite später "...Ruhe und eine süsse Empfindung, die mir in der letzten Zeit beinahe fremd geworden war und ......wollte mir mein Herz immer sagen:"Jetzt ist alles gut, jetzt ist alles gut"
    Schon am nächsten Tag kauft er sich ein Spanischbuch, dennoch entsteht der Eindruck, als verschwiege er noch andere Probleme als "nur" ein bisschen Liebeskummer.



    danke, Maja, dass du darauf aufmerksam machst. Diese kleinen Andeutungen überlese ich leicht. Aber ich denke, dass gerade die Aussparung der Innensicht in Bezug auf das Gefühlsleben auch etwas mit dieesem Schutzmechanismus Stifters zu tun hat, den er vielleicht, bewusst oder unbewusst, auf Heinrich projiziert.
    Insofern, da hast du Recht, ist eben gerade keine andere als die Ich- Perspektive möglich, weil auch dieses Schweigen funktional sein kann.


    Dann eben weiterhin schöne Lesestunden :breitgrins: , die werden doch wohl drin sein?!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen, hallo finsbury,


    Zitat von "finsbury"

    Im vorhergehenden Kapitel fand ich eine schöne Stelle über die Dichtkunst im Vergleich zu den anderen Künsten:...


    Habe vorhin gesehen, dass ich mir genau diese Stelle bei einem früheren Durchgang markiert habe! (Als einzige, ich schreibe eigentlich nicht in Bücher) :winken:


    Zitat von "finsbury"

    Dann eben weiterhin schöne Lesestunden, die werden doch wohl drin sein?!


    Müssen!


    Gruss, Maja