hallo,
weil ich denke, dass ich in diesem thread am ehesten die thomas-mann-fans erreiche, poste ich das mal hier.
hab nämlich eben eine rezension zu einem neuen buch gelesen, aus dem polnischen, von pawel huelle, 'castorp'...
der autor versucht hier die vorgeschichte hans castorps in danzig nachzuzeichnen, und zitiert wohl stil und ironie thomas manns hervorragend...
ich habs selber leider noch nicht gelesen, es ist aber jetzt erstmal auf meiner liste, und ich dachte, es könnte euch interessieren...
falls jemand das schon gelesen hat, würde ich mich über eindrücke freuen...
und hier ein ausschnitt aus der rezension in der heutigen taz, von jörg magenau:
"Thomas-Mann-Freunde werden das als Ketzerei begreifen. Hans Castorp ist Hans Castorp ist Hans Castorp. Und nun erfindet der polnische Schriftsteller Pawel Huelle dieser urdeutschen Romanfigur eine Vorgeschichte. Darf man das? Aus dem "Zauberberg" entnahm er den Hinweis, Castorp habe, bevor er in Davos seine vorletzte Ruhe fand, einige Semester in Danzig studiert, um Ingenieur für Schiffsbau zu werden. Stoff für einen Roman, dachte Huelle. Er ging damit ein hohes Risiko ein, musste er doch nicht nur die äußeren Bedingungen, sondern auch die Psychologie seiner Figur und nicht zuletzt den Erzählton den Vorgaben Thomas Manns anpassen. Da ist die Gefahr groß, ein epigonales Rankenwerk zu produzieren.
Doch Huelle ist ihr entgangen, weil er ein eigenes erzählerisches Vorhaben umsetzte: "Castorp" ist ein Roman über das deutsch-polnische Verhältnis und zugleich ein Roman über das Jahr 1905 und die letzte Jahrhundertwende. Die Zeitungen schrieben schon damals über eine Klimakatastrophe. In 100 Jahren, so hieß es, herrsche an der Ostsee Mittelmeerklima.
Huelle beherrscht die Mann'sche Ironie, doch wendet er sie nicht zuletzt auf Mann selbst an, wenn er dessen Weltanschauungsdialoge und seine Charakterzeichnungen elegant parodiert. Man spürt, wie viel Spaß es ihm gemacht haben muss, Figuren wie Konsul Tienappel, Castorps erziehungsberechtigten Onkel, erneut zum Leben zu erwecken. Und er lässt sich auch die Gelegenheit nicht entgehen, Castorp in Langfuhr unterzubringen, dem Ort, der durch Grass' "Blechtrommel" berühmt wurde. Bei Castorp, dem verwöhnten Hamburger Bürgersöhnchen, ist die Neigung zur Apathie schon ausgeprägt. Er begibt sich schließlich sogar in psychoanalytische Betreuung, um seiner rätselhaften Antriebslosigkeit, die ihn später im "Zauberberg" niederstrecken wird, zu entkommen. Von seiner Lungenkrankheit noch keine Spur. Aber er ist ein leidenschaftlicher Zigarrenraucher, der alles daran setzt, auch in Danzig seine "Maria Mancini" zu bekommen."
gruß, aljaz