Dezember 2005 - Adalbert Stifter: Der Nachsommer

  • Hallo zusammen!


    Hiermit eröffne ich mal die Leserunde zu Stifters Nachsommer. Wir werden es wohl um die Weihnachtszeit langsam angehen lassen :zwinker: .


    Für mich persönlich ist es ein Wiedersehen mit allen Bekannten, gehört der Nachsommer doch zu den Büchern, die ich alle 2-3 Jahr mal wieder lese.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    Ich kenne Stifters Werke noch nicht. Deshalb würd ich auch gern bei der Leserunde mitmachen. Hab mir den "Nachsommer " extra bei ebay ersteigert...ne wunderschöne alte Ausgabe von 1953. Irgendwie macht mir das Lesen in solchen alten Schwarten doch mehr Spaß...


    Also ich werd heut abend im Bett schon mal anfangen, ein wenig zu lesen...


    Bis dann...

  • Hallo zusammen,


    habe gestern Abend beginnen können und knappe 40 Seiten gelesen.
    Sehr schön: Erinnert mich an den Filmtitel: Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss. Das Buch hat fast etwas Meditatives.
    Ein bisschen habe ich jetzt auch über Stifter gelesen: Da existieren ja extreme Kontraste zwischen seinem scheint's zerissenen Naturell und dieser harmonischen Prosa. Wie ich las, kann er in seinen Kurzgeschichten aber auch anders. Der Nachsommer ist mein erster Stifter, wird wohl aber nicht der letzte bleiben.
    Merkwürdig finde ich, dass man den Namen des Ich-Erzählers bis S. 40 (ca. 25 Jahre alte Reclam Leipzig Taschenausgabe) noch immer nicht erfahren hat, er ist mir bisher nur aus der Sekundärliteratur bekannt. Ich wüsste auch gern, wo das Vaterhaus des Ich-Erzählers steht: Man hat in der Nähe Hügelketten, in der Ferne das Hochgebirge? Eine Stephanskirche wird genannt, sollte man sich Wien vorstellen? Aber kann man von Wiens Vorstädten aus in die Alpenketten gucken?
    Nun ja, es wird sich alles noch aufklären, so hoffe ich.


    Bis bald


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen!


    Ich habe gestern noch das einleitende Kapitel Die Häuslichkeit gelesen: des Protagonisten Kindheit und Jugend.


    Mir gefällt die umständliche Art, wie Stifter beschreibt. :zwinker:


    finsbury: Meines Wissens lassen sich die Orte im Nachsommer alle ziemlich genau in der Realität lokalisieren. So ist der Wohnort der Eltern des jungen Mannes tatsächlich Wien.


    Ich lese übrigens Band 2 der vierbändigen Werkausgabe von Winkler.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    mir hat besonders gut folgender Satz aus dem 1. Kapitel gefallen:
    "Jedes Ding und jeder Mensch, pflegte er zu sagen, könne nur eines sein, dieses aber muß er ganz sein."
    Hier wird schon ein zentrales Thema in dem Roman markiert, welches sich auch in der Zimmeraufteilung, oder der Berufswahl wieder finden lässt.


    Stifters Schreibweise, finde ich zeichnet sich dadurch aus, dass er super-einfach schreibt, wie es sich z.B. in der Syntax zeigt, aber dennoch dabei eine Präzision erreicht, die nahezu unendlich genau ist.
    Toll!


    Liebe Grüße,


    Jennifer

    Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.
    <br />Voltaire (1694 - 1778)

  • Hallo zusammen,
    auch ich habe den Nachsommer wieder hervorgesucht und eine weitere Runde gestartet.
    Gestolpert bin ich schon über den ersten Satz:Mein Vater war ein Kaufmann. Erstens, weil der Vater ja sonst im Buch kaum mehr eine Rolle spielt, und zweitens weil Kaufmann aus einer ganz anderen Welt ist, als sich der Rest abspielt!
    Danach stellt sich aber heraus, dass im Vaterhaus vieles gleich ist, wie im Haus seines späteren Freundes: Zimmer ohne Gebrauchsspuren, spezielle Zimmer für je eine Funktion, der regelmässige Tagesablauf.
    Die Aussage des Vaters, der Mensch sei nicht zuerst der menschlichen Gesellschaft wegen da, sondern seiner selbst willen. ... ist ein hohes Ideal. Ich möchte diese Aussage im Auge behalten. Trifft sie den Kern des Nachsommers??
    Dann auf der gleichen Seite Und aus solchen Männern, welche ihren innern Zug am weitesten ausgebildet, seien auch in Zeiten der Gefahr am öftesten die Helfer und Retter ihres Vaterlandes hervorgegangen. scheint mir auf Reisach vorauszudeuten.

    Zitat von "finsbury"

    Merkwürdig finde ich, dass man den Namen des Ich-Erzählers bis S. 40 (ca. 25 Jahre alte Reclam Leipzig Taschenausgabe) noch immer nicht erfahren hat,


    Ist er überhaupt die Hauptperson? Der Titel bezieht sich wohl eher auf die älteren Semester des Romans. Ausserdem ist ja seine Bildung/Erziehung im Elternhaus sehr gut, handelt es sich überhaupt um einen Bildungsroman?
    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Ich habe nun das zweite Kapitel beendet. Wie jedesmal kann mich Stifters Sprache völlig faszinieren.


    Der Ich-Erzähler (um das Wort "Held" oder "Hauptperson" mal zu vermeiden) ist wohl wirklich nicht das "logische" Zentrum des Romans. Es erinnert mich daran, dass - wenn ich mich recht erinnere - auch der Ich-Erzähler aus A la recherche du temps perdu keinen Namen hat, und es auch dort wohl eher die Gesellschaft um ihn herum ist, welche die "Hauptperson" darstellt. So ähnlich empfinde ich es auch beim Nachsommer.


    Ein "Gesellschaftsroman mit Ich-Erzähler" also?


    Das ist wohl auch gut so, denn seien wir ehrlich: Diese frühreife, altkluge Person von Ich-Erzähler im Nachsommer ist ja nicht wirklich auszuhalten. Was der alles seinem Vater und seiner Mutter zuliebe tut! Und wie er nicht in allem mit ihnen übereinstimmt! Und wie sorgfältig er sein Geld einteilt und spart! Ich begreife jeden, der mit dem Nachsommer deswegen Mühe bekundet.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "sandhofer"

    Das ist wohl auch gut so, denn seien wir ehrlich: Diese frühreife, altkluge Person von Ich-Erzähler im Nachsommer ist ja nicht wirklich auszuhalten. Was der alles seinem Vater und seiner Mutter zuliebe tut! Und wie er nicht in allem mit ihnen übereinstimmt! Und wie sorgfältig er sein Geld einteilt und spart! Ich begreife jeden, der mit dem Nachsommer deswegen Mühe bekundet.


    Da kommen wir zu einem Punkt, an dem ich auch zu knapsen habe: Nicht nur der Ich-Erzähler ist so unendlich gut erzogen, auch die Pedanterie wird in diesem Roman hoch gelobt: Ich bin in dem Kapitel "Die Beherbergung" und da geht es mir schon auf den Wecker, wie wenig Fußböden ob ihrer Schönheit betreten werden dürfen und dass man jedes benutzte Buch sofort wieder aufräumen muss (ein Wesenszug, den ja auch der Vater des Ich- Erzählers sein eigen nennt). Ich bin nicht sonderlich unordentlich, aber mit solchen Leuten wie dem weißhaarigen "Alten vom Berge" :zwinker: , hätte ich schon meine Schwierigkeiten.
    Dennoch lässt sich das Buch viel leichter lesen, als ich nach Bekundungen von Bekannten, die früh daran scheiterten, erwartete. Aber es wird kein Buch sein, das man in zwei Wochen durch hat. Soll wohl auch nicht so sein, eher ein Werk für Genießer.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "finsbury"

    Ich bin in dem Kapitel "Die Beherbergung" und da geht es mir schon auf den Wecker, wie wenig Fußböden ob ihrer Schönheit betreten werden dürfen und dass man jedes benutzte Buch sofort wieder aufräumen muss [...]. [...] dem weißhaarigen "Alten vom Berge"


    Es ist eine Gesellschaft von Pedanten und Katalogisierern :zwinker: . Aber es geht etwas Beruhigendes von ihnen aus. (So wie in meiner Zweitlektüre, Carnaps Der logische Aufbau der Welt. Ordnung strahlt auch Ruhe aus. Jedenfalls für mich.)


    Neben den zeitgenössischen, österreichischen Vorbildern zum "Alten vom Berge" (der hier übrigens absolut harmlos!) stand wohl auch (der alte) Goethe Pate für diese Figur. Selbst mit der Liebe zur (zumindest halb)domestizierten Natur könnte er (auch) gemeint sein.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "sandhofer"

    Diese frühreife, altkluge Person von Ich-Erzähler im Nachsommer ist ja nicht wirklich auszuhalten. .... Ich begreife jeden, der mit dem Nachsommer deswegen Mühe bekundet.


    Das hatte ich von früherer Lektüre her nicht mehr so schlimm in Erinnerung, nun (vor allem seit Sandhofers Votum) kommentiere ich beim Lesen dauernd ironisch-bissig seine Perfektion. Wie er seine Bücher schön in zu lesender Reihenfolge einordnet und dazwischen sogar Repetitionsphasen einplant! Sagenhaft. Aber seien wir ehrlich, wer von (uns?) wissenschaftlich, kulturell und vielseitig interessierten Zeitgenossen wird da nicht ein bisschen neidisch?! So leben und lernen zu können!
    Das Werk strahlt auch für mich Ruhe aus, und es ermahnt auch, die eigene Betriebsamkeit zu überdenken.


    Etwas irritiert hat mich die Episode mit dem Hirsch: Ungewöhnich viel Aufwand, "nur" um zu begründen, warum er sich auch noch für Tiere interessiert. Die anderen Wissenschaften wurden nicht so aufwendig motiviert.
    An Goethe erinnerte mich übrigens auch, dass er sich jeweils eigene Klassierungssysteme für Pflanzen und Tiere ausdenkt.


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Ich schreite langsam voran ....


    Zitat von "Maja"

    Aber seien wir ehrlich, wer von (uns?) wissenschaftlich, kulturell und vielseitig interessierten Zeitgenossen wird da nicht ein bisschen neidisch?! So leben und lernen zu können!


    Oh ja. Stifter beschreibt hier wirklich ein Ideal. Dem er selber übrigens ja auch nicht nachleben konnte. Obwohl er einiges (z.B. die Restauration alter Möbel und Kirchen) in kleinerem Rahmen, beruflich oder privat, ja auch ausübte.


    In meiner Ausgabe wird angemerkt, dass der Delphin-Schreibtisch, den Riesach besitzt, Stifters eigener war. Auch einer der Schränke und noch ein Möbel (ich habe jetzt vergessen, welches es war), sind Stifters eigene.


    Und ebenfalls aus meiner Ausgabe (aus dem Nachwort): Ein weiteres Vorbild für Riesach sei Wilhelm von Humboldt gewesen, der ja ebenfalls aus dem Staatsdienst ausgeschieden war und seine eigenen Studien verfolgt hatte.


    Zitat von "Maja"

    Das Werk strahlt auch für mich Ruhe aus, und es ermahnt auch, die eigene Betriebsamkeit zu überdenken.


    Oh ja.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,
    in (allzu)kleinen Etappen komme ich vorwärts.
    Ende Kapitel 3: Riesach hat vorausgeahnt, dass der Besucher die Einladung annehmen wird: Hier kam er mir ein bisschen vor, wie oft in der Literatur der Einsiedler, der dem Helden eine wichtige Information gibt oder etwas über ihn weiss.
    Die ganzen Möbel- und Zeichnungsbeschreibungen habe ich ehrlich gesagt ein bisschen diagonal gelesen. Warum liest man so ein Werk "ohne Handlung"?? Auffallend finde ich, wie viel auch in diesem Werk nicht gefragt und nicht gesagt wird. Erinnert mich ein wenig an Dante.
    Noch etwas Grammatikalisches, weiss da jemand Bescheid: Wurden die Hilfsverben zu Stifters Zeit oder früher noch anders gebraucht als heute (eher analog dem Englischen)? Über zwei Stellen bin ich gestolpert: Dort, wo er erklärt, warum er die Nachbarn nicht überrumpelnd zu belehren versucht: Man MUSS nur nicht ermüden.
    Und dann nach dem Abendessen, als sie durch den Marmorgang in die immer gehen:Wir DURFTEN die Filzschuhe nicht anziehen, weil jetzt über den Gang und die Treppe ein Tuchstreifen lag, auf dem wir gingen.


    Weihnächtliches Weiterlesen wünscht
    Maja

  • Hallo zusammen,


    bin immer noch im Kapitel "Die Beherbung", allerdings knapp vor dem nächsten Kapitel. Ich muss zugeben, dass ich das Buch auch gerne aus der Hand lege, um Anderes zu lesen. Die Hauptfiguren bieten mir wenig Identifikationsmöglichkeiten, obwohl ich in bestimmten Bereichen sicher auch zur Besserwisserei und Pedanterie neige. Dass es wenig Handlung gibt, stört mich eigentlich wenig, aber bisher erkenne ich auch wenig interessante reflexive Passagen, sondern eher ein Sammelsurium von Natur- und alltagskulturellen Beobachtungen des 19. Jahrhunderts, vorgetragen in einem salbungsvollen Belehrungston. Aber irgendwas muss ja dahinterstecken, aufgeben will ich nicht. Nun verreise ich für ein paar Tage und nehme den "Nachsommer" als einziges Buch mit. Wenn ich in meinen voraussichtlich geringen Mußestunden so auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen bin, gelingt es mir hoffentlich, voran- und zu tieferen Einsichten zu kommen :rollen: .


    Euch schöne Restweihnachten und Tage "zwischen den Jahren"!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "finsbury"

    Ich muss zugeben, dass ich das Buch auch gerne aus der Hand lege, um Anderes zu lesen.


    Ja? Bei mir ist eher das Gegenteil der Fall. Und dies, obschon ich das Buch zum x-ten Mal lese. Es erinnert mich immer an einen grossen, breiten Fluss, der keine Strömung mehr zu haben scheint. Und dann jedesmal reisst es mich mit und ich kann nicht mehr aufhören zu lesen. Gerade die Beschreibungen faszinieren mich ungeheuer. Zum ersten Mal in meiner Lektüre fällt mir auch auf, wie sparsam Stifter mit den Kommata umgeht. Jede Menge Aufzählungen (wie es sich laut Arno Schmidt für jeden echten Realisten gehört!) - aber die einzelnen Elemente nie durch Kommata separiert.


    Grüsse


    Sandhofer
    (jetzt mitten im Kapitel Die Annäherung (= II,2)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • "Jeder Mensch sollte sich einen Lebensplan zurechtlegen, ebenso durchdacht und geschlossen wie ein mathematischer Beweis. Wer sich getreulich an ein solches System hielte, hätte darin die Handhabe folgerechten und allezeit zielsicheren Handelns. Auf diese Weise wäre einer imstande, jeglicher Gestaltung der Dinge und jedem Ereignis das abzugewinnen, was ihm auf seinem Wege zum Ziel weiterhülfe, so daß alles zur Ausführung seines Planes dienen müßte." schrieb der alte Fritze, der Zweite. Zitiert nach so einer Zitatsammlung. (Ja, derlei ist für Leute, die sonst keine Bücher lesen und also besser noch dieses als gar nix lesen; steht lustigerweise auch gleich, wenn auch positiv von Goethe formuliert, im Geleitwort.)

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Sandhofer"

    Es erinnert mich immer an einen grossen, breiten Fluss, der keine Strömung mehr zu haben scheint.

    Guter Vergleich!


    Zitat von "finsbury"

    Die Hauptfiguren bieten mir wenig Identifikationsmöglichkeiten,...

    Müssen sie das? Wie gesagt, ich finde, dass mit der ganzen Stimmung und Lebensweise ein Ideal beschrieben wird.


    Zitat von "finsbury"

    aber bisher erkenne ich auch wenig interessante reflexive Passagen,


    Wenn ich mich richtig erinnere, kommen die noch.
    Manchmal hat es aber auch so kleine Gedanken, ganz unauffällig und beiläufig eingestreut, z.B. Es gehört aber wie zu allem auch Liebe dazu. (bei mir Seite 114, Insel Taschenbuch, total 790 Seiten) An solchen Bemerkungen bleiben dann meine Gedanken auch hängen.


    Eine andere Aussage konnte ich nicht einordnen (Seite 107):Das grosse Preisen von Dingen erinnert zu oft an Armut von Erfahrungen. Es geht doch im Nachsommer sehr um Dinge!?
    Nun fahre ich auch ein paar Tage weg, auch mit dem Nachsommer im Gepäck!
    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Ich stecke nun mitten in der Annäherung. (Habt Ihr in Euren Ausgaben übrigens auch diese neckischen Kapitelüberschriften?)


    Es ist bisher eine lange Reflexion über Bildhauerei und Malerei und erinnert mich stilistisch wie inhaltlich an vieles, das Goethe geschrieben hat.


    Der Fluss fliesst nun gar nicht mehr ... Dennoch gibt es auch eindrückliche Passagen, so das Gewitter im Treppenhaus.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    Paris im Winter mit dem ländlichen, sommerlich-idyllischen "Nachsommer" im Gepäck, das war schon heftiger Kontrast!
    Knappe 100 Seiten bin ich weitergekommen und befinde mich nun im Kapitel "Die Begegnung".


    @ sandhofer: Sind die Kapitelüberschriften denn nicht von Stifter? Sie müssten doch in jeder Ausgabe vorhanden sein.


    Ein wenig besser komme ich mit dem Buch jetzt klar, nachdem ein paar mehr Personen aufgetaucht sind.
    Die Übereinstimmung mit dem Gedankengut des alten Goethe, soweit ich mich damit auskenne, scheint mir auch deutlich: Damit übereinstimmend und etwas darüber hinaus scheint der Ich- Erzähler ein gewisses Ideal des homo universalis anzustreben, das uns vielseitig interessierte Menschen wohl anspricht. Zu Stifters Zeiten war es wohl möglich, von diesem Ideal wenigstens noch zu träumen.
    Das Durchdringen der verschiedenen Wissensbereiche und die wechselseitige Befruchtung, wie sie Riesach schon ziemlich früh formuliert, scheint mir eine typische Ausprägung für Stifters hier beschriebenes Ziel zu sein.


    Wir lernten an dem Alten, aber wir ahmten es nicht nach [...]. Wir suchten selbstständige Gegenstände für die jetztige Zeit zu verfertigen, mit Spuren dews Lernens an vergangenen Zeiten. [...] Überall aber sind die eigentlichen Lehrmeister die Werke der Natur gewesen.
    (Kapitel "Die Beherbergung", bei meiner Ausgabe S. 80)


    Nun wird mir auch der Ich- Erzähler etwas sympathischer: Mit seiner Schüchternheit gegenüber den Frauen erhält er liebenswertere Züge.


    Maja: Ja, ich finde es wichtig, dass mich literarische Charaktere auch emotional anrühren: Figuren, die mich kalt lassen, folge ich nicht gerne durch ihren Kosmos. Aber ich denke, das geht doch wohl den meisten Lesern so. Vielleicht war ja Identifikation die falsche Formulierung.


    Mit dem Stil habe ich allerdings immer noch meine Schwierigkeiten. So finde ich, dass sehr häufig die Sätze mit dem Subjekt, besonders gerne mit "ich" beginnen, obwohl der Ich-Erzähler eher der passiver Rezipient ist: Für mich ist das nicht ganz stimmig, aber vielleicht ist dieser Kontrast beabsichtigt.
    @ sandhofer: Mir ist noch nicht aufgefallen, dass die Kommata bei Aufzählungen fehlen.


    Bis zum nächsten Jahr
    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)