Dezember 2005 - Williams: Die Katze auf dem heißen Blechdach

  • Hallo!


    Manjula, Maria90, Roland, Steffi und wer sonst noch mitlesen möchte, seid Ihr soweit?


    Ich eröffne mal diese Leserunde mit der einfachen feststellung, welche Ausgabe ich lese, nämlich die deutsche Erstauflage von 1956 aus der "Fischer * Bücherei" - antiquarisch erstanden. Da ist auch noch das Williams-Drama "Die tätowierte Rose" dabei.


    Dann viel Freude bei Lesen!
    Ich hoffe, hier wird einiges diskutiert!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo!


    Zunächst mal der Link zur Wikipedia über den Autor, dort gibt es auch weiterführende Links.


    Im Buchvorschlag-Bereich hatte ich hier das Stück vorgestellt.


    Etwas zur hervorragenden Verfilmung findet man hier.


    Keine Angst! In dem Drama kommt keine Tierquälerei vor, der Titel ist metaphorisch gemeint. :zwinker:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo an Pius und alle anderen,


    mir ist gestern beim Stöbern noch diese Seite aufgefallen.
    Ich kann aber nicht sagen, wie oberflächlich oder tiefgehend, gut oder schlecht sie ist, weil sie voller Spoiler steckt, und da ich das Stück noch nie gelesen habe, wollte ich noch nicht so viel vorher wissen.

  • hallo zusammen
    danke pius, dass du unsere LR eröffnet hast.
    wünsche euch auch viel spaß beim lesen. werde heute abend mit dem drama anfangen.
    :winken:
    lG

    wir denken selten an das, was wir haben;
    <br />aber immer an das, was uns fehlt.
    <br />(Arthur Schopenhauer)

  • Hallo !


    Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich es noch nicht geschafft habe, mir das Buch zu besorgen. Die beiden Buchläden, in denen ich geschaut hatte, hatten es nicht, dann wollte ich es im Internet bestellen, bin aber bisher nicht dazu gekommen :redface: Ich schätze, am Dienstag habe ich es dann. Aber fangt ruhig schon mal an !


    Gruß von Steffi

  • Hi,


    dann will ich mal einen Anfang machen.
    Ich bin schon am Freitag Nachmittag nach der Arbeit angefangen zu lesen und habe das Stück durch, eigentlich sogar zweimal.
    Fesselnd. Ob alles auch heute noch gültig bleibt, zumal was Brick und Skipper angeht, ist eher fraglich.


    Offene Fragen (Auswahl :zwinker: ):
    Als Brick im 2. Akt im Begriff ist, Big Daddy zu sagen, dass er doch Krebs hat und bald sterben wird, hört man jemanden von draußen beim Telefonieren. Erst habe ich gedacht, das ist Big Mama, die die schlechte Nachricht über ihren Mann von jemandem aus der Klinik bekommt und sie nicht wahrhaben will. Aber im 3. Akt merkt man deutlich, dass Big Mama wirklich noch nichts weiß. Es gibt auch eigentlich keinen Grund für jemanden aus der Ochsner-Klinik, Big Mama anzurufen. Die Angehörigen haben es ja übernommen, Big Daddy und Big Mama reinen Wein einzuschenken.
    Hat der Anruf also gar nicht direkt mit Big Daddy zu tun? Beim Wiederlesen kommt es mir so vor, als hätte Tennessee Williams einen ironischen Kontrapunkt zu der Situation in Bricks Zimmer arrangiert. Das tut er ja auch noch häufiger, z. B. wenn das kleine Mädchen im 1. Akt mit der Spielzeugpistole kommt und auf Margaret schießt, nachdem Brick gerade im Ernst mit seiner Krücke nach ihr geworfen/geschlagen hat.


    Am unverständlichsten ist mir - natürlich - Brick, was bedauerlich ist, weil er im Zentrum des Stücks steht. :rollen:
    Irgendwas war da mit Skipper und ihm. Brick sieht darin eine ideale Freundschaft - mehr kann und will er nicht sehen, weil er sich dann für schwul halten müsste und er ein Schwule und Schwulsein verachtet, in Übereinstimmung mit dem damals gültigen Moralkodex. Anscheinend hat er deshalb (?) keinen Menschen richtig an sich herangelassen. Das Letztere bestätigt Margaret, 1. Akt. Oder ist es eher umgehrt: Menschliche Nähe war Brick immer unangenehm und darum wurde auch aus ihm und Skipper nicht mehr als eine "Sportlerfreundschaft"? Immerhin sagt Big Mama im 3. Akt, dass Brick es schon als kleiner Junge nicht mochte, wenn man ihn küsste oder betuttelte.


    Meine Ausgabe hat den 3. Akt übrigens in zwei Fassungen: so wie TW ihn ursprünglich geschrieben hat und eine geänderte Fassung, die auf Anraten/Drängen von Elia Kazan zustande kam, als der das Stück für den Broadway inszeniert hat.


    Noch eine Sache über tödliche Krankheit und, die mir beim Lesen des Stücks wiedereinfiel:

    Zitat von "Thomas Mann"

    Storm wurde fast einundsiebzig. Seine Todeskrankheit war das Marschenübel, das in einer seiner stärksten Erzählungen, ‚Ein Bekenntnis‘, verhängnisvoll hineinspielt, der Krebs, und zwar der Magenkrebs. Er gab den Großartigen vor und verlangte ‚Klarheit‘ von seinem Arzt, unter Männern. Als aber der ihm reinen Wein eingeschenkt hatte, fiel er zusammen und überließ sich tiefster Schwermut, so daß alle sahen, er würde den ‚Schimmelreiter‘, das Höchste und Kühnste, woran er sich je gewagt, nicht vollenden. Sie sagten: ‚Kinder, das geht nicht‘, und beschlossen, den alten Dichter, der künstlerisch in einer taciteisch-germanischen sera juventus stand, aber seine Männlichkeit überschätzt hatte, wohltätig zu belügen. Sein Bruder Emil, der Arzt war, tat sich mit zwei Kollegen zusammen, und es gab ein Humbug-Konsulium, worauf die Wissenschaft erklärte, das sei alles Unsinn und keine Rede von Krebs, die Magenbeschwerden seien ganz harmloser Art. Storm glaubte es sofort, schnellte empor und hatte einen vorzüglichen Sommer, in dessen Verlauf er mit den guten Husumern seinen siebzigsten Geburtstag sinnig-fröhlich beging und außerdem den ‚Schimmelreiter‘ fortführte und siegreich beendete, diese mächtige Erzählung, mit der er die Novelle, wie er sie verstand, als epische Schwester des Dramas, auf einen seither nicht wieder erreichten Gipfel führte.


    Ich wollte das zum Schlusse erzählen. Das Meisterwerk, mit dem er sein Künstlerleben krönte, ist ein Produkt barmherziger Illusionierung. Die Fähigkeit, sich illusionieren zu lassen, kam ihm aus dem Vollendungs- und Lebenswillen des außerordentlichen Kunstwerks.


    aus: Thomas Mann: Einführung. In: Theodor Storms Novellen, Bd. 1, Frankfurt am Main 1952, S. XXIV; sera juventus (lat.): später Jüngling.
    Ich habe den Text von der Internetseite der Theodor-Storm-Gesellschaft genommen (--> Entstehungsgeschichte). Weil ich nicht viel über Storms Leben weiß, habe ich noch schnell in den Anmerkungen zu meiner Storm-Ausgabe (Wiss. Buch-Ges., identisch mit DKV) nachgeblättert: Da wird die Geschichte bestätigt, ist also kein Gerücht oder eine, naja, Romantisierung durch Thomas Mann.

  • Hallo zusammen,


    dann will ich doch auch mal meine Eindrücke posten - bin allerdings noch nicht fertig :zwinker: , wenn ich auch merke, dass das Buch sich leicht lesen läßt.


    Meine Ausgabe (aus dem S. Fischer-Verlag, übersetzt von Jörn van Dyck) beginnt mit einem Zitat von Dylan Thomas, das schon sehr neugierig auf das Stück macht. Auch die Notizen für den Bühnenbildner sind mehr als nur eine "Dekoanweisung". Hat mir als Einstieg gut gefallen. Und gleich im ersten Satz kommen die halslosen Ungeheuer :breitgrins: Wer allerdings auf einen heiteren ersten Teil hofft, wird enttäuscht: Bricks Alkoholabhängigkeit wird gleich deutlich (und recht krass, finde ich) von Maggie thematisiert. Und Big Daddys naher (und wohl qualvoller) Tod und die Erbschleicherei seines anderen Sohns sind ja auch nicht gerade leichte Kost.


    Was mir gefällt, ist, wie Mae mit wenigen Sätzen ("stocknormale, lebhafte Kinder, die nun mal einen Narren an Waffen gefressen haben", "Liebste, wenn du selbst Kinder hättest...") schon total unsympathisch rüberkommt. Sonderlich gut erzogen sind die Blagen wohl auch nicht, denn man muss Waffen nicht nur vor ihnen wegschließen, man muss den Schlüssel auch noch verstecken!


    Tja, und Maggies Einschätzung, sie sei einsam, kann man nur zustimmen. Brick rät ihr zu einem Liebhaber und lässt sie im übrigen kalt abfahren. Und für Big Mamma ist sie aufgrund ihrer Kinderlosigkeit ja auch unten durch, zudem gibt sie ihr die Schuld an Bricks Trinkerei.


    Interessant finde ich auch die Regieanweisungen, z.B. die Charakterisierung von Brick bei seinem ersten Auftritt. Wie man allerdings "weich, aber scharf" spricht, ist mir schleierhaft...


    Ach ja, noch eins: habt Ihr beim Lesen auch ständig Liz Taylor vor Augen? Sie ist auf meiner Ausgabe nicht abgebildet, aber trotzdem stets präsent.


    Ich bin gespannt auf Eure Eindrücke.


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]

  • hallo zusammen
    so bin endlich ein gutes stückchen am wochenende lesen können, habe das drama aber auch noch nicht durch.


    manjula:
    Ach ja, noch eins: habt Ihr beim Lesen auch ständig Liz Taylor vor Augen?


    ich muss ehrlich sagen, dass ich die verfilmung nicht gesehen habe, deswegen kann ich dazu leider nichts sagen.
    welche rolle hat denn liz taylor in dem film übernommen? die der maggie?


    was mich aber auch wundert: ganz am anfang wird gesagt, dass brick sich an seine jugend erinnert und einen hürdenlauf machen. doch warum wollte brick umbedingt einen hürdenlauf machen? lag es daran, dass er alkoholisiert war, oder hatte er einen drang danach, weil er früher so erfolgreich war.
    ist vielleicht eine seltsame frage, doch erhlich gesagt , finde ich beides ziemlich unwahrscheinlich. wird später noch ein grund angegeben?


    vergesst nicht, einen stiefel vor die tür zu stellen :zwinker:
    liebe grüße,
    maria
    :winken:

    wir denken selten an das, was wir haben;
    <br />aber immer an das, was uns fehlt.
    <br />(Arthur Schopenhauer)

  • Hi,


    Manjula
    Ja, Mae benimmt sich ziemlich grässlich ... aber wenn Kinder in der Nähe sind, würde ich gefährliche Waffen schon in Sicherheit bringen.
    Ich habe übrigens die Verfilmung auch noch nie gesehen, wie maria90.


    maria90
    Ich glaube auch, dass beides eine Rolle spielt bei Bricks nächtlichem Hürdenlauf: dass er früher gut darin war und der Alkohol. So richtig sagt Brick nicht, warum er mitten in der Nacht über die Hürden zu laufen versucht hat, glaube ich. Big Daddy fragt ihn danach und schlägt selbst vor


    Zitat von "Spoiler"

    "weil du betrunken warst?"
    Brick [wobei sein geistesabwesendes Lächeln schwächer wird]: "Nüchtern hätte ich nicht einmal versucht über die niedrigen Hürden zu springen."


    Brick ist sehr unglücklich, dass er nicht mehr als Sportler aktiv sein kann wie früher. Seinen Job als Kommentator hat er auch deshalb geschmissen, weil er nicht noch anderen dabei zusehen will, das zu tun, was er am liebsten selbst täte, aber nicht mehr kann. Eigentlich wäre er gern wieder der alte Brick, für den so ein Hürdenlauf kein Problem ist. Also probiert er es mal. Jedenfalls stelle ich's mir so vor.

  • Hallo zusammen!


    Ich bin leider z.Zt. etwas schreibfaul, möchte aber zu dem bisher Diskutierten auch etwas beitragen.


    @ Roland: Kannst Du uns die Unterschiede zwischen der Urfassung und der von Kazan überarbeiteten Fassung, die heute die übliche ist, mitteilen?
    Soweit ich weiß, ist das Ende in der Urfassung sehr pessimistisch und endet mit Big Daddys Todesschreien...
    Ich bin kein "Happy-End-Fan", wahrlich nicht, jedoch gefällt mir das Ende wie in der 2. Fassung oder gar wie im Film besser. Das ist es nämlich, was meiner Meinung nach gutes modernes Theater ausmacht: Es gibt eine Menge ernster Probleme, von denen aber einige gelöst werden, nachdem die Charaktere sich entwickelt haben bzw. Lösungen werden angedeutet. Ich will das nicht pauschalisieren (auch "Warten auf Godot" ist großartig), aber die Aussage des Stückes erhält dann ein anderes Gewicht, es gibt einen positiven Impuls...


    Manjula: Ja, beim Lesen habe ich stets Liz Taylor als Maggie gesehen. Und auch Paul Newman als Brick. Die beiden spielen auch wirklich göttlich im Film. Schauspielerisch ist das einer der besten Film, die ich kenne (eigentlich auch sonst). Auch Big Daddy und Mae sind hervorragend im Film, genau getroffen (habe ihn mir vorgestern wieder angesehen).


    maria90: Zum Hürdenläufer Brick hat Roland ja schon sehr treffend m Text belegbares geschrieben. Ich möchte mich noch darüber hinaus wagen und den symbolischen Gehalt dieser Aktion beleuchten: Brick scheitert an einer Hürde auf seinem Lebensweg und trägt eine Lähmung (geht auf Krücken) davon. Die Hürde, die er zu meistern hat, um auf seinem Lebensweg weiterzukommen, ist die Verarbeitung der Angelegenheit mit Skipper. Dann braucht er auch seine Krücke (den Alkohol bzw. den Knacks) nicht mehr.


    @Roland: Ach so, die Anrufe im Hintergrund: Big Mama telefoniert zweimal mit einer Miss Sally, die schwerhörig und schwer von Begriff ist, und ansonsten keine Rolle spielt. Ihr wird mitgeteilt, daß Big Daddy bis auf Darmkrämpfe gesund ist. Williams benutzt diese Anrufe, wie Du scharf beobachtet hast, als Kontrapunkt.
    Apropos scharf beobachtet:

    Zitat

    Immerhin sagt Big Mama im 3. Akt, dass Brick es schon als kleiner Junge nicht mochte, wenn man ihn küsste oder betuttelte.

    hatte ich doch glatt überlesen. Hut ab!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hi,


    Pius
    Ah, Tante Sally ist am Telefon.


    Zu den zwei Fassungen des dritten Aktes:
    Erstmal bin ich baff, dass heute in der Regel die zweite Fassung gespielt und gedruckt wird.


    Den wichtigsten Unterschied hast du schon genannt, Pius: Die zweite Fassung ist "positiver", optimistischer.
    Brick sagt im Original nicht zu Margaret, dass er in das Sanatorium für Alkoholkranke gehört. Er nimmt an der Unterhaltung kaum Teil, nimmt sich was zu trinken und singt sein Lied ("Show me the way to go home").
    Am Schluss ist Bricks Reaktion auf Margarets Plan sehr verhalten. Als sie sagt, dass sie ihn liebt, ist seine Antwort genau der Satz, den Big Daddy im 2. Akt über Big Mama gesagt hat: "Wäre es nicht komisch, wenn das wahr wäre", und damit endet das Stück.
    Big Daddy ist im Original schon zu Bett gegangen und tritt nicht auf und erzählt seine Geschichte vom Elefanten nicht. Er hört auch Margarets Ankündigung vom Baby mit Brick nicht und kann dann Gooper nicht sagen, dass er seinen Rechtsanwalt sprechen will (anscheinend um die Plantage an Brick und Margaret zu vererben). Gegen Ende des Aktes hört man Big Daddys Schreie, weil er einen Schmerzanfall hat, und er kriegt sein Morphium gebracht.
    Ansonsten sind, glaube ich, die Streitigkeiten und Sticheleien zwischen Mae und Maggie im Original ausführlicher, ebenso die Diskussion über Goopers Papiere mit den Plänen für die Zukunft der Plantage.
    Wahrscheinlich habe ich noch was übersehen ...


    Mir gefiel beim Lesen die erste Fassung besser. Brick verändert sich dort nicht zwischen den ersten beiden Akten und dem dritten Akt, und das kommt mir stimmiger vor, denn ich kann nicht nachvollziehen, was die Änderung auslöst haben soll.
    Ich bin auch über Big Daddys Auftritt verwundert. Im zweiten Akt sagt er Brick noch, wie sehr die Möglichkeit, dass er Krebs haben könnte, ihn in den letzten Monaten bedrückt hat und wie groß die Erleichterung war, dass er doch nicht schwer krank ist, was er noch alles vorhat usw. usw. Bricks Eröffnung, dass er doch Krebs hat und kein Jahr mehr leben wird, scheint ganz von ihm abgeprallt zu sein.
    Oder ist Big Daddys Verhalten Galgenhumor? Aufgesetzte Heiterkeit? Na ja, es wäre möglich, aber es wirkt auf mich nicht so überzeugend.

  • Hallo, Roland!


    Deinen Schilderungen entnehme ich, dass die Urfassung doch in weitaus mehr Punkten unterschiedlich ist als nur am Ende. Irgendwann werde ich sie wohl auch mal lesen.


    Was Bricks Änderung ausgelöst haben soll? Er wurde mit seiner Lebenslüge konfrontiert und musste sich mit ihr auseinandersetzen. Das ändert (hoffentlich) jeden Menschen! Es hat eine innere Reinigung (passend dazu: Regen draußen) bei ihm stattgefunden, P. Newman spielt das im Film sehr gut. Der gewaltige Konflikt, der sich in ihm aufgebaut hat (Gewitter!) musste sich irgendwann entladen (Feuerwerk!). Die Konsequenz kann das totale Desaster sein (Blanche in Williams’ Stück „Endstation Sehnsucht“) oder die Wende zum Besseren (so wie hier oder in Williams’ Stück „Die Nacht des Leguan“), wenn auch keine Lösung aller Probleme.
    Mit Big Daddy ist das ähnlich, auch er befreit sich von Lebenslügen. Die Lüge an sich ist ja im Drama stark thematisiert. Für mich ist es einer der, wenn nicht gar DER, Schlüsselbegriff des Dramas. Wie seht Ihr das?


    Zudem muß ein Drama nicht 1:1 realistisch sein, wie ein psychoanalytisches Protokoll. Charakterkonstellationen und ihre Änderungen werden in verkürzter, intensivierter Form, typisiert dargestellt. Eine Art „Meta-Wahrheit“ soll vermittelt werden, die wichtiger ist, als greifbare Details.
    Zumindest sehe ich das so.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo !


    So, ich habe das Stück nun auch gelesen.


    Pius hat das für mich wesentliche auch schon gesagt - das Hauptthema für mich ist/sind die Lebenslügen. Nicht nur Brick, sondern alle Hauptpersonen haben sie: Maggie und Big Mama, die sich einer vermeintlichen Liebe - für mich eher eine egoistische Art von Liebe - aufopfern, Brick, der sich sein Inneres, nämlich Gefühlskälte oder auch Angst vor Verletzungen (Knöchelbruch !) nicht eingesteht, Mae und Gooper, die sich nicht damit abfinden können, dass man, auch wenn man (gesellschaftlich) alles richtig macht und an der richtigen Stelle ist (Erstgeborener) trotzdem verliert und Big Daddy wegen seiner Krankheit. Im übrigen ist Big Daddy für mich der einzige, der nicht von egoistischen Motiven geprägt ist - warum er sich allerings so zu Brick hingezogen fühlt, weiß ich nicht. Vielleicht die Ähnlichkeit der Gefühlskälte ?


    Die immerfort auftauchenden passenden Metaphern (Telefon, Krücke, Regen, Feuerwerk usw.) nerven etwas, sie sind mir einfach zu offensichtlich. Mir hätte besser gefallen, wenn die Sprache etwas dramatisierender geworden wäre, aber sie bleibt meist auf einer Ebene, wie auch das Bühnenbild. Ich könnte mir vorstellen, dass durch diese Geräusche im Hintergrund eine dramtische Stimmung aufgebaut wird.


    Etwas irritierend fand ich auch die Regieanweisungen und die Erklärun des Autors im 2. Akt. "Es ist nun soweit. Was sie hier zu diskutieren ... "
    Ob das im Theater auch gesprochen wird ?


    Es ist schon sehr lange her, dass ich den Film gesehen habe und präsent ist mir nur noch Paul Newman, den ich intensiver in Erinnerung habe als Brick im Stück.


    Maggie, obwohl Titelgeberin des Stückes, verstehe ich nicht so ganz. Auch die Gleichsetzung mit einer Katze nicht. Sie lauert so lange, bis sich die Gelegenheit ergibt, zuzuschlagen ? Bis Brick (=Ziegelstein ?) weichgeklopft ist ? Und dann ?


    Gruß von Steffi

  • Hallo, Steffi!


    Zitat

    Im übrigen ist Big Daddy für mich der einzige, der nicht von egoistischen Motiven geprägt ist - warum er sich allerings so zu Brick hingezogen fühlt, weiß ich nicht. Vielleicht die Ähnlichkeit der Gefühlskälte ?


    Das mit der Gefühlskälte liegt nicht daran, daß die beiden keine "Gefühls-menschen" sind, denn das sind sie, sondern daß ihre Gefühle in der Vergangenheit verletzt wurden bzw. sie dauerhaft gezwungen waren, falsche Gefühle zu zeigen. Über die Jahre resultiert dann daraus eine derartige Kälte, Gleichgültigkeit.
    Was war noch mal das Hauptthema des Stückes? Big Daddy schätzt Brick auch sehr, da er ehrlich und direkt ist.



    Zitat

    Etwas irritierend fand ich auch die Regieanweisungen und die Erklärun des Autors im 2. Akt. "Es ist nun soweit. Was sie hier zu diskutieren ... "
    Ob das im Theater auch gesprochen wird ?


    Hoffentlich nicht. Es handelt sich um (etwas ausführlich geratene) Regieanweisungen. Einige moderne Dramatiker (u.A. Williams, Ionesco) texten den Leser mit Regieanweisungen zu. Das kennt man von Goethe, Schiller & Co freilich nicht.


    Zitat

    Es ist schon sehr lange her, dass ich den Film gesehen habe und präsent ist mir nur noch Paul Newman, den ich intensiver in Erinnerung habe als Brick im Stück.


    So, so... :zwinker:



    Zitat

    Maggie, obwohl Titelgeberin des Stückes, verstehe ich nicht so ganz. Auch die Gleichsetzung mit einer Katze nicht. Sie lauert so lange, bis sich die Gelegenheit ergibt, zuzuschlagen ? Bis Brick (=Ziegelstein ?) weichgeklopft ist ? Und dann ?


    Auch ich finde die Metapher mit der Katze etwas hinkend. Fakt ist, daß Maggie zu dem Typ Frau gehört, die ihr Schicksal an einen bestimmten Mann hängen und an ihm festhalten, egal wie mies sie behandelt werden.
    Dabei ist sie sonst realitätsnah, aufgeschlossen, energisch. Aber bereits EIN negativ arbeitender psychischer Komplex kann reichen, das Leben oder die Liebe zu versalzen. Zumindest sieht es am Ende (in der zweiten Fassung) so aus, als würde die Situation sich zum Guten wenden.
    Da ich mit Katzen eher "freie" Tiere, die sich schwer fest binden, assoziiere, paßt das für mich nicht wirklich.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hi,


    ich musste jetzt auch mal ein paar Tage Auszeit nehmen, aber ganz weg bin ich nicht.


    Zitat von "Pius"

    Was Bricks Änderung ausgelöst haben soll? Er wurde mit seiner Lebenslüge konfrontiert und musste sich mit ihr auseinandersetzen. Das ändert (hoffentlich) jeden Menschen!


    Da ist was dran. Vielleicht sollte ich mal versuchen, das Stück im Theater zu sehen (oder notfalls den Film), es kann sein, dass es beim Sehen anders auf mich wirkt.
    Ob ein psychoanalytisches Protokoll (immer) realistisch ist, lassen wir mal dahingestellt. :zwinker:
    Dann kann man nur hoffen, dass Brick sich nicht innerlich "verbiegt", wenn er sich mit Maggie zusammentut.


    Zitat von "Pius"

    Die Lüge an sich ist ja im Drama stark thematisiert. Für mich ist es einer der, wenn nicht gar DER, Schlüsselbegriff des Dramas. Wie seht Ihr das?


    Sehe ich genauso.

  • Hallo Pius !


    Zitat

    Das mit der Gefühlskälte liegt nicht daran, daß die beiden keine "Gefühls-menschen" sind, denn das sind sie, sondern daß ihre Gefühle in der Vergangenheit verletzt wurden bzw. sie dauerhaft gezwungen waren, falsche Gefühle zu zeigen.


    Da hab ich mihc wohl etwas falsch ausgedrückt, das sehe ich nämlich genauso, also eher Gefühlsunterdrückung :zwinker:


    Zitat

    Einige moderne Dramatiker (u.A. Williams, Ionesco) texten den Leser mit Regieanweisungen zu. Das kennt man von Goethe, Schiller & Co freilich nicht.


    Da sieht man, dass ich so gut wie keine modernen Theaterstücke kenne :redface:
    Deshalb war es auch sehr interessant, dieses Stück zu lesen.


    Gruß von Steffi

  • hallo, zusammen
    so ich habe nun gestern das buch zu ende gelesen. ich weiss, dieses mal war ich sehr lahm, aber hatte großen schulstress, mit klausuren, etc.
    das buch hat mir sehr gut gefallen, ich mag bücher, über die man nachdenken muss.


    Steffi
    ich kenne auch fast keine modernen theaterstücke.


    Pius:
    *lob lob* schön,dass du dieses buch vorgeschlagen hast.

    wir denken selten an das, was wir haben;
    <br />aber immer an das, was uns fehlt.
    <br />(Arthur Schopenhauer)

  • Hallo an alle Mitleser(innen)! :winken:


    Schön, daß Euch das Werk gefallen hat!


    @ Roland:

    Zitat

    Da ist was dran. Vielleicht sollte ich mal versuchen, das Stück im Theater zu sehen (oder notfalls den Film), es kann sein, dass es beim Sehen anders auf mich wirkt.


    Der Film ist keine Notlösung. Eine Theatervorstellung, die so gut ist, wird man selten finden. Na gut, live ist es schon was anderes...
    Der Film hat auf mich auch anders gewirkt als das Lesen des Stücks, nicht nur weil im Film der ein oder andere Akzent anders gesetzt ist.


    Da das Lesen nun anscheinend zu Ende ist, kommt nun meine (obligatorische ?) Frage an Euch: Welche Person im Stück ist Euch am sympathischsten und welche am unsympathischsten?


    Ich bin gespannt auf die Antworten.



    Manjula: Bist Du noch dabei?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • @ Pius:


    Die Person, die mir in diesem Stück defintiv am sympathischsten ist, ist Big Daddy, weil er direkt ist und immer seine Meinung sagt, und weil er ehrlich ist und den anderen Familienitgliedern nichts vorspielt.


    Am unsympathischsten ist mir Mae, weil sie sich immer in alles einmischen muss, nichts auf ihre Kinder kommen lässt, obwohl die sich manchmal unübersehbar daneben benehmen, und weil sie so scharf auf die Erbschaft von big Daddy ist, dass sie Maggie und Brick unbedingt ausbooten will und deshalb immer wieder auf Bricks Trinkerei und seine und Maggies Kinderlosigkeit anspielt.


    Beste Grüße
    Shakespeares Bride :blume:

    Du Herz, ganz nahe bei meinem, du schlägst so innig, dass es mir Weh tut vor Glück. Ich fühle dein Heimweh und habe so viel Verlangen nach dir. Und habe dich nicht genommen aus Liebe.<br /> Die Bibel, Hohelied 4.1

  • Hallo zusammen,


    ja, ich bin noch dabei. Allerdings bin ich erst heute mit dem Buch fertig geworden, zur Zeit sollte der Tag mal wieder 48 Stunden haben...


    Das Stück hat mir sehr gut gefallen; Pius, vielen Dank für den tollen Vorschlag :blume: Ja, das Hauptthema sind wohl die Lebenslügen, denen sich die Darsteller hingeben: Big Daddy verleugnet den Krebs, Big Mama redet sich ein, dass Big Daddy sie noch liebt, Brick trauert den alten Zeiten nach, Maggie kämpft (vergeblich?) um Brick...Trotzdem empfinde ich das Stück in keiner Weise als deprimierend, durch die Leidenschaft und die vielen Auseinandersetzungen wirkt es sehr vital.


    Zur Symbolik des Titels bin ich zufällig über einen englischen Ausdruck gestolpert und zwar "to be like a cat on hot bricks" = wie auf glühenden Kohlen sitzen. Ich könnte mir vorstellen, dass Williams ganz bewusst den Namen Brick (den ich vorher noch nie gehört habe) und das Bild der Katze verknüpft hat.


    Meine Ausgabe hat übrigens den Luxus, dass beide Varianten des 3. Akts enthalten sind, außerdem eine Erklärung, warum Williams die Alternative geschrieben hat. Im direkten Vergleich finde ich die erste Version glaubwürdiger, da Brick hier seine gleichgültige Haltung beibehält. Auch Big Mama erscheint mir in der zweiten Variante vergleichsweise sehr liebevoll zu Maggie, was mir nach ihren vorigen Tiefschlägen etwas unlogisch vorkommt. Die zweite Version ist aber sicher durch ihre Dramatik (z.B. durch den Sturm) bühnentauglicher, Big Daddys Erscheinen bringt zusätzliche Spannung und das Entgegenkommen Bricks lässt das Stück versöhnlicher enden.


    Die für mich sympathischste Person ist Maggie, weil sie trotz Bricks Trinkerei und den bösen Sticheleien nicht resigniert, sondern kämpft. Am unsympathischsten - wohl nicht überraschend - ist mir Mae mit ihrer selbstgerechten, gierigen und boshaften Art.


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] &quot;Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden.&quot; [/size]