Beiträge von Leseigel

    Wie gefällt es Euch, dass auf der Seite des Buchpreises nur Hörproben zu finden sind? Mir persönlcih sind Leseproben lieber. Bei einigen der Hörproben mag ich die Stimme und die Art zu lesen überhaupt nicht - zumal es noch nicht einmal die Autoren bzw. Autorinnen selbst sind, die lesen.

    Ich habe noch keine von diesen Hörproben ausprobiert. Ich dachte auch die Bücher würden von den Autoren selber vorgelesen, sonst wäre eine Leseprobe ja viel besser.

    Für mich ist das eine sehr wertvolle Diskussion. Es ist sehr sehr lange her, dass ich den Wallenstein gelesen habe, aber mit so vielen anschaulichen Hintergrundinformationen fühlt man sich direkt in die Zeit zurückversetzt. Man ist im Theater mit dabei und sieht sich die Urauführung an (und darf sich sogar den Platz aussuchen) oder man sieht den Schiller in der Schenke sitzen und sich ein Gläschen leisten.


    Auch die Korrepondenz zwischen Form und Inhalt finde ich sehr interessant, besonders hier, ich zitiere finsbury:

    "Dieser Teil der Dramentrilogie ist im Knittelvers verfasst, einem freien Versmaß, dessen Vers-Enden sich nur im Paarreim reimen müssen, was aber bei Schiller auch nicht immer zutrifft. Schiller benutzt den Knittel-Vers in diesem ersten Teil, um die rauen Stimmen der Söldner und anderen Fußvolks auch in der Versform zu unterstützen. Zudem ist der Knittelvers das beliebteste Versmaß der Jahrhunderte vor und während des Dreißigjährigen Krieges. In den beiden anderen Teilen wechselt der Autor dann zu jambischen Versen, um die Tragik des Dargestellten zu betonen. Man könnte also fast sagen, dass das "Lager" der Buffo-Teil der Trilogie ist, wozu auch die farbigen Typen passen, die hier zur Darstellung kommen. Dass die Bauern die größten Opfer im Dreißigjährigen Krieg darbringen mussten, ist bekannt. Zusätzlich zu dem, was Karamzin oben ausführt, kommt noch, dass vielen der geschädigten Bauern gar nichts anderes übrig blieb, als sich selbst für die Heere anwerben zu lassen. So wird es wohl zu engen Verquickungen zwischen Landbevölkerung und Söldnern gekommen sein: Diejenigen, deren Heimat und Broterwerb zerstört worden war, verwüsteten an anderer Stelle die Lebensgrundlage ihrer Standesgenossen." Dadurch wird doppelt angezeigt, welchen Splatz und welche Rolle den verschiedenen Ständen im Spiel eingeräumt wird.


    Und nicht zuletzt die angeregte Diskussion über die Sprichwörter. Ich wusste nicht, dass die bei Schiller so häufig waren.


    Vielen Dank an euch!

    Nachdem "Erzengel Gabriele" der religiösen und moralischen Starre von Daniels Kirche mit ihren moderneren Ansichten und ihrer Musik die Stirne bietet und anschliessend zurückweisst, setzt der Schnnesturm ein, der alles Alte zerstört, vor allem auch den baufälligen Schuppen, der den alten Pfarrer und seine altmodische viereckige Ordnung darstellt. Ich denke, Johannes kommt durch seiner Beziehung zu Gabriele zu der Erkenntnis, dass die Einstellung seines Vaters zur Religion nicht die einzig Mögliche ist und dass er dazu berufen sein könnte eine neue, wohl flexiblere, Kirche einzuführen.

    Ich denke auch, dass es eine Marketing-Strategie ist. Die Epubs sind wahrscheinlich nicht schwer zu finden, da die Bücher wohl alle gemeinfrei sind. Nur eben unter dem alten Autorennamen.

    Das ist ein interessante Kampagne, Dostoevskij, und ich verstehe, dass sie rehabilitiert werden sollen, aber ich bin da sehr ambivalent. Ich frage mich da immer, wie das bei den Schriftstellerinnen selber ankommen würde, wenn sie noch leben würden. Bei den Brontë Schwestern hat es ja gut geklappt, aber dafür hat damals die Charlotte noch selber gesorgt.

    Ich fand den Kehlmann, als ich ihn las, ganz OK. Nur habe ich später immer wieder gelesen, dass er mit den biographischen Daten sehr phantasievoll umgegangen sein soll. Klar, ist ja ein Roman und keine Biographie. Nur leider wird er seit diesem Roman als _die_ Kapazität über Gauß und Humboldt betrachtet und somit werden seine "Fakten" perpetuiert. Und das ist nicht OK.

    Ich weiss nicht, ob ich zwei Zitate im selben Post unterbringen kann, also das nächste ist die Antwort von Zefira:

    "Ja, das scheint zu stimmen: Ich habe mich vor Jahren mal mit einem damaligen Kollegen meines Mannes unterhalten, der sich intensiv mit Humboldt befasst hat. Er war auf den Film und das Buch derart schlecht zu sprechen, dass er richtig wütend wurde. Es gäbe ein ganz falsches Bild. Ich möge, wenn ich mich für Humboldt interessiere, seine eigenen Schriften lesen und Kehlmann in die Ecke stellen, wo er hingehöre."


    Das Problem scheint mir hier nicht der Roman von Kehlmann sein, sondern wie weit man allgemein Wissenschaft und Literatur trennt. Z. B. da es gerade ein Leseforum darüber gibt, könnte man genauso fragen, wie weit sind die Darstellungen der historischen Figuren bei Schiller wirklich historisch getreu?


    Kehlmann hat recherchiert, denke ich, vor allem in den Bios beider Wissenschaftler, dann hat er aber mit einer Mischung von Liebe und postmoderner Irreverenz "seine" Geschichte geschrieben mit "seinem" Gauss und "seinem" Humboldt. Wenn Jemand eine Katze als Hase kaufen will, dann darf er das natürlich. Im Übrigen freut er sich wahrscheinlich königlich über die ganze Diskussion, denn sie führt dazu, dass mehr Leute das Buch lesen, um sich eine eigene Meinung zu bilden.

    Mich freut, dass eine Diskussion über das Buch enstanden ist, es ist ja ein Werk , was zur Zeit anscheinend noch viel gelesen wird.

    Meine Tochter liest dieses Buch gerade, und sie sagte mir, sie fände es stilistisch so grottenschlecht, dass es aus ihrer Sicht gleich danach ins Offene Regal dürfe.

    Nun hat meine Tochter schon einen sehr eigenen Geschmack, aber was sie als typisches Problem zeitgenössischer Romane anführt (sie liest sehr viele Klassiker), ist, dass sie den Eindruck hätte, jede einzelne Szene dieses Buches sei im Hinblick auf spätere Verfilmung geschrieben - ohne jedes narrative Moment, einzig nach dem Prinzip "show, don't tell" (ein Prinzip, das sie verabscheut).


    Ich selbst kenne das Buch (noch) nicht, aber den Film, und den fand ich schon ganz okay.

    Das Buch werde ich auf alle Fälle lesen, ehe Tochter es wirklich ins Offene Regal stopft. Danke jedenfalls für die Gegenstimme zu ihrer Kritik.

    Ich fand das Kommentar deiner Tochter interessant, dass der zeitgenössischer Autor sehr oft schon zur Filmindustrie rüberlinst, und ich finde dass bei Kehlmann durchaus möglich. Ich habe das Buch nicht von dieser Sicht aus gelesen und ich kenne den Film nicht, aber zu mindestens überwiegen die Szenen des Romans die rein erzählerischen Momente.

    Aber der Kehlmann scheint mir zu gescheit und irreverent zu sein, als dass es nur darum gehen würde.


    Der Roman, obwohl in dritter Person, ist überwiegend nach der Perspektive des jeweiligen Protagonisten geschrieben. Da gehen manchmal absichtlich Zusammenhänge verloren. Z. B.-Am Ende eines Kapitels befinden sich Humboldt und Bonplant in einem Unwetter verlassen auf einer Insel. Dann tauchen sie das nächste Mal schon bei einer Expedition in die Anden auf. Der konsequente Leser möchte natürlich wissen, wie die beiden von der Insel weggekommen sind. Er bekommt aber nur ungenügend Antwort darauf, da beide sich nicht mehr genau erinnern können, wie sie da weggekommen sind.


    Ich denke, der Author treibt da auch ein bisschen sein Spielchen mit den Lesern. In einem Roman, wo es die ganze Zeit um die Vermehrung des Wissens geht, werden den Lesern absichtlich auch ein paar Wissenslücken serviert. Heutzutage ist man sich ja eher der Grenzen als des Aussmasses der Wissenschaft bewust.

    Ich weiss nicht, ob hier der richtige Platz ist um eine Bewertung einzustellen. Kann gern geändert werden.


    Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann



    Es ist noch einziemlich neuer Roman, wahrscheinlich hier sehr bekannt.

    Auf den ersten Blick, handelt er von den beiden Wissenschaftlern Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauss. Gauss sucht mit seinem Fernrohr die Sterne ab, Humboldt den Horizont; Gauss entwickelt mathematische Formeln, Humboldt studiert alle konkrete Stücke Natur, die er in die Hände bekommt; Gauss vermisst seine Heimat, Humboldt alle Teile der Welt, die er unter seine Messgeräte bekommt.



    Kehlmann hat sich für den Roman gut eingedeckt, er hat verschiedene Bios der beiden Wissenschaftler gelesen und wohl auch sonstiges. Das Bild, dass er von beiden Wissenschaftlern entwirft (und das der deutschen wissenschaftlichen Gemeinde eher misfiel) zeigt die beiden Herren vor allem mit ihren Schrullen und Merkwüdigkeiten, manchmal in humorvollen aber auch manchmal in sehr ernsten Ton. Dadurch werden sie den Lesern sehr nahgebracht. Wer wird den mysantropischen Gauss vergessen, der sich wie ein zweijähriges Kind aufführt, als er zu einem Event zu seinem Ehren muss; wer den obssessiven Humboldt, dem alles egal ist, solange er seine Messgeräte benutzen darf.Wobei es dann auch unwichtig ist, ob jedes Detail stimmt. Kehlmanns Protagonisten stehen lebendiger vor dem Leser, als es wohl ihre Originale tun würden.



    Auf einen anderen Niveau gesehen, ist Die Vermessung der Welt aber auch ein gefühltes Schwannenlied auf das Zeitalter der grossen Wissenschaften. Nicht umsonst sind der Author und seine Protagonisten Deutsche. Es geht nicht darum die Grössen der Letzteren zu zeigen, die gehören in ein anderes heroischeres Zeitalter (Napoleon schickt selbstbewusste Grüsse), sondern um ihre grossen und kleinen Schwächen, ihre Versagungsmomente, ihr mühsames, einsames und trauriges Altern.



    Und man hegt den dunklen Verdacht, dass die Welt sich zwar vermessen und auf Karten verzeichnen lässt, sich aber ihre Unberechenbarkeit vorbehällt. Somit sind wir in der heutigen Zeit angelang. Kehlmann hat es meiner Ansicht nach sehr gut verstanden, dieses historische Thema ab der heutigen postmoderne Perspektive zu behandeln.

    Danke für die Zusammenfassung dieses Kapitels, Zefira.

    Ich glaube, der Schuppen hat eine eher symbolische Bedeutung. Mein erster Eindruck war, die Geschichte würde sich um die Opposition zwischen dem Pfarrer und den Bauern drehen, wo der Schuppen ja der Anlass war, und dann kam auf einmal die Situation mit der Gabriele.


    Ich habe den Eindruck, der Pastor fühlt den Sohn während des Gesprächs in diesem Kapitel die ganze Zeit auf den Zahn, um zu sehen, wie weit er schon zur "Feindin" Gabriele übergelaufen ist. Er ist dann gewissermassen beruhigt, als er feststellt, dass der Sohn weiter auf seiner Seite ist.


    Zur selben Zeit erreignet sich die Klavierszene zwischen Gabriele und Ihrer künftigen Schwiegermutter. Die Szene ist schon deshalb aussergewöhnlich, weil die Sprache, die zwischen diesen zwei Frauen nicht recht zu Stande kommt, durch die Musik ersetzt wird.


    Kielland macht aus der Wilhelminne Jürges, in ihrer Unterwürfigkeit gegenüber ihrem Manne, fast eine Karikatur. Sie ist eine Art Engel im Haus, der sich die ganze Zeit für ihren Mann und ihre Kinder opfert. Ihre eigene Individualität ist abhande gekommen. Durch die viele Hausarbeit beansprucht, sind ihre intelektuellen Fähigkeiten eingegangen, sie kann kaum noch inteligenteren Gesprächen folgen. Ihr Mann, dem nicht bewusst ist, dass sie seinetwegen so geworden ist, hätte lieber eine salonfähigere Frau.


    Aber Minne hat eine ausserordentliche Sensibilität, sie merkt jede Gemütsveränderung ihres Mannes. So sieht sie dann auch gleich, dass Gabriele, die sie wahrscheinlich mit den Augen ihres Mannes betrachtet, nicht die richtige Braut für ihren Sohn ist. Die ist viel zu unabhängig. Wie Gabriele ihr aber dann später vorspielt, werden die Erinnerungen, die in ihr aufsteigen, unerträglich.

    @sandhofer- Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich hatte nur deinen letzten Post mit Zitat gesehen, als ich meinen vorigen Post schrieb und nicht, das Zefira inzwischen eine weitere Zusammenfassung geschrieben hatte. Da dachte ich, es bezog sich auf die Zusammenfassungen der Kapitel überhaupt.


    Ist alles klar Zefira, es war ein Missverständnis.

    Also, da bin ich etwas anderer Meinung, sonst würde ich mir nicht die Mühe nehmen, die Kapitel zusammenzufassen.


    Beim Zusammenfassen gewinnt man meiner Meinung nach, eine bessere Übersicht, um dann auch zu einer Beurteilung der Erzählung zu kommen. In meinem anderen Forum hat das schon sehr gut funktioniert.


    Ausserdem habe ich beobachtet dass bisher sich hier zwar niemand zu dem Inhalt der Geschichte geäussert hat, es aber ne Menge Zugriffe gibt. Wenn das nicht alles Roboter sind, zeigt das doch ein gewisses Interesse an.


    Aber, jedes Forum hat seine Sitten. Da, wenn ich es richtig vertstanden habe, die bisherige Ausführung für unütze erklärt wurde, zieh ich mich erstmal zurück. Wer will der kann ja weiter machen!

    Im 6. Kapitel beantwortet Pfarrer Jürges den Brief seines Sohnes. Er verbirgt nicht seine Freude darüber, dass sein Sohn sich eine Braut aus angesehener und reicher Familie nimmt. Er sieht es gewissermassen als eine Belohnung an, dass dem Sohne alle Schätze beschert werden sollen, denen er selbst entsagt hat. Was dann aber auch wieder zeigt, dass seine Werte im Wesentlichen dieselben geblieben sind.

    Natürlich bleibt da weiter das kleine Problem, dass das Mädchen dem Theologiestudent das Versprechen abgenommen hat, nicht Pfarrer zu werden. Daniel Jürges rät dem Sohn der Sache erstmal aus dem Weg zu gehen und sein Mädchen zu Ostern in die Pfarre zu Besuch zu bringen.


    Das 7. Kapitel findet dann auch Johannes und Gabriele (so heisst das Mädchen) auf dem Weg zur Pfarre. Interessant ist, wie gleich in diesem ersten Moment gezeigt wird, wie beide zwar nebeneinander im Schlitten sitzen, aber getrennt ihre eigenen Gedanken verfolgen.


    Johannes freut sich auf seine Heimkunft. Er freut sich auch darüber, dass der Vater von ihm nicht dieselben Entsagungen erwartet, die er sich seinerzeits selbst auferlegt hat. Anders als früher sein Vater, ist Johannes eher jemand, der von der Gesellschaft übersehen wird. Deshalb denken mehrere Verwandten von Gabriele, dass er sich aus Berechnung um sie beworben hat.


    Gabriele ihrerseits erinnert sich daran, wie sie sich in Johannes verliebt hat. Wichtig ist dabei, was da über die weibliche Perspektive am Ende des 19. Jahrhunderts ausgesagt wird. Einmal verheiratet, wie man dass bei der Wilhelminne Jürges sehen kann, wurde von den Frauen meistens erwartet, dass sie ganz für Mann und Familie lebten, egal ob sie sonst andere Interessen und Begabungen hatten. Gabriele ist das junge noch ledige Mädchen aus angesehener und reicher Familie, das reden und lassen kann und kritisieren kann, wen sie will,"bis ihre Unmündigkeit durch eine christliche Ehe einst besiegelt würde." Nachdem sie diese Unmündigkeit festgestellt hat, verliebt sie sich in den einzigen Mann, der sie wirklich ernst nimmt. Sie hat auch die Zuversicht, dass es ihr gelingen wird, seinen engen Ausblick zu erweitern.


    Im Pfarrhaus wird sie zwar gut empfangen, sie merkt aber gleich dass sie in einem sehr quadratischen Millieu gelandet ist. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und Daniel Jürges kommen schon am Abend bei einem ersten Gespräch stark zum Vorschein. Vobei der Pfarrer überlegen die Ansichten seiner künftigen Schwiegertochter besonders zum Thema Reform belächelt und sie sich ihrerseits ärgert, dass er das besprochene Thema (oder sie) nicht ernst genug nimmt.

    Mit Kapitel 4 hast du völlig Recht, aber ich denke der Autor ärgert sich auch.

    Ich habe die Geschichte schon ganz gelesen und habe da einen Vorschlag. Ich schreibe morgen über Kapitel 6 (Antwort des Vaters) und 7 (Ankunft von Johannes und seiner Braut) und du schreibst dann vor deiner Reise über wie viele Kapitel du möchtest. Ich kann die Geschichte dann beenden oder wir warten, bis du wieder mehr Zeit hast.