Beiträge von finsbury

    Das klingt gut. Ich habe den verlinkten Artikel gelesen. Vielen Dank. Bei den im Artikel genannten Stellen bin ich noch nicht. Meine Übersetzung bildet aber immerhin - glaube ich - ganz gut die Quäkersprache von Kapitän Bildad nach. Ich werde dann mal schauen, wie es ist, wenn die Ahab-Rede zum Moby Dick kommt.

    Das Verhältnis zwischen Quiqueg und Ismael finde ich auch sehr berührend, und es wird schnell noch viel enger. Die beiden lassen sich auch davon nicht beirren, dass andere ihr enges Verhältnis belächeln. Man erhält den Eindruck, dass sich zwei Seelenverwandte gefunden haben, die nicht viele Worte brauchen, um sich miteinander zu verständigen, sondern sich einfach beieinander wohlig und geborgen fühlen. Schön!!
    Gut gefallen hat mir auch die Sprachgewalt des Seemann-Pfarrers gefallen, der die Jona-Geschichte in zeitgenössisches "Matrosisch" übersetzt und eindringlich macht, wenn auch diese Auffassung vom strengen strafenden Gott nicht so recht in unsere heutige Gottesvorstellung passt.
    Hast du schon aus der Biografie etwas über Melvilles Einstellung zum Glauben erfanren? Ismael sieht sich ja als geboren und erzogen im Schoße der unfehlbaren und alleinseligmachenden Presbyterianischen Kirche.(Kap.10)

    Ich komme im Moment nicht schnell voran wegen hoher Arbeitsintensität und entsprechender abendlicher Müdigkeit, halte im Moment im Kapitel 13.


    Dann haben wir beide eine ungekürzte Ausgabe. Auch meine Vergangenheit mit Moby Dick ist lange her … . Es ist wohl tatsächlich das erste Buch der Weltliteratur, das ich gelesen haben, allerdings ebenfalls in einer gekürzten Variante. Ich führe, seit ich zwölf Jahre bin, eine Leseliste, und da taucht Moby Dick hinter vielen Comic-Sammelbänden und Abenteuerbüchern auf Seite 3 auf. Damals habe ich den Roman wohl auch zuallererst unter dem Abenteueraspekt gelesen. Aber im Gegensatz zu den meisten davor und danach stehenden Büchern habe ich diesen hier tatsächlich über diese lange Distanz in einzelnen Szenen abgespeichert.

    Das Werk beginnt ja recht ungewöhnlich mit den ungeordneten und scheinbar oder anscheinend (?) wahllos angeordneten Zitaten in der "Etymologie" und den "Auszügen". Witzig ist die Zuordnung zu dem "ausgezehrten HIlfslehrer" und danach zu einem "Unterunterbibliothekar". Will Melville dadurch ein Szenario der Überforderung angesichts der Fülle der Aspekte zum Wal andeuten?
    Er genießt jedenfalls sichtlich diese bunte Gegenüberstellung verschiedener Quellen, von der Bibel über Weltliteratur hin zu Abenteuerbüchern, mehr oder weniger Sachbüchern und -Artikeln oder Zitaten von Politikern usw. Dennoch sind die Bezüge zur folgenden Geschichte immer wieder sehr deutlich. Nantucket findet immer wieder Erwähnung, und an einer Stelle wird Ahabs Problem schon mal ganz gut auf den Punkt gebracht, in dem Zitat aus Spensers "Fairy Queen":


    Kein Tränklein von des Arztes kund'ger Hand
    kann helfen, so er nicht zurückekehrt

    zu jenem Schützen, der den Pfeil entsandt

    und ihm die Brust mit ew'ger Qual versehrt -

    gleich wie der wunde Wal durchs Meer zum Strande fährt.


    Über diese Zusammenstellung vieler Zitate sind bestimmt mehrere Dissertationen geschrieben worden, da könnte man bestimmt viel entdecken und herausholen. Aber nun zur Handlung.


    Ein toller Romananfang: Nennt mich Ismael. Einfach und gerade deshalb grandios. Die Lesergemeinde wird sofort einbezogen, der Erzähler ist gegenwärtig und eingeführt. DIe Beziehung der Menschheit zum Meer ist dann das weitere Thema und macht sofort klar, dass der Roman über sein eigentliches Sujet hinaus noch eine oder mehrere Bedeutungsebenen hat.
    Da ich gerade den öfter schon erwähnten New York-Roman von Rutherfurd lese, finde ich es besonders interessant, dass hier das Manhattan aus der Mitte des 19. Jahrhunderts von einem wortgewaltigen Zeitgenossen geschildert wird. Die Verbindung der Menschen zur See wird anhand der Insellage Manhattans verdeutlicht.

    Ismael bricht nun auf, um auf einem Walfänger zur See zu gehen, sein Programm, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. In Anbetracht dessen, was kommen wird, heißt das mit Kanonen auf Spatzen schießen, aber so wird er dann auf sein reines Menschentum zurückgeworfen werden. In einer Vorausdeutung wird dieses auch klar:

    Aus diesen Gründen also war mir die Walreise willkommen; die großen Schleusentore der Wunderwelt taten sich auf, und mit den abenteuerlichen Bildern der Phantasie, die mich auf meine Bahn drängten, fluteten Paar um Paar endlose Züge von Walen in meine innerste Seele hinein - in ihrer aller Mitte aber das verhüllte Trugbild, gewaltig wie ein Schneebild im Ätherblau. (Ende erstes Kapitel)

    Nun geht es nach New Bedford, und damit setzt meine Leseerinnerung ein: dieser vom Walfang geprägte Ort an dem dunklen Abend, wo sich Ismael seine Unterkunft nach möglichst wenig Gemütlichkeit aussucht, in der Hoffnung auf günstige Preise und dann nach langer Vorwarnung auf Quiqueg trifft. Diese Begegnung ist mir über die vielen Jahrzehnte ganz frisch in der Erinnerung geblieben: Ismaels Ängste und sein Erstaunen über die Umgänglichkeit seines so martialisch aussehenden Schlafkameraden, der mich heute übrigens wegen seiner schachbrettartigen Tätowierung an Feirefiz, den gescheckten Bruder von Parzival erinnert. Aber ob Melville da auch Parallelen andeuten will ?? Jedenfalls ist Quiqueg eine der tollsten Figuren der Weltliteratur, die ich kenne, und ich freue mich darauf, ihn wieder eine Weile wieder begleiten zu dürfen.

    Im Moment halte ich mich im Kapitel 8, "Die Kanzel" auf und ergötze mich an der Ansprache des wendigen Pfarrers, der seine Kanzel über eine Schiffsleiter erklimmt. Ob ich das noch schaffen würde? Jedenfalls nicht in der eleganten Form, dass ich mich damit den Blicken einer ganzen Gemeinde aussetzen wollte.

    Eine Biografie von Melville sollte ich mir wohl auch anschaffen. Momentan habe ich nur eine autobiographische Kompilation unter dem Titel "Ein Leben" vom btb-Verlag.


     

    In der nächsten Zeit werden Zefira und ich diesen amerikanischen Klassiker lesen, der 1851 erschien.

    Weitere Mitleser und Kommentatoren sind sehr gerne gesehen.

    Ich lese die Übersetzung von Alice und Hans Seiffert in einer Ausgabe der Bibliothek der Weltliteratur im alten Aufbau-Verlag.

    Finnland: Das finnische Epos, im 19. Jahrhundert von Elias Lönnrot nach langer Sammeltätigkeit kompiliert und nachgedichtet
    Schweden: Hjalmar Söderberg: Doktor Glas von 1905, die Beschreibung eine genau geplanten Mordes
    Frans G.Bengtsson: Die Abenteuer des Röde Orm von 1941, eine im Stil der alten Sagas beginnende und endende,
    ansonsten sehr witzige und spannende Wikingergeschichte

    Momentan gönne ich mir einen dicken historischen Roman:

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    "Im Rausch der Freiheit" Original "New York" von Edward Rutherfurd. Der hat ja schon einige historische Romane geschrieben, die anhand der Chronik einiger fiktiver Familien die Geschichte des gewählten Ortes, der gewählten Region aufbereitet. Das gelingt ihm in dem New York-Roman recht gut. Man erfährt auf unterhaltsame Weise recht viel von der Geschichte der Stadt und das aus vielen Perspektiven. Die Kolportage-Elemente halten sich dabei in Grenzen und das historische Material scheint mir, nach ein paar wenigen Stichproben, sauber aufbereitet. Aber es sind 1150 Seiten, die muss man erstmal bewältigen.

    Habe mir den Roman "Vortreffliche Frauen" von Barbara Pym zugelegt.

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    Eine Wiederentdeckung, die Schriftstellerin lebte von 1913 bis 1980, und dieser Roman wurde 2017 von internationalen Literaturkritikern und -Wissenschaftlern zu einem der bedeutendsten britischen Romane gewählt (Quelle Wikipedia). Sie schreibt wohl satirisch, ein bisschen wie Jane Austen. Nachdem ich in den vergangenen Jahren mit großem Genuss Anthony Powell gelesen habe, erhoffe ich mir jetzt ähnlichen Lesespaß mit diesem Roman. Ich werde berichten. Dauert aber noch etwas, weil ich im Moment ein dickes Lesemonster in der Mache habe.

    Firiath, hast du inzwischen "Das grüne Gesicht" gelesen? Sonst wäre es vielleicht etwas für eine Leeserunde im Herbst-/Winterhalbjahr. Auch "Eine Meerfahrt" von Eichendorff wartet bei mir noch auf die Lektüre. Ich bin nächste Woche weg, und im Oktober lese ich mit Zefira den "Moby Dick", aber ansonsten hätte ich Zeit.

    Inzwischen habe ich einen weiteren der wichtigsten Romane von Gaskell gelesen und kopiere hier mal meine Bemerkungen herein:


    Elizabeth Gaskell: Frauen und Töchter

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    Gaskell konnte ihren letzten Roman nicht mehr fertigstellen, sie starb im November 1865, kurz bevor sie das Ende hatte schreiben können. Dennoch ist der Roman so gut wie fertig, das Happy End bahnt sich schon heftig an.


    Zum Inhalt:


    Molly Gibson, Arzttochter in der kleinen Stadt Hollingford, wächst mutterlos heran und erhält mit 17 eine Stiefmutter, ehemalige Gouvernante der führenden Adelsfamilie der Gegend, dünkelhaft wie diese und nur auf ihre Annehmlichkeiten bedacht. Hyacinth, wie sie von ihrem neuen Mann genannt werden möchte, bringt ihre Tochter Cynthia aus erster Ehe mit, die ungefähr im gleichen Alter ist. Mithandelnde sind außerdem noch die Squire-Familie mit den beiden Söhnen Osborne und Roger, letzterer ein aufstrebender Forschungsreisender und Wissenschaftler sowie die ganze Ortschaft mit ihren Gerüchten und Borniertheiten. Die eigentlich liebenswerte und sehr hübsche, aber auch flatterhafte und wenig bindungsfähige Cynthia verlobt sich im Laufe der Handlung dreimal und fügt mit zwei ihrer Verlobungen der ernsthaften und hilfsbereiten Molly großes Ungemach zu.

    Daneben gibt es noch Schicksalsschläge, große Geheimnisse und Liebe auf Umwegen.


    Meine Meinung

    Eigentlich ein netter Unterhaltungsroman, wenn man solche Familien- und Liebesromane gerne liest. Gaskell hat aber aufgrund ihrer Erfahrungen und Veranlagung einen durchaus analytischen Blick auf gesellschaftliche Strukturen, sie entlarvt die sterbende Welt des in seinen Traditionen verharrenden Landadels, aber auch die Engstirnigkeit und Borniertheit der Kleinstädter. Diesen entgegen setzt sie die Menschen der Zukunft, den hart arbeitenden Arzt, die Vertreter von Wissenschaft und Forschung und auch am Rande das Stadtbürgertum mit seinen aufstrebenden Wirtschafts- und Verwaltungskarrieren. Und sie erkennt und thematisiert auch, wie eng das Leben der Frauen gefasst ist, wie wenig Möglichkeiten sie nur haben, es selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten.

    Gaskell ist nicht annähernd so brillant wie die aus der vorherigen Generation stammende Jane Austen, aber durchaus ein gewichtiger Teil der literarischen Generation um die Brontes, Dickens, George Eliot und Thackeray, nicht mit ihnen auf der gleichen Stufe, aber in einzelnen Szenen doch zu ihnen aufschließend.

    Ein dicker Wälzer von über 800 Seiten, aber durchaus lesenswert!

    "Frauen und Töchter" von Elizabeth Gaskell

    Ein ziemlicher Schinken, der vor den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts spielt, nicht so ironisch und dialogisch perfekt wie die Austen und ohne das spannende Setting und die Emotionen der Brontes (wobei Letzteres Gaskells Roman nicht unbedingt zum Nachteil gereicht), aber immer wieder mit kleinen hübschen Beobachtungen zu Sitte und Borniertheit der kleinstädtischen Bevölkerung, egal um welchen Stand es sich handelt, aber insbesondere doch mit deutlicher Distanz gegenüber der angemaßten Arroganz des Adels.

    Durchaus lesenswert, aber auch sehr umfangreich.

    Hallo Lauterbach,


    wie weit bist du mit dem "Stechlin" und wie gefällt er dir? Das war nach der Lektüre eines meiner absoluten Lieblingsbücher, allerdings bin ich bisher nie zu einer Zweitlektüre gekommen.

    "Am Strand" von Ian McEwan. Ich mag die Bücher des Autors eigentlich sehr, aber mit diesem komme ich schlecht zurecht. Es geht um eine zerquälte Hochzeitsnacht zu Beginn der 60er. Nachdem die Rückblenden begonnen haben, wird es etwas interessanter, aber das Thema - psychologisierende Ehe- und Liebesgeschichte - ist nicht mein Genre.

    Wie schön, dass dir dieser sehr intensive Roman auch so gut gefallen hat. Das ist auch wirklich ein Lebensbuch, ich glaube, für viele Leser ist dieser Begriff nicht zu hoch gehängt.