Juni 2005: Jean Paul - Siebenkäs

  • Hallo Imrahil!


    Zitat von "Imrahil"


    War wie gesagt mein erstes Buch von Jean Paul, aber dem werden mit Sicherheit noch weitere folgen. "Flegeljahre" (steht bereits in meinem Regal) sowie "Titan" sollen vor allem lohnenswert sein, habe ich gelesen.


    Ein großer Jean-Paul-Kenner bin ich auch nicht, "Siebenkäs" habe ich nun zum zweiten Mal gelesen. Die "Flegeljahre" kenne ich auch, das war es auch schon. "Titan" steht also ebenfalls an, aber auch die "Vorschule". In den nächsten Wochen will ich de Bruyns Biographie angehen.


    Zitat von "Imrahil"


    xenophanes: Gotthelf wird meines Erachtens oft unterschätzt und als "Bauernschrifsteller" abgetan, zu Unrecht wie ich finde. Habe jüngst zwei Semester lang eine Gotthelf-Vorlesung an der Uni besucht,


    Das hörte ich schon von mehreren Seiten, vielleicht sollte ich ihm ja noch einmal eine Chance geben.


    Zitat von "Imrahil"


    Wollen wir die restlichen - immerhin 14 - Kapitel noch besprechen?


    Zitat von "Imrahil"


    - Die Natur tritt als Heilung und Linderung für Firmian in Erscheinung (9. und auch 12. Kapitel)
    - aufgefallen ist mir, dass Jean Paul immer wieder auf die Frauen und ihre Eigenarten zu sprechen kommt
    - Das Freundschaftsmotiv taucht immer wieder auf


    Ich bin sicher, dass über den Naturbegriff Jean Pauls schon eine Reihe von Dissertationen geschrieben worden sind :zwinker:


    Dem Genauer nachzugehen, scheint mir auch interessant zu sein. Einerseits wird die Natur von Firmian als "antisozialer" Rückzugsort verwendet. Andererseits aber auch als Erinnerung an seinen Freund (durch Besuch des Abschiedsorts), was das "antisoziale" wieder etwas relativiert.


    Die Lobpreisung der Freundschaft war eines der Lieblingsmotive der Zeit und findet sich in der deutschen Literatur an vielen Stellen (z.B. besonders prominent im "Don Karlos"). Hier wirken sicher Sturm-und-Drang-Motive nach.


    Zitat von "Imrahil"


    Zum ersten Fruchtstück: Wen meint Jean Paul mit "Kato der Ältere"?


    Ich zitiere aus meinem Kommentar:


    Doktor Viktor: die Hauptfigur in J.P.s "Hesperus", in dem "Kato der Ältere" als Scherzname für einen der Söhne des flachsenfingischen Fürsten Januarius ist. Er wird als junger, revolutionär gesinnter Engländer eingeführt.


    CK

  • Salut,


    Zitat

    "Titan" steht also ebenfalls an, aber auch die "Vorschule". In den nächsten Wochen will ich de Bruyns Biographie angehen.


    Gut, vielleicht lässt sich ja dieses Jahr noch eine Leserunde zu "Titan" angehen, ich hätte auf alle Fälle Interesse. Werde zuvor - diesen Sommer - aber vermutlich noch die "Flegeljahre" in Angriff nehmen.


    Zitat

    Das hörte ich schon von mehreren Seiten, vielleicht sollte ich ihm ja noch einmal eine Chance geben.


    Ja, mach das :smile: Auch dazu könnte man durchaus einmal eine Leserunde starten.


    Informier mich dann bitte ob die Biographie etwas taugt, bin eigentlich nicht so der Biographienliebhaber, aber zum besseren Werkverständnis eines Autors mag es allemal beitragen.


    Imrahil[/b]

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen

  • Hallo,


    eine kurze Zusammenfassung meinerseits:


    "Vor mehr als zehn Jahren las ich den Roman zum ersten Mal und war nun gespannt, ob ich mein damaliges Urteil würde revidieren müssen. Davon kann nun erfreulicherweise keine Rede sein, da mich Jean Pauls Können erneut sehr beeindruckte. Literaturhistoriker sprechen nicht unberechtigterweise vom ersten realistischen Eheroman der deutschen Literatur. Denkt man sich das historische Kolorit weg, dürfte die brillant beschriebene negative Beziehungsdynamik auch im 21. Jahrhundert noch sehr aktuell sein, speziell was die Konfilkteskalation ausgehend von Kleinigkeiten betrifft.
    Jean Paul zeigt sich als glänzender komischer Schriftsteller, wenn er Siebenkäs beispielsweise in dessen Arbeitszimmer an satirischen Schriften sitzen läßt, und dieser gebannt auf jede Bewegung seiner putzwütigen Gattin hört. Je leiser diese ihren Furor auslebt, desto mehr muss der Armenadvokat hinhören. An intellektuelle Produktion ist dabei natürlich nicht zu denken.
    Wie in vielen Komödien, die von Figurenkomik leben, bleibt der Charakter der Eheleute statisch. Die Konflikte laufen immer nach einem ähnlichen Muster ab, psychologische Entwicklung auf dieser Ebene gibt es nicht. Auch andere Personen des Romans, wie der biedere Prediger Pelzstiefel, entsprechen uneingeschränkt den Lesererwartungen.
    Stilistisch ist "Siebenkäs" ein Feuerwerk an Metaphern, Analogien, Parodien und Wortwitz. Jean Pauls breites Vokabular aus allen Sprachfeldern sucht man in anderen zeitgenössischen Büchern vergeblich. Ab und zu wird sein rhetorisches Feuerwerk etwas zu dicht, aber das verzeiht man ihm wegen seiner Brillanz gerne. Nebeneffekt dieser Sprache: Dem Leser wird eine langsame, konzentrierte Leseweise aufgezwungen.
    Der Roman ist eine ungewöhnliche Mixtur aus überschäumender inhaltlicher und sprachlicher Origininalität und "zeitgeistigen" Themen. Zu letzteren könnte man den im 18. Jahrhundert populäre pathetische Freundschaftstopos zählen oder seine oft ins Arkadisch abgleitende Naturschilderungen (speziell in Bayreuth). Ohne Zweifel einer der lesenswertesten deutschen Romane."


    [Quelle: http://www.koellerer.de/q3-2005.html#230705 ]


    CK

  • xenophanes: Schöner Kommentar.
    Lohnt sich übrigens die von Dir angesprochene Biographie de Bruyns und wie ist sie aufgebaut. Ist sie eher auf die Person Jean Pauls ausgerichtet oder bietet sie beispielsweise wie Safranskis Schiller-Biographie auch einen ausführlichen Werkkommentar?


    Gruss,
    Imrahil

    "Die Kunst des Nachdenkens besteht in der Kunst..., das Denken genau vor dem tödlichen Augenblick abzubrechen. - Thomas Bernhard, Gehen

  • Hallo Imrahil,

    Zitat

    Lohnt sich übrigens die von Dir angesprochene Biographie de Bruyns


    Lohnt sich sehr!
    Gruss, Maja

  • Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, wenngleich m.A. nach eine ein wenig "überbebilderte" Sprache. In dieser Form allerdings sehr große Kunst. Strengt an, macht Spaß. Jedoch wenig beim ersten Lesen Einprägsames. Bin auf weitere Kommentare betreffs Gesamtbewertung des Buches höchlichst gespannt.


    Hochachtungsvoll und allerherzlichst grüßend
    t.

  • Hallo Imrahil!


    Zitat von "Imrahil"

    xenophanes: Schöner Kommentar.
    Lohnt sich übrigens die von Dir angesprochene Biographie de Bruyns und wie ist sie aufgebaut.


    Diese Frage habe ich doch glatt übersehen.


    Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Biographie, die in kurzen, prägnanten Kapiteln beschrieben wird. Die Werkbeschreibungen sind vergleichsweise kurz, also mit Safranski auf keinen Fall vergleichbar.


    CK