Januar 2005: Heine - Deutschland. Ein Wintermärchen

  • Ein schönen guten Morgen!


    Hiermit begrüße ich euch recht herzlich zur Leserunde "Heinrich Heine - Deutschland. Ein Wintermärchen". Zu dieser Leserunde haben sich folgende Leseratten gemeldet:


    Leila Parker
    Holkenäs
    Iwan Iljitsch
    Maja (u.V.)
    sandhofer (u.V.)
    Georg (u.V.)
    Imrahil (u.V.)


    Ich denke, dass wir für den kleinen Heine nicht all zu lange brauchen werden. Ich wünsche allen, die mit schreiben, viel Vergnügen beim Lesen und Diskutieren.


    LG Joe

    Wer träumt, dem wachsen Flügel.
    <br />Lasst uns alle Träumer sein.

  • Hallo zusammen!


    In diesem Bereich werden Informationen aus Zweitliteratur gesammel und Informationen über z.B. Heinirch Heine als Person aufbewahrt. Jeder, der meint, mit seinen Beiträgen, Diskussionen voran zu bringen, kann sie hier eintragen.


    Liebe Grüße
    Joe :)

    Wer träumt, dem wachsen Flügel.
    <br />Lasst uns alle Träumer sein.

  • Hallo,


    also ran an den Speck :klatschen:


    Zitat

    Das erste, was gelesen werden sollte, wie Leila schon gesagt hat, ist: Vorwort und "Abschied aus Paris"


    Also "Abschied von Paris" gibt es in meiner Ausgabe nicht. War wohl als Eingangskapitel geplant, wurde aber dann von Heine verworfen. Einige Gedanken sollen in Caput XXIV übernommen worden sein, aber soweit sind wir ja noch lange nicht.


    Vor dem Vorwort vielleicht noch ein Gedanke zum Titel. Die Anspielung an Shakespeare (wie auch bei "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum") ist offensichtlich. Aber warum ein "Märchen"? Soll damit der bittere Kontrast zwischem Phantatisch-Wunderbarem (eben einer Märchenwelt) und den dunklen Realitäten in Deutschland herausgestellt werden?


    Dies nur als kurzer Einstieg und Eisbrecher


    Gruß
    Holk

  • Also ich habe in meiner Ausgabe das Vorwort nicht, weil es ein Sammelband ist. Habe das Vorwort dann jetzt beim Gutenberg-Projekt gelesen.


    Zu der Spekulation (anders kann man das ja nicht bezeichnen bevor wir das Werk ganz gelesen haben ;) ) über den Titel "Deutschland - ein Wintermärchen" möchte ich folgendes sagen: Die Anspielung auf Shakespeare ist klar, ja. Vielleicht sollte man versuchen Heines Wintermärchen mit dem Shakespeare'schen zu vergleichen. Ich selber habe letzteres nicht gelesen und muss mich deswegen an Inhaltsangaben halten.
    Mal hierzu was aus Wikipedia:

    Zitat

    A comedy by William Shakespeare, The Winter's Tale is also considered a "problem play" by many. The first three acts are filled with intense psychological drama, but the last two acts are quite comedic and supply a happy ending. This play is one of Shakepeare's later efforts, probably written in 1610 or 1611.


    Ich stelle damit erstmal die These auf, dass es Parallelen zwischen den beiden "Wintermärchen" gibt, dass Heines z.B. genauso "problematisch" ist, zumindest vom Geiste seiner Zeit aus gesehen. Denn sagt er im Vorwort nicht ausdrücklich, dass es vielen Nationalisten ein Dorn im Auge sein wird und er es einige Male bearbeiten musste? Ein psychologisches Drama kann man auch erwarten, wenn man bedenkt, dass und vor allem wie er im "Abschied von Paris" sein Heimweh beschreibt. Wird er Deutschland so wiederfinden wie er es wiederfinden will, enttäuscht sein? Auch heitere Abschniite kündigt Heine an, und findet sogar, dass es ihrer zuviele sind. Und schließlich, um dem Ganzen einen fast unheimlichen Charakter zu geben, finden wir auch eine unmittelbare Parallele der beiden Stücke in dem Zeitpunkt, in denen ihr Autor sie schrieb. Es war auch eines der letzten Werke von Heine, er starb zwei Jahre danach.


    Ob sich meine Thesen auch über "Abschied aus Paris" halten kann, das werden wir dann im Verlauf des Stückes sehen. :)

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Holk"

    Also "Abschied von Paris" gibt es in meiner Ausgabe nicht.


    In meiner auch nicht. Heine ging ja dann auch wieder nach Paris, aber vielleicht war das ursprünglich nicht geplant??


    Zitat von "Iwan"

    Es war auch eines der letzten Werke von Heine, er starb zwei Jahre danach.


    Bei mir sind's zwölf.


    Zitat

    Wird er Deutschland so wiederfinden wie er es wiederfinden will, enttäuscht sein?


    Soviel ich bis jetzt gesehen habe, kritisiert er Deutschland stark. Vieles im Text ist sehr ironisch, was die Lektüre sicher nicht einfacher macht!


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Also, in meiner Ausgabe (Hamburger Leseheft) geht es nach dem Vorwort
    gleich mit dem Caput 1 los. Ist aber, denke ich, das gleiche. Liegt wohl nur
    an der Ausgabe.


    Zitat

    Soviel ich bis jetzt gesehen habe, kritisiert er Deutschland stark.
    Vieles im Text ist sehr ironisch [...]
    (Maja)


    Ich denke auch, dass er Deutschland kritisiert. Aber - ich gebe zu, ich
    habe den Heine schon einmal lesen müssen (wollte ihn jetzt aber auch ver-
    stehen) - er tut das nicht allgemein. Das wird schon im Vorwort ersichtilich.
    Da sagt er zum Beispiel:

    Zitat

    "Ich liebe das Vaterland ebenso so sehr
    wie ihr" (Z. 42-43 Vorwort)


    Heine, als Vertreter "des Jungen Deutschland"², kritisiert nicht wirklich
    Deutschland, als Land. Aber ganz sicher Deutschland aus politischer Sicht.


    Zitat

    "Pflanzt die schwarzrotgoldne Fahne auf die Höhe des deutschen
    Gedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschentums, und ich will
    mein bestes Herzblut für sie hingeben." (Z. 39 ff)


    Um es mit einem nicht Heine-Zitat zu unterlegen:


    Zitat

    "Heine ist die giftig gewordene Romantik, der faulig gewordene
    Gärungsprozeß, der ihre Auflösung in ein Afterbild der modernen Freiheit
    des Selbstbewußtseins darstellt..."
    Friedrich Theodor Vischer³


    Heinirch Heine begründet auch später seine Haltung zu Deutschland in einem Brief vom
    15.April 1854:


    Zitat

    «Das ehrliche Deutschland ist der fruchtbarste Boden für alle Bübereyen,
    und dieser Gedanke verstimmt mich sehr. Diese Halbcivilisation ist
    schlimmer als russische Barbarey. So viele herrliche Menschen leben
    dort, und doch passieren dort so viele schändliche Dinge!».


    Heine geht es wohl vor allem darum, dieses - sein - Deutschland zu ver-
    ändern. Ich denke, dass er sein Heimatland tatsächlich liebt, es aber
    furchtbar findet, in welchem "Mittelalter" sich die Gesellschaft noch be-
    findet. Er will es verändern. Es aufklären, Gerechtigkeit, Gleichheit,
    Freiheit, ... einführen. Oder zumindest einen Anstoß dazu leisten.


    Ich denke, wir können und müssen diesen Punkt unbedingt noch einmal
    am Ende des Buches klären.



    Liebe Grüße
    Joe Monpaxe :)


    ²- http://www.heinrich-heine.net/haupt.htm
    ³- http://www.heinrich-heine.net/quotat.htm

    Wer träumt, dem wachsen Flügel.
    <br />Lasst uns alle Träumer sein.

  • Zitat von "Holkenäs"

    Vor dem Vorwort vielleicht noch ein Gedanke zum Titel. Die Anspielung an Shakespeare (wie auch bei "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum") ist offensichtlich. Gruß
    Holk


    Hallo zusammen,


    ich habe damals zwar den Lesevorschlag gemacht, aber leider kann ich mich im Moment nicht so intensiv Heinrich Heine widmen. Darf ich trotzdem zu dem oberen erwähnen, dass beide Dichtungen: "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum" und "Deutschland. Ein Wintermärchen" die gleiche Anzahl an Caputs haben. (Wie ist die Pluralform von Caput?)
    beide an Anzahl XXVII. Beide haben eine Vorrede bzw. ein Vorwort. Beide haben einen Anhang bzw. Nachtrag.


    Grüße von
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "JMaria"

    Wie ist die Pluralform von Caput?


    Da zahlen sich meine 8 oder 10 Jahre Latein doch mal aus :breitgrins: : capita. (M.W. ist unser "Kapitel" mit Heines "caput" (=Haupt) verwandt.)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Hallo Sandhofer,
    Hallo zusammen,


    vielen Dank, Sandhofer :winken:


    ein wenig neugierig geworden, habe ich heute die rororo-Monographie Christian Liedtke: Heinrich Heine hervor geholt und darin gelesen.


    Interessant, dass Heinrich Heine seine Momoiren das Märchen meines Lebens nennt.


    In seinem Gedicht: Nachtgedanken sieht man auch sehr gut, wie seine Gemütsverfassung ist, wenn er an Deutschland denkt:


    "Denk ich an Deutschland in der Nacht,
    Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
    Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
    Und meine heißen Tränen fließen...."


    Das Gedicht umfaßt 10 Strophen, die obige ist die erste.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallöchen!
    Ich wollte nur einmal kurz anfragen, wieweit ihr mit der Lektüre vorangeschritten seit? Ich habe vor kurzem mit dem Buch begonnen, habe aber das Gefühl, dass sehr viele zeitliche Bezüge eingearbeitet wurden, so dass vieles nur anhand geschichtlicher Fakten zu verstehen ist.


    Gruß Troll

  • Hallo Troll!


    Wir stecken gerade noch in den Kinderschuhen. Kannst ruhig mitmachen. Für Zusatzinformationen, schau mal im Bereich Leserunden Material und Archiv nach. Da gibt es sehr hilfreiche Links.


    Liebe Grüße
    Joe

    Wer träumt, dem wachsen Flügel.
    <br />Lasst uns alle Träumer sein.

  • Hallo,


    Weiteres Gedicht Heines zu dem Thema:


    Anno 1839


    Oh, Deutschland, meine ferne Liebe,
    Gedenk ich deiner, wein ich fast!
    Das muntre Frankreich scheint mir trübe,
    Das leichte Volk wird mir zur Last.


    (6 weitere Strophen, u.a.:
    Lächelnde Weiber! Plappern immer,
    Wie Mühlenräder stets bewegt!
    Da lob ich Deuschlands Frauenzimmer,
    Das schweigend sich zu Bette legt. :breitgrins: )


    Beim Lesen des Vorworts habe ich mich gefragt, ob es wirklich frei nach Goethe heißt "Frankreich, du hast es besser"? Es regt sich doch Widerspruchsgeist. Aber in Frankreich war wohl die Pressefreiheit durch die Julirevolution 1830 gerettet worden, während in Deutschland Zensur betrieben wurde (für Veröffentlichungen mit weniger als 20 Druck-Bogen Präventivzensur, sonst aber nachträglich), obwohl auf dem Wiener Kongress die Pressefreiheit in die Bundesakte aufgenommen wurde. Aber das, wie viele andere Hoffnungen, währte nur bis zu den Karlsbadern Beschlüssen 1819. Im Zuge der Julirevolution wurden in Deutschland die Pressegesetze sogar noch weiter verschärft.
    Es ist also festzuhalten, dass Frankreich zwar nicht das gelobte Land der Freiheit war, aber im Vergleich zu Deutschland (bzw. seinen vielen kleinen Teilchen) sehr viel mehr Spielraum bot.


    Begeistert bin ich bisher von Heines saloppen Feststellung, dass der Rhein ihm gehöre. Wäre das immer allen klar gewesen, wäre uns einiges erspart geblieben :zwinker: .


    Gruß
    Holk

  • Hallo zusammen,


    Im Reclam-Lektüreschlüssel steht zum Titel:
    Wintermärchen: Durch Shakespeares The Winter's Tale angeregt. Es wird auf Deutschlands "winterlichen Erstarrungsschlaf" (Georg Schirges in seiner Rezension vom 23.10.1844) abgehoben.
    Abgehoben?? :confused:


    Ob Frankreich besser war? Ich frage mich, wie stark da die Judenfrage hineinspielte, es scheint, dass Heine trotz Gleichstellung auf dem Papier und Konversion 1825 (da nahm er auch den Vornamen Heinrich an) wegen seiner Herkunft Probleme hatte.


    Zitat von "Holk"

    Begeistert bin ich bisher von Heines saloppen Feststellung, dass der Rhein ihm gehöre. Wäre das immer allen klar gewesen, wäre uns einiges erspart geblieben :zwinker: .

    Bis Basel gehört er aber uns! :breitgrins:


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Zitat von "Maja"

    Ob Frankreich besser war? Ich frage mich, wie stark da die Judenfrage hineinspielte, es scheint, dass Heine trotz Gleichstellung auf dem Papier und Konversion 1825 (da nahm er auch den Vornamen Heinrich an) wegen seiner Herkunft Probleme hatte.


    Hallo zusammen,


    Heine schreibt (als die Studentenverbindung Allgemeinheit, die er angehörte, verboten wurde):


    Der Patriotismus des Franzosen besteht darin daß sein Herz erwärmt wird, durch diese Wärme sich ausdehnt, sich erweitert, daß es nicht mehr bloß die nächsten Angehörigen, sondern ganz Frankreich, das ganz Land der Zivilisation, mit seiner Liebe umfaßt; der Patriotismus des Deutschen hingegen besteht darin, daß sein Herz enger wird, daß es sich zusammenzieht wie Leder in der Kälte, daß er das Fremdländische haßt, daß er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sondern nur ein enger Deutscher sein will. (Rororo-Monographie: Heinrich Heine von Christian Liedtke S. 36/37).


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo,


    Maja schrieb:

    Zitat

    Ob Frankreich besser war? Ich frage mich, wie stark da die Judenfrage hineinspielte, es scheint, dass Heine trotz Gleichstellung auf dem Papier und Konversion 1825 (da nahm er auch den Vornamen Heinrich an) wegen seiner Herkunft Probleme hatte.


    Da könntest du recht haben. In der ZEIT war ein Artikel zum Einfluß der Französischen Revolution und der Napoleon-Ära auf die Lage der Juden in Frankreich und Deutschland:
    http://www.zeit.de/2004/29/A-Juden_2fRev_
    "Frankreich erlebte eine Judenemanzipation von unten, revolutionär, demokratisch. In Deutschland wurde sie von der Obrigkeit (erst 1871) gewährt. Es sollte, wir mussten es grausam erfahren, eine Emanzipation auf Widerruf werden."


    Marias Zitat zum Patriotismus scheint nichts von seiner Aktualität eingebüßt zu haben. Ist die Monographie eigentlich zu empfehlen? Hast du dort zufällig etwas von einer französischen Staatsbürgerschaft Heines gelesen (aus der Zeit der Napoleonischen Besatzung)?


    Doch zurück zum Werk. In Caput XXL steht:



    Schelmische Grüße und nichts für ungut. :zwinker: Sollten vielleicht Caput I in Angriff nehmen
    Holk

  • Zitat

    Schelmische Grüße und nichts für ungut. Sollten vielleicht Caput I in Angriff nehmen

    .
    Das wär ja ma ne Idee. :klatschen:
    Wann solls losgehen? Ich bin dabei.
    Gruß vom troll

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Holk"

    Hast du dort zufällig etwas von einer französischen Staatsbürgerschaft Heines gelesen (aus der Zeit der Napoleonischen Besatzung)?


    Heine ist in Düsseldorf geboren und aufgewachsen, welches 1796 französisch besetzt wurde und von 1806 - 1815 unter französischer Herrschaft stand. Eine Verfügung vom Oktober 1814 gab allen zwischen 1791 und 1801 dort Geborenen Wohnrecht in Frankreich.


    @ Holk: super, das Zitat! :breitgrins: :breitgrins: Falls Du mal eine Nachhilfe in römischen Zahlen brauchst :zwinker:
    Ich dachte schon, es liegen alle an Grippe darnieder...


    Ich habe schon fast das Ganze mal schnell durchgelesen, weiss aber nichts dazu zu sagen. (Spätfolgen gymnasialer Gehirnerosion...)


    Caput I Ein Reisender betritt Deutschland wieder und wird von Rührung und Heimweh erfasst. Doch falsche Töne im Gesang des Harfenmädchens lassen aufhorchen. Ihr Loblied entlarvt er als Volks-Einlullung und verspricht, ein neues, besseres Lied zu dichten.
    Das erste Mal stolperte ich schon in der achten Zeile, als die Augen "tropfen". Wohl ein erstes Ironiesignal?
    Wer hat eine Erklärung für die Verlobung der Jungfer Europa?? Zeus wird ja kaum gemeint sein :breitgrins:


    Herzliche Grüsse,
    Maja