oh je ... dieser thread hat es ja in sich. einerseits freue ich mich, so ein forum wie dieses gefunden zu haben, und in vielen beiträgen zeigen sich hier höhen als auch tiefen des umgangstons, der vielleicht das boardklima ausmachen könnte. ich werde acht geben. ein umfeld von belesenen menschen ist etwas besonderes, einzigartig wird es dann, wenn trotz jeder selbstverliebten intelligenz oder belesenheit auch noch soziale kompetenzen spürbar bleiben.
ich finde es übrigens überhaupt nicht schlimm, sich darüber den kopf zu zerbrechen, ob ein schriftsteller schwul ist oder gewesen ist. denn ich habe just überhaupt nichts dagegen, und wüsste auch nicht, an welcher stelle so etwas stören könnte. das schwulsein ist schon eine wichtige komponente, die man imo ruhig belichten darf.
zum einen erweist sich bei einigen, ich würde sogar sagen vielen schriftstellern die suche, die sehnsucht oder die sexuelle begierde nach dem gegenstück als kreative antriebsfeder. was beispielsweise würde an gedichten else lasker-schülers noch übrig bleiben, wenn sie ihre sehnsucht aus ihren texten verbannen hätte müssen? hätte nabukov je "lolita", wilde "dorian grey" geschrieben, wenn sie nicht irgendwas hätten verarbeiten wollen? selbst trauer oder liebeskummer ist der antrieb für kreativität, und näher beleuchtet verbirgt sich als ursache dafür nichts anderes als die sehnsucht nach dem erfülltsein mit einem passenden gegenstück. der sexuelle trieb - oder wie immer man es netter bezeichnen will - ist etwas, wofür man ruhigen gewissens dankbar sein kann.
zum anderen tritt bei mann immer wieder zu tage, wie reizvoll er männer oder "knaben" fand. seine beschreibungen nehmen durchaus platz in seinen werken ein. und diese teile lesen sich für mich alles andere als uninteressant. manchmal lassen sich gedanken nur mit diesem hintergrundwissen verstehen.* warum sollte es dann schlimm sein, sich darüber auszutauschen, welcher sexuellen gesinnung jemand ist? der adressatenbezug (ob hingezogen zu mann oder frau z.b.) ist ja schon wichtig.
*ich habe vor kurzem die tagebücher seiner letzten jahre gehört. und ich denke sogar, dass er "schon" starb, weil er nicht tun und lassen und ausleben konnte, was er wollte. ihm fehlte der anreiz. wenn er in seinen aufzeichnungen von einem schönen knaben berichtete, dann flammte sein schreibeifer plötzlich noch mal auf. aber er sah sich vielleicht gezwungen, diesbezüglich bedeckt zu halten. er wollte es ja vllt. den anderen recht machen. am "felix krull" hat er sich so dermaßen gequält und eisern zur disziplin gezwungen. dabei fiel ihm nichts mehr dazu ein. vermutlich seitdem er sich von dem bild der zweieinigkeit vom weiblichen und männlichen der leserschaft wegen verabschieden und alles auf die zweieinigkeit von mutter und tochter reduzieren musst. dabei wünschte er sich sogar, noch einmal von der leidenschaft zum schreiben befallen zu werden. das wäre vielleicht passiert, hätte er sich verliebt wie er wollte und hätte davon in aller freiheit schreiben können.
für viele homosexuelle menschen war es damals eine große bürde, sie mussten sich so sehr verstecken. dabei ist ihre homosexualität imo eine art geschenk. nicht nur für sie selbst, eigentlich für alle ihre mitmenschen. doch diese halten verkrampft manchesmal die augen zu und machen ihnen es schwer. so viele homosexuelle/bisexuelle sind zutiefst feinsinnig und kreativ veranlagt, als hätte das eine mit dem anderen zu tun. und wäre mann vielleicht heterosexuell gewesen, vielleicht wäre er dann ein trockener und staubiger bibliothekar geworden, aber hätte niemals die leidenschaft des schreibens erfahren.
wie man vielleicht lesen kann, bin ich auch deutlich eher ein fan der thomas mann´schen schreibweise. um hesse hatte ich mich auch mal bemüht, aber keinen zugang gefunden. seine gedichte wirken auf mich grob. mir fehlt das feine und subtile oder auf der anderen seite das ausdrucksstarke und makabre. seine metaphern erreichen mich einfach nicht.