Thomas Bernhard: Heldenplatz

  • Hi zusammen.
    Ich würde als Leserunde eines der Theaterstücke Thomas Bernhards vorschlagen. Grund, dass es keiner der Romane Bernhards ist, den ich hier vorschlage, liegt für mich darin, dass die Prosa Bernhards doch aus meiner Sicht deutlich unzugänglicher ist als seine Dramen. "Heldenplatz" speziell würde mich interessieren, weil es wohl das größte Skandalstück Bernhards und gleichzeitig sein letztes und wohl auch politischtes war.
    Grob zum Inhalt (sofern man dabei von Bernhard sprechen kann), kopiert von Amazon:

    Zitat

    Am 15. März 1938 verkündete Adolf Hitler unter den Jubelrufen der anwesenden Wiener auf dem Heldenplatz den "Anschluss" Österreichs an Deutschland. 50 Jahre später versammeln sich in einer Wohnung in der Nähe des Heldenplatzes die Familie Schuster. Für diesen philosophischen Kopf, von den Nazis verjagt, in den 50er Jahren auf Bitten des Wiener Bürgermeisters aus Oxford auf seinen Lehrstuhl zurückgekehrt, gab es keinen anderen Ausweg als den Selbstmord. Denn die Situation im gegenwärtigen Österreich sei "noch viel schlimmer als vor fünfzig Jahren".
    Das Schicksal Josef Schusters verdeutlicht in Bernhards politischstem Stück die politisch-moralisch-geistigen Verhältnisse in Österreich. Mittels einer poetisch-musikalischen Sprache, durch seine zum Formprinzip gewordenen Kunst der präzisen Übertreibung vermag Thomas Bernhard der Gegenwart zu ihrer Kenntlichkeit zu verhelfen - in einer Weise, dass dem Leser und Zuschauer das Lachen ausgetrieben wird.


    Bisher liegt es noch ungelesen hier und ich würde mich freuen mit anderen (v.a. auch Österreichern :)) über das Stück zu diskutieren. Über Bernhard (allerdings eines der Künstlerdramen, "Der Theatermacher") habe ich ja schon meine Facharbeit geschrieben und insofern verfolgt mich ja der Autor auch schon länger.
    Sonst noch jemand Interesse dran :)?


    Und last but not least ein kleiner Einblick in Bernhards Sprache und Wortgewalt:

  • Will mal generell mein Interesse an einer Bernhard-Leserunde bekunden, da sind wir dann immerhin schon zu zweit ;). Sehr gerne auch mit einem seiner Prosa-Werke.
    In "Wittgensteins Neffe" soll er verhältnismässig wenig granteln (Absätze macht er aber auch dort keine). Es wäre nebenbei auch ein Anlass sich kurz mit Wittgenstein zu beschäftigen. Bernhards Sprache ist wirklich klasse, meiner unbescheidenen Meinung nach mit Karl Kraus der österreichische Autor des letzten Jahrhunderts.

  • Ich habe das Stück schon gelesen,würde mich aber gern an der Diskussion beteiligen (und vielleicht die eine oder andere Szene nochmals lesen).


    Es gibt auf jeden Fall Stoff für Diskussionen!


    Liebe Grüße!!

  • Zitat von "Stoerte"


    In "Wittgensteins Neffe" soll er verhältnismässig wenig granteln (Absätze macht er aber auch dort keine). Es wäre nebenbei auch ein Anlass sich kurz mit Wittgenstein zu beschäftigen.


    Eine meiner Lieblingserzählungen, in der es aber auch ordentlich zur Sache geht :breitgrins:


    Anlass zur Beschäftigung mit Wittgenstein ist sie aber definitiv nicht, denn Ludwig wird nur ein paar Mal en passent erwähnt.


    Anders als in "Korrektur" etwa.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Stoerte"

    Will mal generell mein Interesse an einer Bernhard-Leserunde bekunden, da sind wir dann immerhin schon zu zweit ;). Sehr gerne auch mit einem seiner Prosa-Werke.
    In "Wittgensteins Neffe" soll er verhältnismässig wenig granteln (Absätze macht er aber auch dort keine). Es wäre nebenbei auch ein Anlass sich kurz mit Wittgenstein zu beschäftigen. Bernhards Sprache ist wirklich klasse, meiner unbescheidenen Meinung nach mit Karl Kraus der österreichische Autor des letzten Jahrhunderts.


    Eine Leserunde zu Th. Bernhard ist jederzeit herzlich willkommen! Vielleicht einfach die Bitte, dass Ihr sie - wie die zu García Márquez' Hundert Jahre Einsamkeit im Unterforum "Allgemeine Literatur" abhaltet, da Thomas Bernhard noch kein Klassiker im engern Sinne des Wortes ist.


    Grüsse


    Sandhofer


    PS. Kraus und Bernhard die österreichischen Autoren des letzten Jahrhunderts? Bei aller Liebe, die ich für beide hege: Was ist mit Musil, Bachmann, Jandl, Handke, Jelinek ... ?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "xenophanes"


    Zweig, Schnitzler, Joseph Roth, Canetti, Kafka ... :-)


    Zweig ist imho zwar einer der bekanntesten, nicht aber einer der besten ... Schnitzler und Roth: natürlich (Hugo von Hofmannsthal aber ebenfalls!). Canetti und Kafka habe ich nicht erwähnt, da sie m.W. nach dem Ersten Weltkrieg - zumindest dem Pass nach - keine Österreicher waren. Kakanier, ja - aber das ist was anderes. (Dann wären auch noch die Deutschprager Rilke und Werfel zu erwähnen. Hasek und und und ...)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    Canetti und Kafka habe ich nicht erwähnt, da sie m.W. nach dem Ersten Weltkrieg - zumindest dem Pass nach - keine Österreicher waren. Kakanier, ja - aber das ist was anderes.


    Seltsame These, dass Kakanier keine Österreicher sind :smile:


    Wenn man Autoren schon national kategorisieren will, sollte man schon vom Geburtsort ausgehen.


    CK

  • Hallo xenophanes!


    Zitat von "xenophanes"

    Seltsame These, dass Kakanier keine Österreicher sind :smile:
    Wenn man Autoren schon national kategorisieren will, sollte man schon vom Geburtsort ausgehen.


    Na ja, ich gehe von den real-politischen Verhältnissen aus, wie sie sich zu Lebzeiten der Autoren entwickelten. Und den Deutschpragern z.B. wurde ein tschechoslowakischer Pass aufgedrückt, ob sie sich nun als Österreicher fühlten oder nicht ... Und sie wurden damit u.a. auch von Angehörigen einer reichsweiten Mehrheit zu einer ethnischen Minderheit. (Prag war mal die zweitgrösste deutschsprachige Stadt Kakaniens!)


    Canetti nebenbei - als Transleithanier - war genau genommen gar kein Kakanier, weil in der Doppelmonarchie kein Österreicher, sondern wenn schon Ungare. Oder?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "xenophanes"

    Zweig, Schnitzler, Joseph Roth, Canetti, Kafka ... :-)



    CK


    Trakl

    "Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, was wir Weg nennen ist zögern" (F. Kafka)

  • sandhofer: Wenn einem an einem bayerischen Gymnasium erlaubt wird, drüber Facharbeit zu schreiben, is er kein Klassiker :breitgrins:? Wir sind doch so konservativ *g* hier im Land des Bieres und der Weißwürste :zwinker:.
    Und zu den guten österreichischen Autoren darf man wohl auch noch Schwab (Fäkaliendramen, u.a. "Die Präsidentinnen") zählen, den ich persönlich vom bisher gelesenen eher über einer Jelinek einordnen würde ;-).
    Wollen / sollen wir noch paar andere Teilnehmer abwarten oder starten wir dann im Allg. Forum einen Thread?

  • Hab's mir grad geholt, von mir aus also gerne. Sind auch grad mal 160 Seiten, (leider) ohne das "dachte ich, denke ich" der Prosa. Werd heut nacht / morgen früh in jedem Fall mal anfangen.
    In einem flyer, der im Buch lag, heißt es, Heldenplatz sei einer der "wichtigsten und erfoglreichen Bände der letzten 33 Jahre"; ob nun eher wichtig, erfolgreich oder beides, Gesamtauflage ist jedenfalls 135 Tsd.


    Eingeborener wäre halt wirklich gut, am besten jemand, der Wien und die Mentalität der Wiener kennt. Ich kenn' nur die Ski-Gebiete Österreichs aus Touristenperspektive, Piefke eben.

  • Hm, bin ja Grenzbewohner zu Österreich (nahe Salzburg), kenne mich also zumindest ein wenig mit dem Nachbarvölkchen aus und kenne auch den einen oder anderen Wiener.
    Aber vielleicht sollte man konkret Österreicher hier im Forum anschreiben? Ich kenne halt niemanden hier im Forum wirklich.

  • Hallo


    Bei mir hat wieder nach einjähriger Pause der Bernhard-Leserausch begonnen und so möchte ich mich hier erstmals an einer Leserunde beteiligen, vielleicht eine initiieren.


    Den HELDENPLATZ lese ich schon gerade, weiß nicht, ob er schon als Leserunde abgehakt ist, aber es folgt auch bald "JA" und "GEHEN".


    WITTGENSTEINS NEFFE lese ich immer wieder gerne, der ist aber wohl auch schon abgehakt.


    Also, auch wenn Ihr andere Vorschläge zur Bernhardleserunde habt, werde ich mich beteiligen.


    Gruß, Markus

  • an einer bernhardleserunde würde auch ich mich beteiligen, "heldenplatz" ist mir einmal in einem vortrag über theaterskandale vorgestellt worden und seither regt der herr mein interesse an...

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Heldenplatz hab ich gerade vor kurzem gelesen, in letzter Zeit lese ich auch viel zu viel Bernhard
    Besser waere es sicher, Bernhards Dramen im Theater anzusehen, nicht zu lesen, aber auch das Lesen von Heldenplatz hat mich wieder begeistert, ich liebe diese alltaeglichen, ruhigen Szenen, und die langen Monologe
    Mein Gott, ich hab so oft gelacht


    und man kann richtig erkennen, wie sehr er Oesterreich gehasst und geliebt hat, vor allem in dieser Passage sieht man seinen Wut:



    Jetzt lese ich Das Kalkwerk... ich wuerde mich fuer eine Leserunde fuer Thomas Bernhards "AMRAS" und "FROST" anmelden.
    Auch bei Heldenplatz wuerde ich gerne mitlesen und vielleicht meine Meinung dazu sagen, wenn ich kann...

  • Hoho, das Kalkerk... empfand ich als meine bisher quälendste, unangenehmste Bernhard-Lektüre. Mal sehen, was Du davon hälst, ich werde nochmal ein bisschen Querlesen darin.


    Heldenplatz habe ich gestern fertiggelsen, gibt wohl für eine "gemeinsame Lektüre" nicht viel her..?


    Werde dann jetzt JA und GEHEN lesen. (weiß noch nicht, in welcher Reihenfolge)

  • In Der Untergeher hetzt er, bzw der Protagonist auch gegen den Sozialismus. "Und diese überall sich breit machende neue Geschmacklosigkeit, dachte ich, die totale Proletarisierung selbst unserer schönsten Gasthäuser, dachte ich, schreitet weiter fort. Kein Wort ist mir eckelhafter geworden als das Wort Sozialismus, wenn ich denke, was aus diesem Begriff gemacht worden ist." (Der Untergeher, SZ-Bibliothek, S. 42)
    Da Bernhard wohl früher kurzzeitig für eine sozialistische Tageszeitung schrieb, seine Opa auch einmal anarchistischen Träumereien nachhing, könnte da auch so etwas wie Desillusionierung oder Enttäuschung aus ihm sprechen. Vielleicht.


    Letzt den Wahnsinnigen im Fernsehen (Aufnahme vom Burgtheater) gesehen, da kamen durch die Inszenierung noch zwei drei gleichsam musikalische Elemente hinzu. War nicht schlecht, auch wenn ich ja noch mehr Fan seiner Prosa bin. Denke beim Heldenplatz ist vor allem der anschwellende Jubel meist ein garantierter Lacher.


    Ja! hab ich hier auch rumliegen (gibt's derzeit als gebundene Jubiläums - oder so - Ausgabe) , wollte ich demnächst lesen.

  • Hallo,


    ich habe gerade mit Begeisterung "Wittgensteins Neffe" gelesen und schließe mich einer Leserunde zu "Heldenplatz" an.
    Würde mich freuen, wenn wir später auch mal ein Prosawerk gemeinsam lesen.


    Liebe Grüße
    mombour