• Hallo zusammen!


    Die Erwähnung Hohlers hat mich an eine Frage erinnert:


    Wie haltet Ihr es mit Autoren, die im Dialekt schreiben? Vor allem Lyrik weicht ja gern in den Dialekt aus ...


    Ich erinnere mich da an Johann Peter Hebels Alemannische Gedichte, die mir als anderem Alemannen natürlich besonders nahestehen.


    Beim Drama sind es v.a. zwei Österreicher, die mir in den Sinn kommen, Raimund und Nestroy. Wobei ich mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen kann, dass v.a. Raimund ausserhalb Wiens überhaupt sinnvoll aufgeführt werden könnte. Dialekt und Themen sind für mein Empfinden ausserordentlich 'typisch wienerisch' ...


    Romane im Dialekt? Wenige bis gar keine Autoren. Der Schweizer von Tavel, Fritz Reuter (wobei ich Niederdeutsch eigentlich gar nicht als Dialekt betrachte). Gotthelf, der viele Dialektwendungen in seine Romane einflicht - als Lokalkolorit.


    Dann die recht witzigen Phänomene, wenn z.B. gewisse Verse des Faust sich nur auf Frankfurterisch reimen ...


    In andern Sprachen gibt es ja z.T. gar keinen wirklichen Dialekt (mehr). Natürlich gibt es so Phänomene wie Jorge Amado, der Nordestino, der durch seinen typisch lokalen Wortschatz z.T. selbst seinen übrigen brasilianischen Landsleuten nur schwer verständlich ist.


    Wie haltet Ihr es mit Werken im Dialekt? Lest Ihr so etwas?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Wie haltet Ihr es mit Werken im Dialekt? Lest Ihr so etwas?


    Selten. Ich habe einiges von Ludwig Thoma gelesen, der ja zumindest Wendungen aus seinem Dialekt einfließen lässt. Aber sonst... ich freue mich immer wieder, wenn ich mal auf ein Gedicht stoße, das in einem Dialekt geschrieben ist, aber ich suche nicht danach.


    Leider spreche ich selbst gar keinen Dialekt (kann nur so e bissie frankfodderisch nachbabbele), deshalb ist es für mich auch nicht immer einfach, so etwas zu verstehen.


    :idea: Asterix! Ich liebe die "Asterix auf..." Bände in den Dialekten :D


    LG
    Nightfever

  • Zitat von "sandhofer"

    Fritz Reuter (wobei ich Niederdeutsch eigentlich gar nicht als Dialekt betrachte).


    Hallo,


    in der Region, in der ich nun schon viele Jahre lebe, spricht man noch relativ häufig niederdeutsch (man sagt hier kurz "man snakt op platt"). Es wird auch in den Schulen wieder zunehmend gepflegt, die meisten größeren Gemeinden haben eine sog. Speeldeel (= Spieldiele, Mundartbühne), und an Volkshochschulen kann man Kurse darin belegen.
    Selbst das Friesisch, auch eigenständige Sprache, wird auf den Inseln wie Föhr oder Amrun noch gesprochen und gepflegt.
    An der Westküste schätzt man noch heute den Dichter Klaus Groth, der mit Johannes Brahms befreundet war, welcher wiederum mehrere Gedichte Groths vertonte. Groths Hauptwerk "Quickborn" wird immer noch gern gelesen.
    So ist es hier auch mit Fritz Reuter, obwohl der im Mecklenburger Platt schreibt. Ich selbst habe sein "Ut de Franzosentid" und "Ut mine Stromtid" mit Genuß gelesen, obwohl es mir sprachlich nicht leicht fiel. Reuter steht qualitätsmäßig nicht unter den "Hochdeutschen", meine ich.
    Rheinfränkisch (hessisch, pfälzisch) ist mir vertraut und ich habe auch einige Bücher davon im Schrank, allerdings handelt es sich dabei mehr um Triviales. Ebenso verstehe ich Schwäbisch durch mehrere Jahre Aufenthalt dort recht gut, und der Faust ist ganz lustig. Eine Leseprobe:


    »Mein lieber Fauschd,
    i kann dir schenka,
    en Haufe Zeug,
    was du kannsch denka:
    Geld, naggte Weibor
    ond viel Glick.
    Du wirsch schon säh,
    s’kommt knübbeldick!«


    En Schduddgardor will’s
    g'nauer wissa:
    »Du Kerle wirsch
    mir saga missa,
    woher du kommsch
    und wie du hoisch,
    ond ob’s omsonst isch,
    was du woisch!«


    Sie ist aus diesem Buch:


    [Blockierte Grafik: http://www.sonntag.tv/pix/shop/fauschd_b1_160.jpg]


    Noch-weihnachtliche Grüße,
    Gitta

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Nightfever"

    Ich habe einiges von Ludwig Thoma gelesen, der ja zumindest Wendungen aus seinem Dialekt einfließen lässt.


    Thoma, richtig: Den habe ich vergessen. Und, wenn wir bei den Bayern sind: Karl Valentin.


    Zitat von "Gitta"

    Reuter steht qualitätsmäßig nicht unter den "Hochdeutschen", meine ich.


    Zweifelsohne. Aber ich will einerseits keine Übersetzung lesen; andererseits verstehe ich ihn zu wenig, um ihm folgen zu können. :sauer: Im Gegensatz z.B. zur Prinzessin in Tucholskys Schloß Gripsholm, deren Sprache ich problemlos folgen kann. :zwinker:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Zitat von "sandhofer"

    Zweifelsohne. Aber ich will einerseits keine Übersetzung lesen; andererseits verstehe ich ihn zu wenig, um ihm folgen zu können.


    Kann ich nachvollziehen. Andererseits können die Meisten Tolstoi auch nicht auf Russisch lesen. :sauer:
    Im Ernst: Ein in Dialekt geschriebenes Werk vermittelt meist auch ein Lebensgefühl der Menschen einer best. Region (oder beabsichtigt, dies zu tun), was nicht einfach auf andere Weltgegenden übertragen werden kann. Insofern meine ich, sollte man Übersetzungen von Dialektbüchern ins Hochdeutsche unterlassen.


    Grüße,
    Gitta

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Gitta"

    Kann ich nachvollziehen. Andererseits können die Meisten Tolstoi auch nicht auf Russisch lesen. :sauer:


    Nein. Ich auch nicht. Aber ich mache bei Russen und Chinesen (z.T. auch Japanern und Indern) auch die einzigen Ausnahmen, in dem Sinne, dass ich ihre Werke in Übersetzung lese. Ansonsten gilt für mich: Originalsprache oder gar nicht. Und natürlich - da gebe ich Dir recht - a fortiori bei Dialekten: Dialekt oder gar nicht.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Nein. Ich auch nicht. Aber ich mache bei Russen und Chinesen (z.T. auch Japanern und Indern) auch die einzigen Ausnahmen, in dem Sinne, dass ich ihre Werke in Übersetzung lese. Ansonsten gilt für mich: Originalsprache oder gar nicht.


    Das ist natürlich optimal! Bei Englisch und Französisch bin ich in der glücklichen Lage, auch original lesen zu können, leider ist es mir schon beim Italienischen oder gar Spanischen nicht möglich, obwohl es da so große Literatur gibt. Wenn ich z. B. "Die Verlobten" von Manzoni nicht auf deutsch hätte lesen können, wäre mir etwas entgangen. Klar, den literarischen Wert einer Sprache kann man ja nie übersetzen, aber allein die Beschreibung von äußeren und inneren Zuständen sind bei Manzoni lesenswert. Oder ähnlich geht's mir mit "Don Quichote".
    Auch meine ich, daß nur ein verschwindend geringer Teil von Lesern in der Originalsprache lesen kann. Sollte ihnen die Weltliteratur deshalb verwehrt bleiben? Ist wohl Ansichtssache.


    Gruß,
    Gitta

  • Hallo zusammen!
    Hallo Gitta!


    Zitat von "Gitta"

    Auch meine ich, daß nur ein verschwindend geringer Teil von Lesern in der Originalsprache lesen kann. Sollte ihnen die Weltliteratur deshalb verwehrt bleiben? Ist wohl Ansichtssache.


    Ich habe ja auch nur von mir persönlich gesprochen. Und ich bin selber ja auch nicht konsequent, sonst würde ich Dante nicht in der Manesse-Ausgabe lesen ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    auch von Uwe Johnson wurde pommersches und mecklenburgisches Plattdeutsch in seine Bücher eingebunden. In "Mutmassungen über Jakob", besonders aber auch in "Jahrestage". Ich persönlich finde, dass es die Textstellen, die Mecklenburg im Besonderen betreffen eine Steigerung erfuhren und dass die Atmosphäre gesteigert wurde. Johnson erzählte sogar die Geschichte vom Fischer un siner Fru neu. Dass das Plattdeutsche als keine Dialekt gehandelt wird ist mir neu. Mein Großvater sprach noch nordschleswiger Platt, dass dem Dänischen verwandt ist und wirklich nicht leicht zu verstehen war (falls das ein Kriterium ist?). Und auch in der deutschsprachigen Literatur wurden noch Dialekte, zumindest in Dialogen, gepflegt. Zum Beispiel bei Günter Grass (Blechtrommel, Mein Jahrhundert usw.). Mir gefiel dies immer sehr gut.


    Grüße in die Runde, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Zitat von "sandhofer"


    Ich habe ja auch nur von mir persönlich gesprochen. Und ich bin selber ja auch nicht konsequent, sonst würde ich Dante nicht in der Manesse-Ausgabe lesen ...


    Hallo Sandhofer,


    alles klar! :smile:


    Gruß,
    Gitta


    @ Friedrich Arthur: Ja, hier wird in Zeitungsartikeln oder bei "plattdeutschen" Lesungen (z. B. von Professor Reimer Bull) gesagt, daß Niederdeutsch eine eigenständige Sprache sei, die sich ähnlich wie flämisch aus dem Deutschen abgespaltet habe). Ich selbst kann das nicht beurteilen.
    Was das Verstehen betrifft, so habe ich es allmählich durch niederdeutsche Hörspiele gelernt, die allerdings gepflegtes "Platt" bringen. Beim hiesigen muß ich immer noch genau zuhören. Es ist ja regional sehr verschieden. Sprechen kann ich es nicht.


    edit: Zu Reimer Bull
    http://www.quickborn-verlag.de/aut-5.html