Familienstruktur in der älteren Literatur

  • Hallo an alle,


    bin auf der Suche nach einer Kurzgeschichte, einer Novelle oder einem Roman, in dem besonders auf die Familienstruktur eingegangen wird - ich meine wo die heile Familienordnung noch in Ordnung ist.
    Denn soll dieses mit einem aktuellen Buch der Kinder- und Jugendliteratur gegenüberstellen, in dem sich die klassische Familienstruktur immer mehr auflöst.


    Wer kann mir einen Tipp geben und bitte nicht Thomas Mann Buddenbrocks

  • Hallo Shiva!


    Davon gibt's in der "klassischen" Literatur gar nicht so viele.


    Stifter: Der Nachsommer vielleicht.


    Ansonsten wurde schon vor Hunderten von Jahren wie wild Ehe gebrochen (Odyssee, Die Wahlverwandtschaften, Amphytrion, Fortunata und Jacinta, Anna Karenina, Barchester Towers ... ), die Mutter beschlafen, der Vater umgebracht, Uneheliches gezeugt und auch schon mal umgebracht ...


    Ich fürchte, Klassiker sind eine sehr unmoralische Literatur ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Sandhofer,


    erstmal vielen herzlichen Dank für die schnelle Antwort, da komme ich auch immer mehr drauf. Tja, die gute alte ....... :rollen:
    Werde es mal mit deinem Vorschlag probieren, sagt mir auf die schnelle nichts. Was hältst du vom Bahnwärter Thiel in diesem Zusammenhang?


    Gruß Shiva

  • Hallo Shiva,


    "Bahnwärter Thiel" ist m.E. nicht gerade "heile Welt". Zwar bleibt man zusammen, aber es wird doch ziemlich deutlich, dass dies eher eine Zweckgemeinschaft ist. So war das ja wohl früher auch häufig :zwinker:


    Wie alt darf's denn sein?


    In "Vom Winde Verweht" spielt das ideal der heilen Familie eine wichtige Rolle. Ebenso in vielen klassischen Liebesromanen, etwa Jane Austens "Stolz und Vorurteil"


    Ansonsten muss ich Sandhofer aber Recht geben. Wenn ich so meine Regale entlang schaue, sehe ich Rot und Schwarz, Madame Bovary, Kabale und Liebe, Maria Stuart, Candide, Romeo and Juliet, Parzival etc. - alles eher aufregend...


    Vielleicht stimmt die Theorie einfach nicht?


    Zitat

    Denn ich soll dieses mit einem aktuellen Buch der Kinder- und Jugendliteratur gegenüberstellen, in dem sich die klassische Familienstruktur immer mehr auflöst.


    Dann nimm doch ein altes Kinder- und Jugendbuch, etwa Nesthäkchen von Else Uri, oder etwas von Erich Kästner - allerdings eher Emil und die Detektive als Das dopelte Lottchen.


    Liebe Grüße
    Nightfever

  • Zitat von "Shiva"

    Hallo an alle,


    bin auf der Suche nach einer Kurzgeschichte, einer Novelle oder einem Roman, in dem besonders auf die Familienstruktur eingegangen wird - ich meine wo die heile Familienordnung noch in Ordnung ist.


    Hallo Shiva,


    es gibt ein in den 20er/30er - Jahren des vorigen Jahrhunderts sehr bekanntes, ja, berühmtes Jugendbuch der damaligen Generation. Titel: Die Familie Pfäffling. Ein Musiker (Lehrer) haushalt mit 6 Kindern der verschiedensten Charaktere. Typische Rollenverteilung, heile Welt.
    Ja, natürlich auch die empfohlenen "Nesthäkchen"- Bücher oder "Elke"- Mädchenbücher (gepflegter Arzthaushalt). :breitgrins:


    Grüße,
    Gitta

  • Vielen Dank für eure Anregungen,


    teilweise kenne ich die genannten Bücher eh, werde sie mir noch einmal genauer anschauen und vor allem den Nachsommer (Habe ich noch nicht gelesen).


    Vielen herzlichen Dank einstweilen, ansonsten muss ich mein Thema einfach ein bisschen umstrukturieren.


    Übrigens super, dass es ein solches Forum gibt, in denen Ihr Vielbelesenen einem Tipps geben könnten. Lese zwar auch einiges, aber mit der "klassische" Literatur konnte ich bisher teils wenig anfangen!


    Gruß Shiva

  • Die Familienstruktur zu erlesen und beschreiben und die Entwicklung oder Wandlungen ihrer Funktionen oder Desintegration in den Generationen oder Familienstufen zu beschreiben, da bedarf es keiner erotischen oder sexuellen Abenteuer oder Verwirrungen.
    Wer die klassisch einfache Novelle von Storm "Pole Poppenspäler" untersucht auf die Familienmitglieder und den Fortgang der Beziehungen der Personen hin erkennt, kapiert, wie Storm in dem ländlichen oder städtischen, künstlerischen oder bürgerlichen Milieu Abfolgen, Brüche, Neuanfänge und Hoffnungen artikuliert; innerhalb der Wandlung der Familienbilder vom patriarchalen zum matriarchalen Typ, von der schon reduzierten Großfamilie zur Kleinfamilie.


    Ähnlich in "Ein Doppelgänger" von Storm.
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    Jeder moderne Roman seit dem Realismus entfaltet ebenso Familienbeziehungen, ihre Fundamente und Fragmente, auch wenn er kein "Familienroman" mehr im Untertitel sein will.
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    Wer nach der historischen Vorlage in Storms erzählerischem Puppenspieler-Familiendrama einen modernen, kompetenten, phantasiestarken Jugendroman lesen und analysieren will - und Geschichte und Schicksal und Psychologie einer Nachkriegsfamilie im deutschen Sprachraum erfassen will, kann Nöstlingers Frech-Geschichte vom "Gurkenkönig" lesen. - Er oder sie wird sich wundern... - ob der Verwerfungen und Einsichten und Veränderungen familialer Sozialisation.
    "... so pfeifen wir auf den Gurkenkönig!"
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    Und wem das zu "simpel" scheint, der lese Grass' "Blechtrommel", als Familiendrama aus der Perspektive des liebesbedürftigen, erotisch und politisch starken Oskar.
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    Mhm - das Beispiel - Fontanes "Effi Briest"?
    Da bleibt - nach dem Tode der Mutter ein kleines Mädchen noch am Leben, von dem der Leser nichts mehr erfährt - zu dem die Großeltern von Briest keine erzieherische, religiöse oder rechtliche Beziehung haben. (Ja, erben könnte das Mädchen schon...!)
    Keiner weiß, was aus diesem kindlichen Opfer eines väterlich durchgezogenen Diktats nach Beleidigung, der oktoyierten Scheidung, sozialen Isolation von der Mutter, samt preußisch gesetzmäßiger Erziehungsberechtigung in den Akten und Verfügungen des Baron von Instetten geworden sein mag...
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    Erich Kästner hat einige solcher Scheidungs-Muster seit den 30er Jahren im sozialen Zusammenhang erkannt und erzählerisch durchgezogen... -mit mütterlichen Figuren.

    Goethe: „...wodurch wir uns abermals überzeugen, daß es eine allgemeine Weltpoesie gebe und sich nach Umständen hervortue; weder Gehalt noch Form braucht überliefert zu werden, überall, wo die Sonne hinscheint, ist ihre Entwicklung gewiß.“