Beiträge von Zefira

    Danke für den Hinweis! Ja, endlich wieder Lovecraft lesen ...

    ... nur, ich hab das alte suhrkamp taschenbuch 29, Cthulhu, Geistergeschichten. Deutsch von H.C. Artmann, Vorwort von Giorgio Manganelli. 3. Auflage 1975. Gerade mal rausgezupft. Und da ist "Das Grauen von Dunwich" drin. Kannst du den Link auf die neue Serie posten? Ich krieg das auf die Schnelle nicht raus ...

    Du hast sicher recht. Ich habe ja das gleiche TB, kann es aber in meinen Lovecraft-Sammlungen gerade nicht finden. (Ich habe da so viele verschiedene Ausgaben, dass ich den Überblick verloren habe, und als ich mir letztes und vorletztes Jahr die "großen kommentierten Ausgaben" gekauft habe, habe ich überdies einen Teil der TB in die Kellerregale verfrachtet ...)

    Links hier:
    Cthulhus Ruf (habe ich mir bestellt)
    Das Grauen von Dunwich (ab Dezember zu haben)
    Berge des Wahnsinns Teil 1
    Teil 2

    Mehr habe ich auf die Schnelle nicht finden können.

    Sehr zu empfehlen, wenn man sich für Lovecraft interessiert, ist übrigens auch die Graphic-Novel-Ausgabe von Alberto Breccia . Und "Cthulhus Ruf" von Tanabe. Tanabe ist nicht immer gleich gut, aber seine Cthulhu-Darstellungen sind sehr phantasievoll-gruselig, auch wenn man die Geschichten seit Jahrzehnten schon kennt.

    Viele wohlklingende Namen unter den Autoren ... Leider kann ich über die Verlagsseite hinaus nichts laden, auf alle weiterführenden Links kommt eine Fehlermeldung. Nicht mal die Green-Book-Seite kommt. "Content Encoding Fehler" ... Ich versuch es später nochmal.

    Ich habe gerade Freudenkiekser ausgestoßen. Es gibt eine neue Lovecraft-Serie, die gleich zwei Übersetzungen von H.C.Artmann illustriert herausbringt. Das erste Buch habe ich mir eben bestellt, das zweite, "Der Schrecken von Dunwich", erscheint im Dezember, und das kenne ich überhaupt noch nicht!! Das heißt, ich kenne natürlich die Geschichte, aber nicht von Artmann übersetzt. Ich dachte immer, dass Artmann nur die Geschichtensammlung "Cthulhu" übersetzt hat.
    Artmanns Übersetzungen sind nicht texttreu, sondern hinreißende Kunstwerke für sich. Von nebelzerkauten Friedhöfen, schwarzverschleimten Wäldern und schimmligen Bibliotheken hat Lovecraft bestimmt nichts geschrieben, aber dieser Sprachgebrauch, der immer hart am Trash entlangschrammt, passt herrlich zu Lovecrafts Texten. Jetzt freu ich mich auf Dezember wie ein Schnitzel.

    Nach der Saramago-Lektüre - "Das Memorial" - habe ich gerade Lust, noch ein wenig im Historischen zu verweilen, und nehme endlich wieder mal ein Buch aus der Wettbewerbs-Leseliste. "Der Kaiser von Portugallien" von Selma Lagerlöf.
    Ich habe das Buch als Ebook und als HC in beinahe, aber nicht ganz gleichen Übersetzungen. Die Buchausgabe heißt "Der Kaiser von Portugallien", das Ebook "Der Kaiser von Portugalien". Hin und wieder - alle zwei Seiten mal - gibt es einen marginalen Unterschied in Satzbau oder Wortwahl. Ich stehe noch ganz am Anfang.

    Ich habe, wie mehrmals erwähnt, neben der Klassiker-Leseliste noch eine zweite Liste mit Nichtklassikern, die ich dieses Jahr lesen will. Das sind alles Bücher, die schon lange in meinem SUB liegen und nun endlich an die Reihe kommen sollen.

    Smilla und Highsmith sind ja auch nicht unbedingt "Klassiker" im Sinne dieses Forums hier, deshalb zeige ich hier mal diese zweite Liste:



    Wolf v. Niebelschütz: Kinder der Finsternis
    Walerij Brjussow: Der feurige Engel
    John Boyne: Das Haus zur besonderen Verwendung

    Michael Stanley: Kubu und der Tote in der Wüste
    Kerstin Ekman: Schwindlerinnen
    Petra Morsbach: Plötzlich ist es Abend
    Sabrina Janesch: Die goldene Stadt

    Henning Mankell: Daisy Sisters
    Dennis Lehane: Mystic River

    Umberto Eco: Der Name der Rose

    José Saramago: Das Memorial

    Bodo Kirchhoff: Infanta

    Orhan Pamuk: Schnee


    Die ersten sieben (blau markiert) habe ich gelesen, die letzten sechs noch nicht, und ich werde auch die nicht alle schaffen.
    Kann mit zum Beispiel zu dem Kirchhoff jemand was sagen? Ich bin inzwischen gar nicht mehr so sicher, ob ich dazu überhaupt Lust habe.

    Über Maria Stuart habe ich neulich eine Biographie von Margaret George an Land gezogen - auf einem Flohmarkt. Von Margaret George kenne ich schon ihre "fiktive Autobiographie" über Henry VIII. Tudor, die sehr gut recherchiert und geschrieben war, deshalb freue ich mich aufs Lesen - zumal ich gerade zwei Wochen in Schottland war.
    Mit der Klassiker-Leseliste bin ich aber gar nicht weitergekommen. "Pelle der Eroberer" habe ich aufgegeben, weil mir nun schon zum zweiten Mal an Anfang von Band 2 die Luft ausging. Ich möchte auf jeden Fall wenigstens noch das kleine Buch von Lagerlöf "Der Kaiser von Portugalien" lesen und vielleicht "Das letzte Abenteuer" von Doderer. Den Henry James werde ich sicher nicht mehr schaffen, aber vielleicht noch Mérimee und Döblin, mit etwas Glück.

    Bei mir liegt sie auch ... auf dem Reader.


    Derzeit lese ich "Plötzlich ist es Abend", wieder Petra Morsbach. Frau Morsbach hat in den Achtzigern in Leningrad studiert und in dieser Zeit Unmengen Geschichten erlebt und gehört, die sie in diesem Buch verarbeitet hat. Es geht um eine Familie, hauptsächlich um eine Frau namens Ljusja, deren Lebensweg fast komplett erzählt wird (sie ist, wenn ich mich richtig erinnere, in den Zwanzigerjahren geboren), und die Autorin breitet an dieser Ljusja und ihren Familienmitgliedern, Freunden und Nachbarn beispielhaft eine Unzahl von Anekdoten aus der Sowjetunion aus. Wie Ljusjas Mutter direkt nach der Nachricht von Stalins Tod das ganze Haus putzt, dabei lachend vor Freude, dass sie ihn überlebt hat - das ist eine unvergessliche Szene, und Szenen dieser Art gibt es viele. Ein tolles Buch, sicher eines der besten, die ich in diesem Jahr hatte. "Opernroman" von Morsbach bleibt zwar mein Favorit, aber "Plötzlich ist es Abend" folgt jedenfalls gleich darauf.

    Ich beende gerade "Justizpalast" von Petra Morsbach. Das Buch ist ein Milieuroman, ganz ähnlich wie der "Opernroman", auch in Stil und Personenführung. Sehr amüsant, in Morsbachs typisch-spritzigem Stil geschrieben, humorvoll und oft auf tröstliche Weise "menschelnd".

    Iwan Gontscharow, Oblomow. Zum, ich glaub, vierten Male. Diesmal die Übersetzung von Vera Bischitzky. Hanser, Lizenzausgabe der WBG (die längst keine Dünndrucklizenzen von Hanser oder Winkler mehr macht).

    Als Kontrastprogramm für die Mittagspause im Büro: Witold Gombrowicz, Pornographie. Hanser. Das liegt mit dem Cover nach unten auf dem Schreibtisch, damit's niemand sieht :D

    Wie gefällt dir denn der Gombrowicz? Ich kenne nur "Die Besessenen", das gefiel mir aber so gut, dass ich immer wieder mal daran denke, noch ein weiteres Buch dieses Autors zu lesen.

    Mir wird die nicht-wertende Haltung des Erzählers manchmal ein bisschen zuviel. Zum Beispiel an der Stelle, an der Barrals erste Frau Fastrada, die als Haushälterin beim Sultan gelandet ist, davon berichtet, wie sie von achtzig Piraten vergewaltigt wurde. Auf die entsetzte Frage, wie es komme, dass sie das überlebt habe, antwortet sie verschmitzt: "Ich hatte einen recht lebhaften Gemahl."
    So etwas gehört eindeutig ins Märchenreich, aber das gilt ja mehr oder weniger für das ganze Buch.
    Und ja, jetzt habe ich es endlich ausgelesen.


    Den schönsten Satz habe ich mir angemerkt. Da steht in einem Roman, der im zwölften Jahrhundert zwischen Frankreich, Spanien und der Lombardei spielt, der Ausspruch der Königin Beatrix: "Wenn es nach mir ginge, ginge ich mit Roana in die Wetterau, bis der vor drei Jahren erbetene Brief in der Pfalz Gelnhausen eintrifft."
    Gelnhausen, das liegt eine halbe Autostunde von hier. Schöne Grüße an Beatrix!

    Mit dem habe ich meinen Gombrowicz auch angefangen - heute denke ich, das war die falsche Reihenfolge. Kosmos oder Pornographie, das wäre zum Einstieg eher etwas, da kannst du leichter studieren, wie diese Art zu schreiben funktioniert. Es ist, so habe ich das mal formuliert, eine Art Antipodie zum magischen Realismus: dieser sucht die okkulten Ausblicke aus der Realität heraus, Gombrowicz kehrt die Perspektive um und schaut aus erratischen Perspektiven auf eine Welt, die natürlich fiktional ist, aber realen Gesetzmäßigkeiten folgt..

    "Kosmos" klingt sehr interessant, das habe ich mir mal auf die Wunschliste gelegt. Danke!

    Zola mag Lourdes auch nicht besonders. Das Buch hat seine Längen, aber seine Charakterschilderungen finde ich nach wie vor phantastisch. Von der Städtetrilogie fand ich nur "Rom" ziemlich langweilig und auch inhaltlich fragwürdig (die Utopie eines idealen Kirchenstaats, die Zola da entwirft).

    Ich habe mal wieder ein Buch aus dem Ebook-Vorrat: "Zur See" von Dörte Hansen.
    Gefällt mir sehr gut, obwohl die Handlung bisher sehr episodisch ist; aber ich habe kein Problem damit, auch wenn es die ganze Zeit so bleibt. Ist mehr eine Milieubeschreibung, aber sehr ausdrucksvoll.

    "In einer Zeit, von der man heute zu sagen pflegt: Wer mit 23 nicht starb, mit 24 nicht ertrank und mit 25 nicht ermordet wurde, muss Gott für das Wunder danken."


    So charakterisiert Ruprecht, der Ich-Erzähler in "Der feurige Engel", seine Jugendjahre. 1504 wurde er in Losheim geboren, einem Städtchen im Dreiländereck zwischen Trier und Saarlouis. Er besitzt Menschenkenntnis und Lebenserfahrung: Sich selbst schätzt er nicht geringer ein "als jene, die sich eines zwei- und dreifachen Doktortitels rühmen", aber was er weiß, hat er nicht auf der Schulbank gelernt: "Von Jugend an war mir jede sitzende Beschäftigung zuwider", zur Enttäuschung seines kleinbürgerlichen Vaters. Ruprecht war Landsknecht, Söldner, Kaufmannsgehilfe und hielt sich etliche Jahre in "Neu-Spanien", also in Lateinamerika, auf. Mit ein paar Ersparnissen kehrt er zurück und hofft, nun endlich die Anerkennung seiner Familie zu erfahren. Doch auf dem Heimweg begegnet er Renata, die seine Hilfe begehrt. Viel mehr als ihren Namen erfahren wir nicht; was sie Ruprecht über ihre Herkunft berichtet, mag er selbst nicht recht glauben.


    Renata ist auf der Suche nach ihrem Exgeliebten, einem Grafen Heinrich, von dem sie überzeugt ist, er sei in Wirklichkeit der Engel, der ihr schon in ihren Jugendjahren im Traum erschien. Der von dem schönen, vor Sehnsucht wie verklärten Mädchen faszinierte Ruprecht reist mit ihr nach Bonn und nach Köln. Auf seine Kosten teilen die beiden Zimmer und manchmal Bett in den Herbergen - ihr näherzukommen, ist ihm nicht gestattet, da Renata sich für ihren Engel bewahrt. Der ritterliche Ruprecht hat nicht komplett den Verstand verloren: so teilt er sein Geld in drei Teile auf, das erste Drittel will er für Renata ausgeben, das zweite sparen; das dritte sollen seine Eltern bekommen, sobald er wieder zu Hause anlangt, und das soll spätestens nach drei Monaten der Fall sein - bis dahin höchsten will er Renata zu Diensten bleiben. So sein Plan - der natürlich nicht eingehalten wird; Renata hat ihn binnen kurzem fest an sich gebunden. Dabei benimmt sie sich zeitweise wie eine Verrückte, verlangt von ihm heute dies und morgen das Gegenteil, verspricht ihm an einem Tag die Ehe und erwartet am nächsten, dass er sich für sie im Zweikampf töten lasse. Man müsste Ruprecht für vollkommen verblendet haten, machte er nicht im allgemeinen einen handfesten und sehr vernünftigen Eindruck. Je weiter aber die Geschichte fortschreitet, umso mehr verliert er sich gleichsam selbst: "Instinktiv war ich nach wie vor um mein Leben besorgt, obwohl es mir als ganz wertlos erschien".



    "Da ich es mir von jeher zum Grundsatz gemacht habe, etwas Geschehenes nie zu bereuen, war ich darauf bedacht, die Reise mit Doktor Faust in vorteilhaftem Lichte zu sehen."

    Es bestünde kein Anlass, Ruprechts Beweggründen so genau nachzuspüren, wenn wir eine klassische Abenteuergeschichte vor uns hätten, in der die Menschen nach literarischen Schablonen handeln. Doch der Verfasser Walerij Brjussow, geboren 1872 in Moskau, ist ein ambitionierter Stilist, der sich als Russlands Antwort auf Verlaine und Poe verstand. Seine historischen Romane sind sehr genau recherchiert (Brjussow studierte eingehend die historischen Grundlagen, zeichnete Gewänder, Gerätschaften und Hausgrundrisse) und führen einige bekannte Persönlichkeiten vor, in "Der feurige Engel" zum Beispiel den Universalgelehrten Agrippa von Nettesheim und den Wunderheiler und Alchimisten Johann Faust mitsamt seinem mitreisenden Diener, dem komödiantischen Mönch Müllin (genannt Mephisto). Die Stationen der Reise, die man leicht auf der Karte nachvollziehen kann, sind so bildhaft geschildert, dass ein zeitgenössischer Rezensent glaubte, der Verfasser sei Deutscher, wie der Herausgeber Frank R. Schenk in seinem Nachwort berichtet. Der Stil dieses hinreißenden phantastisch-historischen Romans ist jederzeit genau und treffend und der Natur des so vernünftig-unvernünftigen Erzählers Ruprecht angepasst.


    Wie das Nachwort herausstreicht, befinden wir uns in einer Zeit "großer naturwissenschaftlicher Entdeckungen, zugleich auch tiefer existenzieller Unsicherheit" - Ruprechts Bemühungen, die Welt abwechselnd nach magischen und wissenschaftlichen Begriffen zu verstehen, entsprechen vermutlich dieser Zeit. Als Beispiel sei erwähnt, wie er bei einer Inquisitionsszene, bei der er als Schreiber mitwirken muss, kaum an sich halten kann, die Inqusitoren zu beleidigen: wie die Notwendigkeit der Folter mit himmelwärts gedrehten Augen gerechtfertigt wird, treibt ihm die Galle ins Blut. Betitelt ist dieses Kapitel jedoch mit den Worten: "Wie der Erzbischof mit Exorzismen (...) gegen die Dämonen kämpfte", was eigentlich nur ironisch gemeint sein könnte, wenn Ruprecht Neigung zur Ironie hätte. Die zeigt er jedoch nirgends - andererseits ist diese merkwürdige Doppelgesichtigkeit für seine Erzählweise typisch und macht einen großen Teil des Lesereizes aus. Man weiß eben nie genau, wie man dran ist mit dem so aufrechten, integren Ruprecht, der sich gern gut kleidet und "einen wackeren Degen führt". Ein Erzähler, der uns auf Anhieb sympathisch ist und doch bis zuletzt einen Rest Geheimnis bewahrt.

    "Der feurige Engel" erschien zuerst als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift "Vesy" (ab 1907) und 1908 in Buchform; 1909 dann in einer redigierten Ausgabe, der die vorliegende Übersetzung von Reinhold von Walter folgt.

    Danke für den Link, ich habe nicht weniges wiedererkannt in diesem Dialog. Unter anderem mich selbst.

    Ich habe mal eine Bilderserie gesehen über einen gebärenden Mann in der Klinik, in einem Entbindungspool. Es waren schöne Bilder. Ich vermute, so ein Fall kommt einmal unter einer halben bis ganzen Million Geburten durch weibliche Mütter vor. Ich würde mich da als gebärender Mann einfach mitgemeint fühlen und nicht erwarten, dass man meinetwegen den Sprachgebrauch ändert.


    Aber oft sind es ja nicht mal die wirklich Gemeinten, die eine Änderung wollen, sondern die nicht persönlich Betroffenen, die sich einfach mal so richtig schön empathisch fühlen wollen.

    Ich kenne nur wenige junge Leute, vielleicht kann ich nicht mitreden. Ich lebe in der Blase der über 60jährigen. Kürzlich hatte ich eine Diskussion mit meiner 36jährigen Tochter, die so mancherlei, was ic nicht nachvollziehen kann (u.a. genderneutrale Sprache) gutheißt. In unserem Gespräch ging es ums Thema Kulturaneignung. Bei irgendeinem Anlass, vielleicht einem Konzert - weiß ich nicht mehr -, waren nichtfarbige Leute mit sog Afrofrisuren weggeschickt worden.

    Meine Tochter äußerte Verständnis, bezog sich zb auf ein Interview mit einer jungen Frau afrikanischer Herkunft, das sie kurz zuvor gehört hatte, in dem die Frau erzählte, wie sie als Kind wegen ihrer Afrolocken gehänselt worden sei.

    Ich habe darauf geantwortet, dass ich während meiner gesamten Schulzeit wegen meiner pummeligen Figur gehänselt worden bin. Was man mir im Lauf der Jahre für Namen gegeben hat, das mag ich gar nicht mehr aufzählen. Ich leite daraus als erwachsener Mensch keine Verhaltensregeln für andere ab, außer der, dass man andere nicht wegen ihres Aussehens hänseln soll.

    Letztes Jahr las ich "Americanah " von Chimamanda Ngozi Adichie. Tolles Buch, es geht darin sehr oft um Haare. Zum Beispiel, wie eine Frau afrikanischer Herkunft im Friseurladen schon an der Tür abgewiesen wird mit einem hingeblafften ""Wir machen hier keine Krusselhaare". Das ist Diskriminierung. Wenn ich mir als weiße Person Locken drehen lasse, sehe ich keine.

    Ich glaube, dass solche Gedanken schon die Auswirkungen der Identitätsschlachten der letzten Jahre sind und daraus ein Druck entstanden ist, der Dich dazu bringt, Dich vorauseilend zu erklären. Das ist sicher gut gemeint, bringt mich in dem Kontext aber ebenso ins Grübeln. Ich glaube nicht, dass das die richtige Richtung ist.


    Es ist nicht immer klug, sich zu jedem Thema zu äußern, aber das ist eine Binsenweisheit. In einer Debatte muss es aber doch nach den Argumenten gehen und wie diese unterfüttert sind, nicht nach Hautfarbe, Herkunft usw.

    Ja, das stimmt theoretisch. Aber inzwischen kommt ja auch keineswegs diskrimierend gemeinte Fragen wie "woher kommst du denn?" prompt der Rassismusvorwurf. Ich hatte kürzlich einen geschäftlichen Kontakt mit einem dunkelhäutigen jungen Mann, der mir im Lauf des Gesprächs von sich aus erzählte, dass er ursprünglich aus dem Kongo stamme, aber hier zur Schule gegangen sei, usw. Ich fand es sehr interessant, darüber zu hören, aber danach zu fragen, hätte ich mich nicht getraut.

    Im Prinzip steht es uns nicht zu, zu beurteilen, worüber andere beleidigt sein dürfen und worüber nicht. Ich habe mir in meiner Jugend, als es eindeutige alltägliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen gab (ich erspare uns hier Beispiele, kann aber auf Wunsch gern welche bringen), auch anhören müssen "sei doch nicht so empfindlich", wenn ich über den x-ten dummen Spruch irgendwann hochgegangen bin.


    Auf der anderen Seite führt diese Atmosphäre von gezwungener Leisetreterei dann auch zu so absurden Beispielen wie der von der dunkelhäutigen jungen Frau (ich las das mal in der taz), die sich bei dem Liedchen "Wer hat die Kokosnuss geklaut" jedes Mal getriggert fühlt, obwohl es darin ausschließlich um Affen geht. Oder dieses Theater um das Kinderlied "aram sam sam", wenn wir schon mal dabei sind - ein marokkanisches Lied (!), von dem einige Europäer glauben, man dürfe es nicht singen, weil es Muslime beleidigt.

    Der Geist ist aus der Flasche. Man kann seine Hoffnung wohl nur auf eine ferne Zukunft richten, in der die Ethnien so durchmischt sind, dass alle Menschen gleich aussehen. Dann ist Ruhe.