Josephstetralogie von Thomas Mann

  • Hallo Holk,


    ich wollte evtl. im Mai anfangen oder nach der Thackeray-Leserunde (ich hoffe mal, das es damit klappt) im Juli. Ich bin ja wirklich schon gespannt, ob Th. Mann dieses Niveau, das er in den letzten Kapiteln vorgelegt hat, weiter durchhält !


    Liebe Grüße von Steffi

  • Hallo Steffi,


    wie sehen deine Leseplanungen aus?


    Auf die hoffentlich zustande kommende Leserunde sollten wir nicht warten, oder? :zwinker:


    Liebe Grüße
    Holk

  • Hallo Holk,


    Auf die hoffentlich zustande kommende Leserunde sollten wir nicht warten, oder?
    Nöö ! Ich bin soeben mit Middlemarch fertig geworden, jetzt gönne ich mir eine Woche "junk food" sprich historische Romane. Vielleicht springt auch noch ein kleiner Keyserling dabei raus. So ab 20. Mai wäre ich für Thomas Mann wieder bereit. :smile:


    Wie siehts bei dir aus ? Ich freue mich schon auf den letzten Band :klatschen:


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Holk"

    Auf die hoffentlich zustande kommende Leserunde sollten wir nicht warten, oder? :zwinker:


    Vielleicht nehmt Ihr sie als Anlass für eine Zweitlektüre? Klassiker sind Bücher, die man mit Gewinn mehrmals liest (so wie man gute Musik mehrmals hört), und für die Leserunde wäre es eine grosse Bereicherung, mit Leuten zu diskutieren, die schon den Blick aufs Ganze haben!


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo Steffi und Maja,


    der 20.Mai paßt mir gut, das Buch liegt bereit und wir sollten den armen Joseph langsam mal wieder aus seiner Grube herausholen, wo er sitzt und schläft, der arme Hase. :zwinker:




    Zitat von "Maja"

    Vielleicht nehmt Ihr sie als Anlass für eine Zweitlektüre?


    Der Joseph ist jede Mehrfach-Lektüre wert, viele dunkle Stellen rufen noch nach Erleuchtung, aber damit bereits nach einem Jahr zu beginnen, halte ich für übertrieben. :zwinker:


    Mit dem Blick auf das Ganze ein wichtiger Ratschlag für Einsteiger: Von der "Höllenfahrt" nicht schocken lassen und weiterlesen. Dann winkt große Belohnung.


    Liebe Grüße
    Holk

  • Hallo !


    @Holk: Also abgemacht - ich freue mich schon !


    Maja: Holk hat es schon richtig ausgedrückt - eine mehrmaliges Lesen ist sicher sehr gewinnbringend, aber so bald würde ich nicht wieder von vorne beginnen wollen. Trotzdem werde ich gespannt eure hoffentlich baldige Leserunde mitverfolgen ! Auch im Punkte Höllenfahrt gebe ich Holk recht - ich habe schon schwer schlucken müssen ... :zwinker:


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    was sagst du zum Vorspiel? :entsetzt:


    Er macht es einem wirklich nicht einfach, der gute Thomas Mann. Statt die Geschichte einfach fortzusetzen, muß er wieder so einen kryptischen Text dazwischen schieben.


    Scheint wohl so, dass er als Engel über Josephs Fall im Speziellen und Gottes Verhältnis zum "Engltier" Mensch im Allgemeinen räsoniert. Der böse Semael hat Gott auf's Glatteis geführt, und das nicht nur einmal. Erst bringt er mit den Menschen das Böse (und damit immerhin die Möglichkeit des Guten und damit für Gott die abwechslungsreiche Tätigkeit des Belohnens und Bestrafens) in die Welt und dann schlägt er Gott auch noch vor, selbst Fleisch zu werden!


    Vielleicht ist es auch nur eine Faust-Reminiszenz ("Vorspiel im Theater" und "Prolog im Himmel" zusammengefaßt).


    Bin sehr gespannt auf deine Überlegungen.


    Liebe Grüße
    Holk

  • Hallo Holk,


    sorry, bin die letzte Woche kaum zum posten gekommen !


    Ja, das Vorspiel. Da hab ich zuerst auch wieder mal seufzen müssen - dieser Thomas Mann, schon wieder muss man seine grauen Zellen anstrengen.


    Wenn ich mir so die Themen anschaue, geht es in den oberen Rängen nur vordergründig um Gerechtigkeit. Also die Frage ist, wie wird "Oben" mit Schuld umgegangen ? Und diese Unverfrorenheit des Bösen, vielleicht auch die angedeutete Ambivalenz, wie du es auch so treffend ausgedrückt hast, trägt auf jeden Fall faustische Züge. Trotzdem ist mir zuerst auch Thomas Manns persönliche Situation eingefallen - vielleicht auch eine Anspielung auf das Dritte Reich ? Auch ist Gott hier nicht unfehlbar und dass er gerade hier so vermenschlicht dargestellt wird, wirft ein bestimmtes Licht auf die Josephsgeschichte und die Bibel insgesamt. Und hat natürlich auch eine gewisse Glaubenskritik. Nach diesem Vorspiel, ist es da noch möglich, Gut und Böse anhand der Bibel zu unterscheiden ? Oder soll man das allein dem "Engeltier" (eine herrliche Beschreibung) überlassen. Sind die "Oben" überhaupt noch fähig, Entscheidungen zu treffen oder können sie nur noch das Mündchen runden ?


    Du siehst, mir fallen sehr viele Fragen ein aber leider nur wenig Antworten. :zwinker:


    Inzwischen habe ich das dritte Hauptstück beendet.


    Die andere Grube war für Joseph recht ergiebig. Über die Ungerechtigkeit seiner Verurteilung denkt er nicht nach, er ist erfüllt von seinen weiteren Aufgaben, knüpft Kontakte. Alles ist sehr lebendig und fast spannend geschildert - wobei ich mir Thomas Mann und Spannung zusammen nur schwer vorstellen kann.
    Schließlich wird er zu Pharao berufen um die berühmten Träume zu deuten. Geschickt und listig legt er seine Worte Pharao in den Mund. Sollte Pharao auch als eine Anspielung für Gott zu verstehen sein so dränght sich mir die Frage auf: Legen auch wir Menschen durch die Bibel unsere Worte Gott in den Mund ?


    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    leider fehlte mir in den letzten Wochen Zeit und Muße für den guten Joseph. So bin ich noch nicht über das dritte Hauptstück hinausgekommen. :entsetzt: Hoffe aber, jetzt wieder etwas voranzukommen.


    Du schreibst von T.M.s persönlicher Situation und ihrem Einfluß auf das Werk. Hast sicher recht mit der Vermutung, dass er sich über Schuld, Geechtigkeit und auch Verantwortung viele Gedanken gemacht haben wird in dieser Zeit. Vor kurzem warf ich mal wieder einen Blick in seine Tagebücher aus den Jahren 1933/34, als er also gerade aus Deutschland vertrieben wurde und sich neu in der Schweiz einrichtete. Es ist wirklich erstaunlich, dass er in solch einer schwierigen Phase solch einen dritten Teil erschaffen konnte (leider sind die direkten Notizen zu seinem Werk nur sehr spärlich, kaum Inhaltliches, nur wenn er sich weiterquälte, dann "Morgens weiter am Joseph").


    Nach dem Vorspiel findet Mann wieder zur alten Leichtigkeit zurück. Wieder schafft er buchenswerte Charaktere, den Hobby-Forscher Mai-Sachme (Joseph trifft immer wieder auf gebildete und verständnisvolle Menschen. Am unzivilisiertesten haben sich bisher wirklich seine eigenen Brüder benommen.) oder auch den eiligen Eilboten (der den Joseph auffordert, doch bitte keuchend vor Pharao zu treten, als ob er den ganzen Weg gelaufen sei...).


    Eine Sternstunde an Geistesgegenwart und rhetorischer Brillanz erlebt Joseph vor dem mächtigsten Mann der Welt. Sein Gottvertrauen schenkt ihm eine bewundernswerte Gelassenheit und Selbstsicherheit. Er betätigt sich als Pädagoge (der den Pharao anleitet, seine Träume selbst zu deuten), Politiker (sofortige Konsequenzen aus den Träumen ziehen, Vorratshaltung in größtem Maßstab, er entwickelt gar eine Art von Wirtschaftskriegsstrategie, die dem friedfertigen Pharao sehr gefällt) und Religionsberater (wobei mir der enthusiastische Amenhotep zu diesem Thema zu viel redet, da ist mir die "politische Frau" "Mamachen" Teje lieber).


    Ich befürchte, du bist indes schon mit dem ganzen Buch durch.


    Liebe Grüße
    Holk

  • Hallo Holk !


    Mitnichten bin ich schon fertig ! Ich habe mit dem sechsten Hauptstück begonnen - die Brüder treffen bei Joseph ein und er freut sich, dass er ein bißchen mit ihnen spielen kann. Interessant finde ich, wie er versucht, so zwischen "Spaß" und Rache zu bleiben. Auch hier hat er wieder einen Berater - danke für diesen Hinweis, das ist mir nicht so deutlich geworden ! Seine Leichtfertigkeit und Unbekümmertheit wird Joseph auch als Ernährer nicht los.


    Von allen Bänden finde ich den vierten am "lesbarsten" soweit man das so sagen kann. Th. Mann verzettelt sich nicht und manchmal meine ich, auch etwas Eitelkeit hervorblitzen zu sehen, weil er so viele unterschiedliche Gedanken zum Thema hatte :zwinker: Die rasche und fließende Erzählweise wird kaum durch Symbolik oder philosophischen Überlegungen unterbrochen, oder ? Eine einfache Familiengeschichte eben oder habe ich etwas nicht verstanden ?

    Gruß von Steffi

  • Hallo Steffi,


    Zitat

    Die rasche und fließende Erzählweise wird kaum durch Symbolik oder philosophischen Überlegungen unterbrochen, oder ? Eine einfache Familiengeschichte eben oder habe ich etwas nicht verstanden ?


    Du siehst das schon richtig. Einfach nur genießen! Die Netze und doppelten Böden kann man ja noch bei einer zweiten Lektüre untersuchen :zwinker:


    Trotzdem geht es bei mir nicht wie gewünscht voran. Thamar hat mich aufgehalten. Was hältst du von ihr? Die Frau hatte doch mal einen Lebensplan (ein Wort, das Herrn Lehmann auf die Palme bringen würde) und war die menschgewordene Konsequenz. Sympathisch sind solche Leute eher selten. Aber sie ist vielleicht wirklich die "verblüffenste Figur der Geschichte". Hier ein Vortrag über T.M.s Umsetzung der biblischen Figur


    http://www.pkgodzik.de/Thamar%…die%20Heilsgeschichte.htm


    Liebe Grüße
    Holk

  • Hallo Holk,


    danke für den interessanten link.


    Thamar - ja, sie ist für mich die "lebendigste" Figur, die Konsequenz, die vielleicht Joseph abgeht, die Weitsicht, die Jaakob fehlt. Für sie scheint die Welt, der Glaube, so klar und einfach zu sein, so überaus rational handelt sie. Bei allen anderen ist doch das Verhältnis zu Gott sehr emotional, sehr unbestimmt - sie ist die erste (?) die aus dem "Märchen" das uns Th. Mann nacherzählt eine Religion machen könnte bzw. dem Glauben feste Regeln geben könnte. In ihrer Konsequenz finde ich sie sehr glaubhaft und eigentlich nicht unsympathisch.


    Ich bin nun in der Mitte des letzten Hauptstückes - Jaakob tritt vor den Pharao, jeder quasi Vertreter eines Gottes, der vielleicht der gleiche ist ? Spannend wird es jetzt, wie wohl Thomas Mann diese Positionen bewertet.


    Liebe Grüße von Steffi

  • Hallo Holk,


    sicher hast du meinen Jubel gehört? Ich habs geschafft und bin mit dem vierten Band fertig ! Zugegebenermaßen bin ich ein bißchen stolz darauf, die vier Bände hinter mir zuhaben. Ohne deine Hilfe wäre das mit Sicherheit nicht so gut geworden - einiges ist mir ja doch erst in der Diskussion klar geworden.


    Gerade habe ich mir die Taschebuchausgabe des Thomas Mann Handbuchs bestellt, mal sehen, was da noch über die Josephs-Tetralogie zu finden ist.


    Liebe Grüße von Steffi

  • Zitat von "Steffi"

    Gerade habe ich mir die Taschebuchausgabe des Thomas Mann Handbuchs bestellt, mal sehen, was da noch über die Josephs-Tetralogie zu finden ist.


    Liebe Grüße von Steffi


    Hallo Steffi


    du kannst dich freuen, es gibt einiges zu finden.
    z.b. auf der S. 235 unten beginnend, heißt es, dass Thomas Mann während der Entstehung der Josephromane Tristram Shandy als Stärkungsmittel benutzte. Besonders an den von Sternes' erzählerischen Abschweifungen zeigte T.M. großes Interesse.


    das war mir auch neu.


    Hach, dieses Thomas-Mann-Handbuch ist ein wahrer Schatz :klatschen:


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Steffi,


    wohl hörte ich deinen Ausruf freudigster Entzückung, jenes vollendende „Es ist vollbracht!“, gleich schallend den Posaunen bei Jerichos Fall. Vom Stamm der lahmen Leseschnecken ist aber dein Lesegenosse der frohen Stunden, der immer noch, und zu seiner nicht geringen Freude, ein letztes Hauptstück vor sich hat, und sich nach dessen baldigster Beendigung ausführlicher zu seiner Begeisterung äußern wird.


    Liebe Grüße
    Holk


    PS: In dem Handbuch habe ich auch schon geschmökert. Spannend ist ebenso, welche realen Personen seines Umfeldes T.M. mal wieder "verwurstet" hat.

  • Hallo Steffi,


    auch ich bin jetzt mit dem Joseph durch. Einerseits erfüllt es mich mit großer Zufriedenheit, dieses umfangreiche Werk geschafft zu haben (Hand in Hand mit dir), andererseits empfinde ich Wehmut, die liebgewonnenen Gefährten verlassen zu müssen. Was muß erst T.M. gefühlt haben, als er den letzten Satz dieser Geschichte schrieb?


    Ich bin mir sehr sicher, dass dieser Bibelabschnitt jetzt fest in meiner Erinnerung verankert ist. Wenn im Kreuzworträtsel nach einem Sohn Jaakobs gefragt wird, fällt mir nicht mehr nur Ruben ein (übrigens köstlich, wie er als alter Mann zitternd wie ein Knabe vor den Vater treten muss, um sich seine Lebensschelte abzuholen).


    Zwei Eindrücke hängen mir besonders nach. Da ist zum einen die große Heiterkeit und Gelassenheit, in die die ganze Geschichte gehüllt ist. Alles ist nur ein Spiel, das, wenn es gut ausgeführt wird, sogar Gott zum Lächeln bringen soll.
    Denn die Heiterkeit und der verschlagene Witz sind das Beste, was Gott uns gab, und sind die innigste Auskunft vor dem verwickelten, fragwürdigen Leben. ...Nur in Heiterkeit kann der Menschengeist sich aufheben...und den gewaltigen Antwortlosen zum Lächeln bringen.


    Das andere ist die allgegenwärtigen Doppeldeutigkeit. "Urim und Tummin". Nichts ist nur weiß und gut, immer gibt es ein Zusammenspiel von hell und dunkel. Hinter jeder scheinbar klaren Erkenntnis lagern sich neue Dünen auf, die ein anderes Licht auf die Geschichte werfen.


    Es hat mir wirklich große Freude bereit, dieses Buch zu lesen und deine Gedanken waren mir dabei eine große Hilfe. Falls du noch etwas Interessantes zu dem Thema entdeckst (z.B. soll es einen Aufsatz von T.M. geben aus dem Jahre 1944 mit dem Titel "Vm Buch der Bücher und Joseph"?), schreib das doch bitte. Vielleicht kriegen wir bald auch eine "echte" Leserunde hin.


    Liebe Grüße
    Holk

  • Hallo Holk,


    du hast deine Gedanken zum Joseph wunderbar zusammengefasst. Auch ich fand gerade den leichten Humor sehr wohltuend gegenüber der dunklen Ernsthaftigkeit der Bibel.


    Und du hast auch mit der Doppeldeutigkeit recht - auch wenn mir das nicht so aufgefallen wäre. Aber dieses Thema zieht sich wirklich wie ein roter Faden durch.


    Zitat

    Falls du noch etwas Interessantes zu dem Thema entdeckst ... schreib das doch bitte.

    Das ist doch selbstverständlich !


    Auch ich würde mich über eine neue Leserunde mit dir sehr freuen, denn es hat schon mit dem Joseph riesig Spaß mit dir gemacht. Übrigens kann ich dir den Thackeray, falls du ihn noch nicht kennst, wärmstens empfehlen, er würde dir bestimmt gefallen.



    Liebe Grüße von Steffi