Elfriede Jelinek

  • Ich frage mich, welches Werk der Frau Jelinek sich überhaupt zu lesen lohnte?!


    Und es wäre wohl auch kein großer Verlust, wenn sie das Schreiben ließe.


    Sehe ich nicht so. Da muss jemand schon sehr trivial schreiben, dass ich mich zu einem solchen Satz durchringen könnte.

  • Bei Jelinek ist es ja kein Geschäftsmodell, sondern sie hat offenbar wirklich kein Interesse mehr daran, ein Buch zu veröffentlichen. Aber schreiben muß sie wohl, das drängt alles aus ihr heraus, das erinnert mich an ein Gedicht von Jakob van Hoddis wo es heißt: »Ich habe zuviel Bosheit heruntergeschluckt / Die liegt jetzt im Magen und fault«. Das ist ungesund, deshalb lieber in Literatur umgewandelt und heraus damit, dann schadets niemandem mehr. :-)


    Hallo


    Von einem Geschäftsmodell könnte man reden, wenn sie ihre Werke über Internet als E-Books verkauft, wobei Internet auch als Veröffentlichung gilt. Da wäre sie nicht der erste namenhafte Autor. Vielleicht setzt sich das durch ... Bei Gutenberg gibts auch schon E-Books.

  • Elfriede Jelinek gehört zu den ganz Großen, ist absolut unverzichtbar. Es gibt außer ihr kaum nennenswerte Autorinnen der Gegenwart, schon gar nicht im deutschsprachigen Raum. Sie ist die legitime Nachfahrin von Thomas Bernhard. Sie sagt, wie es ist. Sprachgewaltig, klug, mutig und verzweifelt, besitzt sie alle Eigenschaften, die ein Schriftsteller braucht, damit wir ihn brauchen. Möge ihre Stimme noch lange und laut ertönen.
    Gruß von der (Jelinek-)Leserin

  • Da hast Du meine Stimmung sehr genau interpretiert, Sir Thomas, aber für mich schreibt Frau Jelinek wie der personifizierte Weltverdruss, und ich bin schon schlecht gelaunt, wenn ich nur ein paar Seiten von ihr gelesen habe.
    Eine Autorin, die mit ihrer Arbeit soviel Wut und Agressivität verbreitet, ist nichts für mich.
    Recht vergnügt im warmen Nest zu sitzen und mit verbalem Müll um sich zu werfen, ist ja wahrlich keine Heldentat.


    Um meinen Blutdruck zu schonen, muss ich mich aber zu diesem Thema zurückhalten.


  • ... für mich schreibt Frau Jelinek wie der personifizierte Weltverdruss, und ich bin schon schlecht gelaunt, wenn ich nur ein paar Seiten von ihr gelesen habe.


    Liebe Madeleine,


    hast Du schon mal etwas von Thomas Bernhard gelesen? Er wird oft mit Jelinek in einen Topf geworfen. Hüte Dich also vor diesem Autor, falls diese Warnung überhaupt nötig ist ... :breitgrins:


    Es grüßt


    Sir Thomas


  • Da hast Du meine Stimmung sehr genau interpretiert, Sir Thomas, aber für mich schreibt Frau Jelinek wie der personifizierte Weltverdruss, und ich bin schon schlecht gelaunt, wenn ich nur ein paar Seiten von ihr gelesen habe.
    Eine Autorin, die mit ihrer Arbeit soviel Wut und Agressivität verbreitet, ist nichts für mich.
    Recht vergnügt im warmen Nest zu sitzen und mit verbalem Müll um sich zu werfen, ist ja wahrlich keine Heldentat.


    Um meinen Blutdruck zu schonen, muss ich mich aber zu diesem Thema zurückhalten.


    Hallo Madeleine


    Solche und ähnliche Sätze hab ich auch schon in Bezug auf Kafka gehört. Das sind m. E. keine literaturwissenschaftlich relevanten Kriterien. Es geht nicht darum, nicht zu jammern, sondern WIE jemand jammert, die Kunstfertigkeit der Formulierungen und das Gefühl für Sprache, Stil, Aufbau, Gattung etc. Wie in der Musik: Soul, Blues, Jazz, die Melancholie muss natürlich gekonnt sein, um sie kultivieren zu können. :zwinker:

  • Da hast Du meine Stimmung sehr genau interpretiert, Sir Thomas, aber für mich schreibt Frau Jelinek wie der personifizierte Weltverdruss, und ich bin schon schlecht gelaunt, wenn ich nur ein paar Seiten von ihr gelesen habe.


    Was eigentlich darauf deutet, dass sie eine sehr gute Autorin sein muss, wenn sie diese Gefühle in Dir zu provozieren vermag, oder?


    (Es gibt so Autoren, die einem nicht behagen. Ich z.B. mag keinen Zola, bin aber dennoch felsenfest davon überzeugt, dass er ein guter Autor ist ...)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Wenn es nach meinen Gefühlen geht, ist sie ein Genie, sandhofer!
    Aber ich kann ihre Genialität nun einmal nicht erkennen, weil ich mit ihrem Stil und Sprachgebrauch nicht zurechtkomme, und mich ihr ewiges Geschimpfe auf ihre Heimat bis aufs Blut reizt.
    Diese Ehrung kann sie von Österreich nicht annehmen, jenes Werk darf hier nicht aufgeführt werden usw.
    Man kann dieses unerträgliche Land aber auch jeden Tag auf Nimmerwiedersehen verlassen und die Hasskanonaden von anderswo loslassen.
    Das wäre zumindest für mich glaubwürdiger.


    Aber davor schützt sie ja unsere österreichische Anbiederungsmentalität!


  • Hi Madeleine


    Oft sprechen solche "Nestbeschmutzer" auch wahre Dinge an. Die Politik ist derart heuchlerisch und falsch. Da können gerade solche Autoren helfen, sich nicht "zu gut" zu fühlen. :breitgrins:


    Übrigens: Hast Du nicht gerade auch ein bisschen arg Dein Heimatnest beschmutzt? Was höre ich da? Anbiederungsmentalität? :breitgrins: :breitgrins:

  • Ich sehe das auch als Bestätigung ihrer Fähigkeiten an.


    CK


    Die sie sicher auch hat (soviele begeisterte Leser werden sich ja nicht irren), aber ich kann meine Abneigung gegen ihre Schreibweise und ihre Aussagen bis zum heutigen Tage nicht überwinden.
    Was ich aber im Laufe der Zeit hier zu lernen hoffe, ist, dass ich einen literarisch hochwertigen Text als solchen auch (an)erkenne und von meinen persönlichen Vorlieben und Abneigungen zu abstrahieren lerne (so wie sandhofer das mit Zola angedeutet hat). Nur kann ich diese Übung nicht mit Frau Jelinek beginnen.

  • Oft sprechen solche "Nestbeschmutzer" auch wahre Dinge an. Die Politik ist derart heuchlerisch und falsch. Da können gerade solche Autoren helfen, sich nicht "zu gut" zu fühlen. :breitgrins:


    Übrigens: Hast Du nicht gerade auch ein bisschen arg Dein Heimatnest beschmutzt? Was höre ich da? Anbiederungsmentalität? :breitgrins: :breitgrins:
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    Da hast Du ganz recht gehört, liebe Evelyne! Wir biedern uns nur allzu oft und gerne an!!
    Vielleicht kannst Du Dich an das Theater erinnern, dass die Grazer Politiker mit der Umbenennung des Arnold Schwarzenegger-Stadiums betrieben haben. Dabei ist Schwarzenegger schon viel länger amerikanischer Staatsbürger als er Österreicher war. Über diese Tatsache täuscht auch das Klischee des apfelstrudelessenden heimatverbundenen Arnies (der der deutschen Sprache kaum noch mächtig ist) nicht hinweg. Man lasse ihn doch seinen Weg in USA gehen und als Gouverneur tun und lassen, was er will. Warum müssen wir denn ununterbrochen voller Stolz darauf hinweisen, dass er Österreicher ist oder war? Für mich ist er Amerikaner, ausgewandert mit 21 Jahren wie so viele andere.


    Und das, was in der Politik ganz und gar verkehrt läuft oder gelaufen ist, sieht wohl jeder mündige Staatsbürger ganz ohne Hilfe und Hinweise von seiten der Frau Elfriede Jelinek (wobei man ja auch nicht unbedingt immer ihrer Ansicht sein muss). Zu diesem Zwecke bräuchten wir sie ja nun wirklich nicht. Ich hoffe, dass sich darin nicht der Sinn ihrer Arbeit erschöpft.


    Und jetzt muss ich mir zur Beruhigung irgendeinen schönen Gedichtband (vielleicht vom Herrn Geheimrat) ins Bett mitnehmen.


    Eine angenehme gute Nacht allseits, wünscht Madeleine.

  • Als Deutscher sollte man sich eigentlich nicht in innerösterreichische Angelegenheiten mischen (das könnt Ihr umgekehrt viel besser; Ihr schickt uns einen einfachen Gefreiten, und wir machen einen Diktatoren daraus ... :teufel:). Trotzdem: Eure kleine Diskussion über Elfriede Jelinek, Nestbeschmutzung, Anbiederei etc. gefällt mir in seiner unnachahmlichen Mischung aus Selbstironie und Selbsthass - das ist Habsburg, das ist Österreich! Lang möge es leben - und nix für Ungut!


    Liebe Grüße


    Sir Thomas


  • Als Deutscher sollte man sich eigentlich nicht in innerösterreichische Angelegenheiten mischen (das könnt Ihr umgekehrt viel besser; Ihr schickt uns einen einfachen Gefreiten, und wir machen einen Diktatoren daraus ... :teufel:). Trotzdem: Eure kleine Diskussion über Elfriede Jelinek, Nestbeschmutzung, Anbiederei etc. gefällt mir


    In der Tat war es die größte Marketingleistung Österreichs, Hitler in einen Deutschen und Beethoven in einen Österreicher zu verwandeln :zwinker:



    CK

  • In der Tat war es die größte Marketingleistung Österreichs, Hitler in einen Deutschen und Beethoven in einen Österreicher zu verwandeln :zwinker:



    CK


    Sind wir Österreicher nicht ein geniales Völkchen?

  • Eure kleine Diskussion über Elfriede Jelinek, Nestbeschmutzung, Anbiederei etc. gefällt mir in seiner unnachahmlichen Mischung aus Selbstironie und Selbsthass - das ist Habsburg, das ist Österreich! Lang möge es leben - und nix für Ungut!


    Liebe Grüße


    Sir Thomas



    Aber nein, Sir Thomas, wie könnte ich Dir denn gram sein?!
    Da hältst Du Dich womöglich noch mit Deinen Buchempfehlungen zurück, und das will ich in keinem Falle riskieren.


    Auf eine interessante deutsch-österreichische (Literatur)Freundschaft


    freut sich Madeleine.

  • Hallo zusammen


    Ich denke, Elfriede Jelinek hat die Funktion eines (politischen) Schriftstellers richtig erkannt: das Gewissen des Volkes, ungeliebt, aber notwendig, damit die Politik nicht allzu sehr abhebt. Der 2.Weltkrieg hat ja gezeigt, wie wenig mündig sich das Volk oft verhält. Deshalb wurden Intellektuelle und Schriftsteller als Erstes zum Schweigen gebracht.


    Allein schon deshalb bin ich strikt gegen einen Maulkorb für Elfriede Jelinek und alle unbequemen Schriftsteller.

  • Ob nun alle Politiker zur Meinungsbildung Elfriede Jelinek lesen, weiß ich nicht, aber der ehemalige steirische LR Gerhard Hirschmann hat kürzlich in aller Öffentlichkeit kundgetan, dass er in seinem ganzen Leben noch nie einen Akt gelesen hat. Wie er es mit Schriftstellern als politischem Gewissen hält, hat er leider nicht verraten.


    Ob das Volk heute mündiger wäre als es vor 70 Jahren war, möchte ich ebenfalls nicht beurteilen müssen.
    Meine Großmutter, die diese Zeit miterleben mußte, hat mir jedenfalls oft erzählt, dass in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit wenig bis keine Energie für große Ideale übrigblieb. Die Sorge um die Kinder und um die Ehemänner, die in den Krieg ziehen mußten, beherrschten das Leben der einfachen Frauen. Und wie hätte denn meine Großmutter, die mit Mühe allein ihren Acker bestellte, ihre Ziegen fütterte, ihre Schwiegermutter und meine Mutter, die damals noch in den Windeln lag, betreute, Einfluß auf eine Politik nehmen können, über die sie kaum etwas wußte? Sie machte sich hauptsächlich darüber Sorgen, ob mein Großvater den Krieg überleben und wieder heimkehren würde. Oder hätte sie als politisches Gewissen nach Wien oder Berlin fahren und dem Herrn Reichskanzler die Welt erklären sollen?
    Mit Arbeit versorgt, wohlgenährt und relativ sorgenfrei lebend, hat man es als "nationales Gewissen" vielleicht um eine unbedeutende Spur leichter.