März 2005: Geoffrey Chaucer - Canterbury Tales

  • Als Einstieg der Artikel der Wikipedia:


    Geoffrey Chaucer (c. 1343 – October 25, 1400) was an English author, poet, philosopher, bureaucrat (courtier), and diplomat. Chaucer is best known as the author of The Canterbury Tales. He is sometimes credited with being the first author to demonstrate the artistic legitimacy of the vernacular English language, rather than French or Latin.


    Chaucer was born around 1343 in London. His father and grandfather were both London wine merchants (vintners); historical evidence indicates that Chaucer's family was well-to do—upper middle-class if not in the elite. Chaucer's father had connections which enabled his son to become a page to Elizabeth de Burgh, the Countess of Ulster from 1357 onward; later Geoffrey served in the royal court of Edward III as a valet to Lionel of Antwerp.


    In 1359 Chaucer travelled with the English army under Edward III to France during the Hundred Years' War. In 1360, he was captured during the siege of Reims, becoming a prisoner of war. Edward paid a ransom of 16 pounds, and Chaucer was released.


    Chaucer traveled from England to France, Spain, Flanders, and Italy (Genoa and Florence), where he came into contact with medieval continental poetry.

    ChaucerAround 1366 Chaucer married Philippa (de) Roet, a lady-in-waiting to Edward III's queen, Philippa of Hainault, and a sister of Katherine Swynford, who later (ca. 1396) became the third wife of Chaucer's friend and patron, John of Gaunt. It is uncertain as to how many children Chaucer and Philippa had, but 3 or 4 are the numbers most widely agreed upon.


    Chaucer wrote poetry as a diversion from his job as Comptroller of the Customs for the port of London, and also translated such important works as The Romance of the Rose by Guillaume de Lorris (extended by Jean de Meun), and Boethius' Consolation of Philosophy. However, while many scholars maintain that Chaucer did indeed translate part of the text of The Romance of the Rose, others claim that this has been effectively disproved. He also wrote the Parlement of Foules, the House of Fame, and Chanticleer and the Fox, the latter based on a story by Marie de France. However, he is best known as the writer of Troilus and Criseyde and of The Canterbury Tales, a collection of stories (told by fictional pilgrims on the road to the cathedral at Canterbury) that would help to shape English literature.


    In the history of English literature, he is considered the introducer of continental accentual-syllabic metre as an alternative to the alliterative Anglo-Saxon metre. He also helped to standardise the southern accent (London area) of the Middle English language.


    Chaucer wrote a Treatise on the Astrolabe, for the son of a friend, that describes the form and use of that instrument in detail. Although much of the text may have come from other sources, the treatise indicates that Chaucer was versed in science in addition to his literary talents.


    After the overthrow of his patron Richard II, Chaucer vanished from the historical record. He is believed to have died of unknown causes on October 25, 1400, and there is speculation that he was murdered by enemies of Richard II. He is buried at Westminster Abbey in London. In 1556 his remains were transferred to a more ornate tomb, making Chaucer the first writer interred in the area now known as Poets' Corner.


    Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Chaucer

  • Liebe Chaucer LeserInnen, :winken:


    als Einstieg in unsere Leserunde kann ein kurzer Überblick über die Struktur der Canterbury Tales und einiges Wissenswerte dazu nicht schaden:


    Die einzelnen Erzählungen sind in eine Rahmenhandlung eingebettet, die im "Allgemeinen Prolog" beschrieben wird. Eine Pilgerreise von London nach Canterbury versammelt eine bunte Gruppe von Pilgern (27 Männer und 3 Frauen) aus fast allen Gesellschaftsschichten (nur "ganz unten" und "ganz oben" fehlen). Die Reisezeit wird für einen Erzählwettbewerb genutzt, dem besten Erzähler winkt am Ende ein Gratisabendessen.


    Chaucer plante 120 Geschichten (wenn das nicht schon an das Balzacs monomanes Romanprojekt erinnert). Es wurden nur 21 vollständige und 3 unvollständige und sind in ca. 80 Handschriften überliefert, von denen die größte Wertschätzung der Gelehrtenwelt das Ellesmere-Manuskript genießt.


    Chaucers Werk wird vor allem aus zwei Gründen gelobt: Es gäbe einen unglaublich realistischen Einblick in die Welt des Mittelalters, und es sei literarisch ausgezeichnet gelungen, was Komposition und (frühe) literarische Verwendung der englischen Sprache angeht.


    In den enthusiastischen Worten Martin Lehnerts, dem Herausgeber und Übersetzer der Inselausgabe:


    "In genialer Weise verschmolzen Chaucer und Shakespeare in glanzvollen Versen und ebenso eindringlicher Prosa profunde literarische Bildung und unübertreffliche realistische Beobachtung, kraftvolle Lebensfülle und tiefe Menschenkenntnis mit einzigartiger Beweglichkeit, mit Humor und Weltoffenheit." (S. 26)


    Sollte das noch nicht genügend Lust auf Chaucer machen, noch ein Zitat von ihm:


    Obgleich mein Wissen stets recht klein gewesen,
    Hab ich doch Bücher immer gern gelesen.
    Ich schenke ihnen Glauben und Vertrauen,
    Kann achtungsvoll und freudig auf sie bauen,
    Daß ich kaum ein Vergnügen nennen könnte,
    Das mich von meinen Büchern jemals trennte,
    Es sei vielleicht an einem Feiertag,
    Im schönen Mai auch, wo's geschehen mag.
    (Legende der guten Frauen, V. 29-36)


    Ich fange nun den "Allgemeinen Prolog" zu lesen an.


    CK

  • Hallo Chaucerianer!
    Erst mal herzlichen Dank für die Vorarbeit und die vielen Informationen! :blume:


    Zur Wallfahrt: Eine Wallfahrt bedeutete für viele Leute die einzige Möglichkeit, eine längere Reise zu machen, und sie diente nicht nur religiösen Zwecken sondern oft auch zur Steigerung vitaler Lebensfreude. Das scheint mir im "Allgemeinen Prolog" durchzuschimmern. (z.B. der Squire, der so wenig schläft wie eine Nachtigall)
    Die Porträts im "Allgemeinen Prolog" sind herrlich! Einerseits schildert er die Leute ernsthaft und respektvoll, andrerseits wird man immer wieder mit ironischen Details überrascht.
    Zwei Namen erfahren wir: Der Bettelmönch heisst Hubert, und das Schiff des Skippers The Maudelayne. Warum??


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo!


    Zitat von "Maja"


    Zur Wallfahrt: Eine Wallfahrt bedeutete für viele Leute die einzige Möglichkeit, eine längere Reise zu machen, und sie diente nicht nur religiösen Zwecken sondern oft auch zur Steigerung vitaler Lebensfreude.


    Es scheint auch viele Beschwerden darüber gegeben zu haben, wie sich die Wallfahrer so aufführten.


    Der Prolog war tatsächlich ein vielversprechender Auftakt. So pointiert-ironische Portraits kannte ich bisher aus der mittelhochdeutschen Literatur nicht, vielleicht mit der Ausnahme von Gottfrieds "Tristan".


    Wobei mir einige von Chaucers Beschreibungen eher konventionell (der brave Dorfpfarrer etwa) vorkommen, während andere dagegen ungewöhnlich sarkastisch sind (der Mönch). Könnte gut sein, dass diese Gegenüberstellungen ästhetisch beabsichtigt sind, steigern sie doch die Wirkung.


    Diese Kontrastierung ist auch in kleineren Motiven durchgezogen, etwa was die Zuneigung zu Büchern angeht:


    Mönch:


    Sollt er studieren und verrückt sich machen,
    Stets über Büchern nur im Kloster sitzen,

    Und gar bei seiner Hände Arbeit schwitzen,
    Wie Augustin befiehlt? Was hilft's der Welt?
    Mag er sich plagen, wenn's ihm gefällt!

    [V. 184ff.]


    Scholar:
    (Das gefällt mir so gut, dass ich es ausführlich zitieren muss)


    Da war ferner aus Oxford ein Scholar,
    Der Logik schon studiert manch liebes Jahr.
    Sein äußerst magres Pferd glich einem Rechen,
    Auch er war nicht grad fett, um wahr zu sprechen,
    Hohläugig sah er aus und ernst, so mein ich,
    Sein Mäntelchen war kurz und fadenscheinig;
    Noch hatte er's zur Pfründe nicht gebracht,
    Da er an Amt und Vorteil nie gedacht.
    Mehr liebt' er zwanzig Bücher überm Bett,
    Schwarz-rot gebunden auf dem Bücherbrett
    Von Aristoteles' Philosophie

    Als reiche Kleidung, Fiedel und Psaltrie.
    Doch wenn er auch ein Philosoph schon war,
    Enthielt sein Koffer wenig Geld in bar;
    Denn alles, was von Freunden ihm gespendet,
    Zum Studium er und Bücherkauf verwendet.
    (V. 285ff.)


    Anhand dieser Stelle kann man sich auch gleich ein Bild von der Übersetzung des Martin Lehnert machen, die mir bisher sehr gut gefällt.


    Zitat von "Maja"


    Zwei Namen erfahren wir: Der Bettelmönch heisst Hubert, und das Schiff des Skippers The Maudelayne. Warum??


    Vielleicht kann man das als Beleg dafür nehmen, dass es Chaucer mehr um Typen als um individuelle Darstellungen ging?


    Ich fing vorhin mit der Erzählung des Ritters an. Danach werde ich mal auf die anderen warten.


    CK

  • Ich habe gerade den Prolog beendet, und auch mir gefällt er ausnehmend gut. Angenehm überrascht war ich auch darüber, dass er sich (auf neuenglisch, Übersetzung von Nevill Coghill) doch relativ leicht lesen lässt. Da hatte ich so meine Sorgen.
    Begeistert hat mich gleich der erste Satz: wenn es Frühling wird, und die Blumen sprießen, die Vögel singen, der Wind sanft bläst, was macht da der Mensch?

    Zitat

    Then people long to go on pilgrimages


    Großartig!


    Was die Vorstellung der Pilger angeht, bin ich ganz eurer Meinung. Zwecks besserer Übersicht mache ich hier eine Liste der Teilnahmer, in Reihenfolge der Vorstellung. Leider weiß ich bei vielen nicht, wie sie auf deutsch genannt werden (könnten); könnt ihr mir da aushelfen?
    Edit: Danke Regina. Ich füge die mir fehlenden Bezeichnungen jetzt hier ein.


    - a Knight - der Ritter
    die Verkörperung der ritterlichen Tugenden, kampferprobt
    - a Squire - der Knappe
    Sohn des Ritters, ca 20 Jahre alt
    - a Yeoman - ein Dienstmann
    laut meinem Wörterbuch Freisasse, oder kleiner Gutsbesitzer, der Beschreibung nach aber eher ein Jäger, scheint ein Diener des Squire zu sein;
    - a Nun - die Nonne
    eine Priorin, wohlerzogen mit guten Tischsitten, deren besondere Hervorhebung vermutlich Rückschlüsse auf die Tischmanieren der anderen zulässt. Übrigens hat auch sie einen Namen:

    Zitat

    And she was known as Madame Eglantyne

    Was für ein französisch spricht sie eigentlich?

    Zitat

    And she spoke daintily in French, extremely,
    After the School of Stratford-atte-Bowe;
    French in the Paris style she did not know

    hier fehlt mir leider eine Fußnote, die mir in meiner Ausgabe sowieso zu spärlich sind. Sind eure Ausgaben da besser?
    - Another Nun - die zweite Nonne
    "the secretary of her cell", mehr erfahren wir nicht über sie
    - three Priests
    hier bin ich mir nicht darüber im Klaren, ob Mönch und Bettelmönch 2 der 3 Priester sind; der dritte wird in diesem Fall nicht weiter erwähnt, wird aber gebraucht, um die Zahl auf 30 zu bringen
    - a Monk - der Mönch
    mehr interessiert an Pferden und Jagd als am Christentum
    - a Friar - der Bettelmönch (Hubert)
    auch kein gutes Vorbild der christlichen Tugenden. Wie interpretiert ihr dies:

    Zitat

    He'd fixed up many a marriage, giving each
    Of his young women what he could afford her


    - a Merchant - der Händler
    sein großes Interesse: "capital", wie es sich für einen Händler gebührt
    - Oxford Cleric - der Scholar
    von Xenophanes schon ausführlich zitiert; die Übersetzung erscheint mir gut.
    - a Serjeant of the Law - ein Rechtsgelehrter
    geachteter Jurist, aber "a man to reverence, or so he seemed"
    - a Franklin - ein Gutsbesitzer
    gastfreier Epikureer, "a model among landed gentry"
    - a Haberdasher - Krämer
    - a Dyer - ein Färber
    - a Carpenter - ein Zimmermann
    - a Weaver - ein Weber
    - a Carpet-maker - ein Teppichknüpfer
    Hervorragende Vertreter ihrer Zünfte, nicht einzeln beschrieben
    - a Cook - ein Koch
    bekocht die Handwerker, tüchtig, aber mit einem Geschwür am Knie
    - a Skipper - ein Kapitän/Schiffer?
    er scheint mir zur Kriegsmarine zu gehören
    - a Doctor - ein Doktor
    scheint zwar sehr belesen in seinem Fach, heilt aber mit Hilfe von Horoskopen. Ist das jetzt von Chaucer ironisch gemeint, oder war das damals "state of the art"?
    - a woman from bath - die Frau aus Bath
    fünf mal verheiratet, "apart from other company in youth", eine erfahrene (Berufs-)Pilgerin (3 mal in Jerusalem, Rom, Bologna, Köln)
    - a Parson - der Dorfpfarrer
    ein Vorbild seiner Profession
    - a Plowman - ein Ackermann
    Bruder des Dorfpfarrers, ein ehrlicher Arbeiter und guter Christ
    - a Miller - ein Müller
    brutaler, bertrügerischer Kraftprotz
    - a Manciple - ein Verwalter
    zwar Analphabeth, aber sehr gut in seinem Job
    - a Reeve - ein Gutsverwalter
    von den von ihm abhängigen grfürchtet "wie die Pest", bereichert sich selbst mit seiner Arbeit
    - a Summoner - ein Büttel
    Laut Fußnote "One paid to summon sinners to trial before an ecclesiasctical court", bestechlich
    Was bedeutet

    Zitat

    a man can teach a jay
    to call out 'Walter' better than the Pope


    - a Pardoner - ein Ablasshändler
    Chaucer scheint wirklich nicht viel von den Kirchenvertretern zu halten, mit Ausnahme des bescheidenen Dorfpfarrers werden sie alle sehr negativ geschildert
    - Myself - ich, der Erzähler
    erzählt von sich überhaupt nichts
    - the Host - der Gastwirt
    regt den Erzählwettbewerb an. Entweder habe ich mich verzählt, jemanden übersehen, oder man muss ihn zu den Pilgern dazuzählen, um auf 30 zu kommen.


    Wie Xenophanes schon schrieb, ist dies eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus den verschiedenen Gesellschaftsschichten, wohl mit der Absicht ein Bild der gesamten damaligen Gesellschaft zu präsentieren. Dabei fällt mir natürlich auf (es überrascht mich allerdings nicht), dass gerade mal 3 der PilgerInnen Frauen sind. Schade. Trotzdem werde ich morgen mit Freude die Geschichte des Ritters beginnen.


    Grüße,
    Saltanah

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Saltanah, ich führe dir mal die Bezeichnungen in der Goldmannausgabe auf.


    Squire - Knappe
    Yeomann - Dienstmann
    Sergeant of the Law - Rechtsgelehrter
    Franklin - Gutsbesitzer
    Haberdasher - Kurzwarenhändler
    Shipmann - Schiffsherr
    Plowman - Ackermann
    Manciple - Verwalter
    Reeve - Gutsverwalter
    Summoner - Büttel
    Pardoner - Ablasshändler


    Ich habe den Prolog auf Mittelenglisch gelesen und war erstaunt, wie gut es geht (wenn man die deutsche Übersetzung daneben hat :zwinker: ).
    Aufgefallen ist mir, wie sehr es besonders in den Schreibweisen an Französisch anklingt. Ich nehme an zu der Zeit wurden in England noch beide Sprachen gesprochen.

  • Zitat von "Regina"


    Aufgefallen ist mir, wie sehr es besonders in den Schreibweisen an Französisch anklingt. Ich nehme an zu der Zeit wurden in England noch beide Sprachen gesprochen.


    Martin Lehnert schreibt in der Einleitung zur Insel Ausgabe, dass das Mittelenglische dem Neudeutschen lautlich viel ähnlicher sei als dem Neuenglischen, weshalb sich der Text besser ins Deutsche als ins Neuenglische übersetzen lasse.


    Das ist doch ein interessante These :hm:


    Würde heißen, dass die phonetische Veränderung vom Mittelenglischen zum Englischen deutlich umfangreicher war als vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen. Weilt ein anglistisch Gelehrter unter uns, der das bestätigen kann?


    P.S. Habe mir heute auch die Reclam-Ausgabe bestellt, um ab und zu im Original lesen zu können.


    CK

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Xenophanes"

    Vielleicht kann man das als Beleg dafür nehmen, dass es Chaucer mehr um Typen als um individuelle Darstellungen ging?


    Andrerseits sind gerade die Details in den Personenbeschreibungen sehr individualisierend! Ich habe den Verdacht, dass wir es hier wie bei Dante wieder mit dem Renaissance-Menschen zu tun haben (ist ja auch fast 100 Jahre später...)


    Zitat von "Xenophanes"

    ....weshalb sich der Text besser ins Deutsche als ins Neuenglische übersetzen lasse.

    Dazu ist mir in der von Dir zitierten Stelle vom Scholar etwas aufgefallen:
    Doch wenn er auch ein Philosoph schon war,
    Enthielt sein Koffer wenig Geld in bar;

    Im Original heisst das:
    But all be that he was a philosophre
    Yet hadde he but litel gold in coffre;

    mit der Anmerkung, dass ein "Philosoph" auch Alchimist bedeute.
    Coghill übersetzt die Stelle:
    Though a philosopher, as I have told,
    He had not found the stone for making gold.


    Zitat von "Xenophanes"

    Würde heißen, dass die phonetische Veränderung vom Mittelenglischen zum Englischen deutlich umfangreicher war als vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen. Weilt ein anglistisch Gelehrter unter uns, der das bestätigen kann?


    Bin zwar weder anglistisch noch gelehrt, aber beim Lesen im Original ist mir aufgefallen, dass viele Wörter anders ausgesprochen werden müssen als gewohnt, weil es sich sonst nicht reimt. Irgendwo habe ich den Hinweis gelesen, Mittelenglisch werde so ausgesprochen wie geschrieben (in dieser Hinsicht ist ja heutiges Englisch wirklich katastrophal!)


    Zitat von "Xenophanes"

    P.S. Habe mir heute auch die Reclam-Ausgabe bestellt, um ab und zu im Original lesen zu können.

    Und das wagst Du uns zu sagen!? :breitgrins:
    Saltanah: Danke für Deine Liste :blume: Ich hatte das auch vor, nun kann ich Deine kopieren!

    Zitat

    - a Nun - die Nonne
    ...
    Was für ein französisch spricht sie eigentlich?


    hier fehlt mir leider eine Fußnote, die mir in meiner Ausgabe sowieso zu spärlich sind. Sind eure Ausgaben da besser?

    Wäre ja gelacht, wenn die preiswerteste Ausabe (Penguin Popular Classics für Fr. 4.50) die besten Fussnoten hätte :zwinker:
    Zu ihrem Französisch steht, dass sie mit englischem Akzent spreche.


    Zitat von "Saltanah"

    Was bedeutet
    Zitat:
    a man can teach a jay
    to call out 'Walter' better than the Pope


    Dazu steht, dass "Walter" das Wort sei, das man Eichelhähern beibrachte, wie man jetzt Papageien "Polly" beibringe.


    Zitat von "Saltanah"

    Dabei fällt mir natürlich auf (es überrascht mich allerdings nicht), dass gerade mal 3 der PilgerInnen Frauen sind. Schade.


    Allgemein in Chaucers Werk kommen aber die Frauen nicht schlecht weg. Er sei der erste englische Dichter, der die Fähigkeit besitze, sich in die weibliche Psyche hineinzuversetzen und sich auch mit ihrer sozialen Rolle identifiziere, ihre Probleme und Bedürfnisse artikuliere (rororo-momographie von Wolfgang Riehle). Ich bin gespannt, ob und wie das in den einzelnen Tales dann zum Ausdruck kommen wird!


    In der Geschichte des Ritters ist mir zuerst mal etwas Äusserliches aufgefallen (abgesehen von der Länge...): Der Wechsel zwischen Arcite und Palamon findet, dort wo sich ihre Handlungsstränge getrennt haben, meist innerhalb eines Reimpaares statt, z.B.
    I leave him here in bliss, though bliss is brittle,
    And turn to speak of Palamon a little

    oder
    That was his whole intention, fair and plain.
    I turn my story to Arcite again.

    Ausserdem spielt die Geschichte im Mai, während in der Rahmenhandlung April war.


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Zitat von "Saltanah"


    - a Nun - die Nonne
    Was für ein französisch spricht sie eigentlich?


    Laut dem Kommentar meiner Ausgabe handelt es sich um einen verderbten anglofranzösischen Dialekt, der in der Klosterschule der Ortschaft Stratford-Bow gelehrt wurde. Chaucer hat dort zwölf Jahre gelebt. Außerdem sei schlechtgesprochenes Französisch ein "Standardkarikaturmerkmal" des Engländers in der mittelalterlichen Literatur.


    Zitat von "Saltanah"

    - a Friar - der Bettelmönch (Hubert)
    auch kein gutes Vorbild der christlichen Tugenden. Wie interpretiert ihr dies:


    Hast du in deiner Ausgabe Verszahlen? Wenn ja wäre das hilfreich, um solche Stellen schnell zu finden.


    In meiner Übersetzung:


    Auf seine Kosten war durch ihn gepaart
    So manche junge hübsche Frau schon worden.

    [V. 212f.]


    Offenbar hat er diese hübschen Frauen geschwängert und danach Ehemänner für sie gesucht.


    Zitat von "Saltanah"


    - a Haberdasher - Kurzwarenhändler?


    "Krämer".


    Zitat von "Saltanah"


    - a Doctor - ein Doktor
    scheint zwar sehr belesen in seinem Fach, heilt aber mit Hilfe von Horoskopen. Ist das jetzt von Chaucer ironisch gemeint, oder war das damals "state of the art"?


    Darüber traue ich mir an dieser Stelle noch kein Urteil zu. In der Erzählung vom Ritter spielen Sternenkonstallationen und Determinismus auch eine prominente Rolle, weshalb es durchaus sein könnte, dass dies Chaucers Weltbild entspricht.


    CK

  • Hallo!


    Finde, dass die Leserunde einen sehr guten Start genommen hat :winken:


    Ich bin von den "Canterbury Tales" sehr fasziniert und froh, mit deren Lektüre nicht noch länger gewartet zu haben.


    Die proportionale Ausgewogenheit der ersten Erzählung hat mich angenehm überrascht. Chaucer scheint nicht nur einen großen Sinn für den Rhythmus einer Handlungsabfolge zu haben, sondern kommentiert das ja auch immer wieder.
    Vor allem wenn man weiß, welche literarischen Monster im Spätmittelalter sonst noch so produziert wurden, hebt sich das wohltuend ab.


    Amüsiert hat mich die "freche" Vermengung von antiker und mittelalterlicher Welt. Athener, die sich wie Ritter benehmen und Tourniere veranstalten...


    Was mich literarisch am meisten beeindruckt hat, ist die Beschreibung des Marstempels. Während vorher noch in klassischer Manier Rittertum und Kampf heroisiert werden, öffnet diese Tempelbeschreibung plötzlich einen apokalyptischen Blick auf die Realität von Krieg und Gewalt. Mich hat das stark an H. Bosch erinnert:


    Dort sah zunächst ich düstre Schattenbilder
    Von Mord und Totschlag, von Gewalt gar wilder;
    Den jähen Zorn, wie Kohlen glühend rot,
    Den Diebstahl und die Angst, bleich wie der Tod
    [...]
    Den Meuchelmord am Schläfer in der Nacht,
    Und blutige Wunden offner Kriegerschlacht;
    [...]
    Der kalte Tod mit offnem starrem Munde.
    Das Unheil in des Tempels Mitte saß,
    Unmutig war sein Blick und voller Haß.
    Den Wahnsinn sah ich lachen in der Wut,
    Gewaltgeschrei, Alarm und Frevelmut;
    [...]
    Zerstörte Städte, wüst und ausgeleert.
    Ich sah das Schiff verbrannt im Meere schwanken,
    Erwürgt den Jäger durch des Bären Pranken,
    Das Wiegenkind, wie eine Sau es fraß
    [...]
    [V. 1995ff.]


    Eine so komprimierte Darstellung der Brutalität des Lebens ist in der Mitte einer Rittererzählung doch von einer unerwarteten Subversivität.


    Spätestens an dieser Stelle wurde mir bewusst, dass Chaucer wirklich ein großartiger Autor ist


    CK

  • Zitat von "Saltanah"


    - a Doctor - ein Doktor
    scheint zwar sehr belesen in seinem Fach, heilt aber mit Hilfe von Horoskopen. Ist das jetzt von Chaucer ironisch gemeint, oder war das damals "state of the art"?


    In Köln läuft derzeit die Ausstellung "Aderlass und Seelentrost", eine Sammlung Berliner Handschriften.
    Dabei ist das "Regimen" von Heinrich von Laufenberg (um 1450/60), in dem die Medizin sehr verzahnt mit der Astrologie erscheint.
    Ich zitiere aus dem Katalog der Ausstellung:
    "Nach damaliger Auffassung konnte eine medizinische Therapie ohne die Berücksichtigung des Einflusses der Sterne keinen Erfolg erzielen."


    Aufgeschlagen ist das Regimen bei einer Abbildung eines mit Sternzeichen bedeckten Menschen, die anzeigt welche Körperstellen welchen Tierkreiszeichen unterliegen. Das derzeitige Zeichen, Widder, beeinflusst übrigens den Kopf. Wenn ich mich jetzt nur erinnern könnte, ob Aderlässe an dieser Stelle zu dieser Zeit besonders nutzbringend oder besonders schädigend sind...

  • Zitat von "xenophanes"


    Auf seine Kosten war durch ihn gepaart
    So manche junge hübsche Frau schon worden.
    [V. 212f.]


    Offenbar hat er diese hübschen Frauen geschwängert und danach Ehemänner für sie gesucht.


    So hatte ich das auch verstanden, konnte es jedoch nicht richtig glauben. Ich habe eine solche Lasterhaftigkeit einfach nicht in einem Buch aus dem Mittelalter erwartet. So kann man sich täuschen!


    Zitat von "xenophanes"

    Ich bin von den "Canterbury Tales" sehr fasziniert und froh, mit deren Lektüre nicht noch länger gewartet zu haben.


    Dito.


    Zitat von "xenophanes"


    Vor allem wenn man weiß, welche literarischen Monster im Spätmittelalter sonst noch so produziert wurden, hebt sich das wohltuend ab.


    Ich bin da leider nicht so bewandert. Kannst du Beispiele nennen?


    Zitat von "xenophanes"

    Amüsiert hat mich die "freche" Vermengung von antiker und mittelalterlicher Welt. Athener, die sich wie Ritter benehmen und Tourniere veranstalten...

    Oh ja, das ging mir auch so. Phantastisch finde ich auch die kleinen Sätze mit denen Chaucer immer wieder die "gehobene" Stimmung unterbricht, z. B besonders schön nach der Beschreibung des indischen Königs Emetrius und seines Gefolges (1329-1331):
    And in this manner in their fine adorning
    These lords came to the city on Sunday morning
    Round about nine o'clock

    Meine Reaktion darauf: [Blockierte Grafik: http://www.mainzelahr.de/smile/froehlich/6925.gif]


    Zitat von "xenophanes"

    Was mich literarisch am meisten beeindruckt hat, ist die Beschreibung des Marstempels. Während vorher noch in klassischer Manier Rittertum und Kampf heroisiert werden, öffnet diese Tempelbeschreibung plötzlich einen apokalyptischen Blick auf die Realität von Krieg und Gewalt.
    Eine so komprimierte Darstellung der Brutalität des Lebens ist in der Mitte einer Rittererzählung doch von einer unerwarteten Subversivität.


    Spätestens an dieser Stelle wurde mir bewusst, dass Chaucer wirklich ein großartiger Autor ist


    Das ging mir auch so. Dass sie mittelalterliche Dichtung so etwas hervorgebracht hat, hätte ich nie erwartet.
    Überrascht hat mich auch die Beschreibung des Venustempels mit allen Aspekten der Liebe, und nicht nur dem Klischee der "höfischen" Liebe (1067-1070):
    ...Pleasure and Hope, Desire, Foolhardiness,
    Beauty and Youth, Lasciviousness, Largesse,
    Philtres and Force, Falsehood and Flattery,
    Extravagance, Intrigue and Jealousy...

    Die Beschreibung von Dianas Tempel kann da nicht richtig mithalten. Überhaupt fragte ich mich an dieser Stelle, wieso da noch ein dritter Tempel steht, die Antwort kommt dann ja aber im nächsten Teil, wenn wir daran erinnert werden, dass es ja nicht nur um die zwei Rivalen geht, sondern dass da ja auch noch das "Objekt" ihrer Begierden gibt, dass hier (hurra!) zum Subjekt wird. Auch das fand ich angenehm überraschend.


    So, jetzt muss ich gerade mal in meinen Aufzeichnungen nachgucken, was mir sonst noch aufgefallen ist (in Teil 1-3 der Erzählung des Ritters).
    - Ach ja, immer wieder die Unterbrechung der Erzählung durch Kommentare des Ritters (Chaucers?), die mir besonders gut gefallen.


    - Herrlich die Reaktion der beiden auf den Anblick Emilys:
    Ich habe sie zuerst gesehen! Sie gehört mir! Wie zwei kleine Kinder (hier hätte ich fast Jungs geschrieben, mir das aber gerade noch verkniffen.)


    - Merkur als Gott des Schlafes? Das kommt mir komisch vor. (526-528)
    The winged god Mercury, he thought, came near
    (...)
    His sleep-imbuing wand held in the air


    - Eine Frage an die Glücklichen mit den wohlkommentierten Ausgaben (675-681):
    Now up, now down, like buckets in a well
    Just as upon a Friday, truth to tell
    (...)
    Friday is changeable

    Was macht gerade den Freitag so wechselhaft?


    - Als Arcite den versteckten Palamon findet, und ihn zum Duell herausfordert, war mein erster Gedanke, dass der arme Palamon ja nichts zu essen und damit schlechte Karten hat, und prompt lässt Chaucer ihn von Arcite mit Essen versorgen. Diese Kleinigkeiten machen mir das Buch noch sympathischer.


    - Was bedeutet Must go pipe tunes on an ivy leaf? (980)


    - Schöne Beschreibung der Tribüne - für gute Sicht der Zuschauer ist gesorgt; wie wichtig das ist, wissen alle, die jemals hinter einem Riesen im Kino gesessen haben.


    Ach, ich könnte noch unendlich viele schöne Sätze zitieren, aber da muss jetzt erst mal reichen.


    Bis morgen,
    Saltanah

  • Hallo zusammen!
    :lesen: Ich stecke mitten in der Geschichte des Ritters (beim Marstempel). Wie hat man sich das vorzustellen, bei einem zuhörenden Publikum, die Geschichte ist ja ewig lang?!


    Zitat von "xenophanes"

    Amüsiert hat mich die "freche" Vermengung von antiker und mittelalterlicher Welt.


    Auch innerhalb der Antike wird durcheinandergemischt, ich hätte Theseus ein paar hundert Jahre vor Caesar und Nero eingeordnet...


    Die Beschreibung der Tempel finde ich erzähltechnisch raffiniert: die Duellanten werden losgeschickt, und statt dass wir erfahren, wie es ihnen ergeht, werden wir mit Tempelbeschreibungen hingehalten. Das macht richtig kribbelig!


    Modern fand ich auch die Stelle, wo Theseus das Duell unterbricht: Wir erfahren seine Gedankengänge, sozusagen einen inneren Monolog. Kam das in der Literatur des MA sonst auch schon vor? Andrerseits finde ich das Resultat seines Nachdenkens nicht sehr sinnvoll: An der Stelle von zweien sollen jetzt 200 kämpfen??


    Zitat von "Saltanah"

    - Was bedeutet Must go pipe tunes on an ivy leaf? (980)


    Bei mir steht da:whistle (for consolation) using an ivy leaf as a reed (reed = Rohrblatt eines Rohrblattinstruments)


    Herzliche Grüsse,
    Maja

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Zitat von "Saltanah"

    Überrascht hat mich auch die Beschreibung des Venustempels mit allen Aspekten der Liebe, und nicht nur dem Klischee der "höfischen" Liebe (1067-1070):
    ...Pleasure and Hope, Desire, Foolhardiness,
    Beauty and Youth, Lasciviousness, Largesse,
    Philtres and Force, Falsehood and Flattery,
    Extravagance, Intrigue and Jealousy...

    Die Beschreibung von Dianas Tempel kann da nicht richtig mithalten.


    Bei der Beschreibung des Mars- und des Venustempels folgt Chaucer Boccaccios "Teseida", die Beschreibung des Dianetempels stammt aus seiner eigenen Feder.



    Zitat

    - Merkur als Gott des Schlafes? Das kommt mir komisch vor. (526-528)
    The winged god Mercury, he thought, came near
    (...)
    His sleep-imbuing wand held in the air


    Das erklärt sich wenige Zeilen später durch die Erwähnung Argos', den Merkur einst einschläferte. Ob er damit schon Gott des Schlafes ist?


    Zitat

    - Eine Frage an die Glücklichen mit den wohlkommentierten Ausgaben (675-681):
    Now up, now down, like buckets in a well
    Just as upon a Friday, truth to tell
    (...)
    Friday is changeable

    Was macht gerade den Freitag so wechselhaft?


    Mein Goldmann sagt, Chaucer betrachtete den Freitag als Unglückstag. Ebenso den dritten Mai. Es wird spekuliert, er habe da selber etwas Unangenehmes erfahren, denn er benutzt das Datum öfter.


    Zitat

    - Als Arcite den versteckten Palamon findet, und ihn zum Duell herausfordert, war mein erster Gedanke, dass der arme Palamon ja nichts zu essen und damit schlechte Karten hat, und prompt lässt Chaucer ihn von Arcite mit Essen versorgen. Diese Kleinigkeiten machen mir das Buch noch sympathischer.


    Naja, er muss sich ja als edler Ritter erweisen. :breitgrins:


    Zitat

    - Was bedeutet Must go pipe tunes on an ivy leaf? (980)


    Da schweigt der Goldmann. Vielleicht gleicht es dem "auf einem Grashalm blasen"?



    Ich bin mit dem Knight's Tale noch nicht ganz durch. Aber so wie ihr, finde ich mich immer wieder überrascht. Was mich vor die Frage stellt, wie schief wohl mein Mittelalterbild ist?

  • Zitat von "Maja"

    Modern fand ich auch die Stelle, wo Theseus das Duell unterbricht: Wir erfahren seine Gedankengänge, sozusagen einen inneren Monolog. Kam das in der Literatur des MA sonst auch schon vor? Andrerseits finde ich das Resultat seines Nachdenkens nicht sehr sinnvoll: An der Stelle von zweien sollen jetzt 200 kämpfen??


    Die Erklärung dafür folgt ja im vierten Teil. Erstens bringt das bessere Unterhaltung, und zweitens sorgt ja Theseus dafür, dass es kein Gemetzel wird: Whishing none to die (1685) bestimmt er genau, welche Waffen zulässig und welche verboten sind. Chaucer sorgt auch weiterhin für Überraschungen, zumindest bei mir.


    Zitat von "Regina"

    Bei der Beschreibung des Mars- und des Venustempels folgt Chaucer Boccaccios "Teseida", die Beschreibung des Dianetempels stammt aus seiner eigenen Feder.


    Kennst du Boccaccios Buch? Ich habe vergeblich im Internet nach einem Onlinetext gesucht, und wusste bis gestern nicht mal von der Existenz dieses Buches.
    Das gilt auch für Statius' "Thebaid", aus der in meiner mittelenglischen (nicht aber der modernen) Ausgabe als Einführung zu der Knight's Tale zitiert wird:
    Iamque domos patrias, Scithice post aspera gentis Prelia, laurigero, &c.
    Gibt's hier jemanden mit genügend Lateinkenntnissen zum Übersetzung?


    Zitat von "Regina"

    Was mich vor die Frage stellt, wie schief wohl mein Mittelalterbild ist?


    Die Frage stelle ich mir mittlerweile auch.


    Über die damalige Heilkunst erfahren wir im Zusammenhang mit Arcites Verletzung etwas mehr; es wird mit Salben, "charms", Kräutern, Schröpfung, Aderlass, Brech- und Abführmitteln gearbeitet.


    Was die Länge der Erzählung angeht, überrascht ja nicht mehr, dass der Ritter "keine Zeit hat uns von ... zu erzählen, ebenfalls nicht von ..., davon absieht, ... zu erwähnen", und das über anderthalb Seiten.


    So, und jetzt freue ich mich auf die Geschichte des Müllers.


    Saltanah

  • Zitat von "Maja"

    Modern fand ich auch die Stelle, wo Theseus das Duell unterbricht: Wir erfahren seine Gedankengänge, sozusagen einen inneren Monolog. Kam das in der Literatur des MA sonst auch schon vor? Andrerseits finde ich das Resultat seines Nachdenkens nicht sehr sinnvoll: An der Stelle von zweien sollen jetzt 200 kämpfen??


    Theseus Gedanken stammen aus Boethius "Consolatio Philosophiae", ebenso später als er nach Alcites Tod sinniert. Sagt die Goldmannausgabe.


    Zitat von "Saltanah"

    Die Erklärung dafür folgt ja im vierten Teil. Erstens bringt das bessere Unterhaltung, und zweitens sorgt ja Theseus dafür, dass es kein Gemetzel wird: Whishing none to die (1685) bestimmt er genau, welche Waffen zulässig und welche verboten sind. Chaucer sorgt auch weiterhin für Überraschungen, zumindest bei mir.


    Scheint sich nur keiner groß dran zu halten. :breitgrins:


    Zitat

    Kennst du Boccaccios Buch? Ich habe vergeblich im Internet nach einem Onlinetext gesucht, und wusste bis gestern nicht mal von der Existenz dieses Buches.


    Nein, das weiß ich nur wieder aus den Anmerkungen.


    Zitat

    Was die Länge der Erzählung angeht, überrascht ja nicht mehr, dass der Ritter "keine Zeit hat uns von ... zu erzählen, ebenfalls nicht von ..., davon absieht, ... zu erwähnen", und das über anderthalb Seiten.


    Da musste ich ziemlich grinsen, als er das Begräbnis in aller Ausführlichkeit nicht beschreibt.


    Und jetzt kommt der trunkene Müller dran. Das scheint deftiger zu werden.

  • Hallo, Chaucerianer,


    nun bin ich vom Verwandtenbesuch zurück und freue mich über eure ganzen Postings. Sehr informativ und nachdenkenswert. :klatschen:


    @ xenophanes


    Chaucers Ironie findet in der deutschen Literatur durchaus Parallelen, wenn auch nicht auf so hohem Niveau.
    a) Neidhart von Reuental hat sich zu Beginn des 13.Jahrhunderts oft derb über die Bauern, aber auch Ritter und "Pfaffen" lustig gemacht.
    b) Ein Könner in schon kabarettistischem Humor war sicher Oswald von Wolkenstein, 1377-1445, der z.B. seine Teilnahme am Konstanzer Konzil dazu genutzt hat, sich über so ziemlich alle Bevölkerungsschichten lustig zu machen.


    Aber dennoch, Chaucer ist viel eleganter und vor allem menschenfreundlicher!


    Habe mir auch die Insel-Ausgabe zugelegt und bin bisher sehr angetan von der Einführung und besonders den ausführlichen Anmerkungen Lehnerts (übrigens nett aus sozialistischem Blickwinkel geschrieben seine Anmerkung zur hier auch schon beschriebenen Astrologieleidenschaft des Mittelalters und der heute ähnlichen Fixierung der kapitalistischen Staaten. Aber ansonsten bisher angenehm ideologiefrei!). Schaue heute auch mal in den mittelenglischen Text der Reclam-Ausgabe, die ich am Wochenende nicht dabei hatte.


    Habe bisher den allgemeinen Prolog gelesen und bin im "Knight" ca. bei Vers 1360.


    Ich habe schon Einiges an mittelalterlicher Literatur gelesen und so überrascht es mich nicht, die Vermengung von Antike und mittelalterlichen Lebensgewohnheiten auch bei Chaucer zu finden. Es gibt ja einige mittelhochdeutsche Bearbeitungen u.A. des Alexandermythos bzw der Äneis, da macht man ganz ähnliche Beobachtungen.


    Übrigens gilt das auch für unsere Zeit, wie ich finde: Man möge sich nur Verfilmungen der Troja-Legende von heute und aus den Fünfziger Jahren ansehen, dann kann man ganz deutlich erkennen, wie jetzige Lebensumstände, aber besonders Moden, das Bild bestimmen.


    HG
    finsbury