Beiträge von Nele

    Hallo,
    klar ist der Gedanke, dass es auf der erde ganz schön voll sein müsste mit all den Toten, nicht relevant für den hergang der Geschichte, aber er kam anscheinend fast allen beim Lesen, deswegen war es einfach witzig.
    Also, enttäuscht war ich auch nicht vom Ende, im Gegenteil, ein schnulziges Sich-in-den-Armen-liegen hätte viel kaputt gemacht von der Stimmung des Buches. Ich fand es nur erstaunlich, dass sich die Zwei einfach so, ohne sich wenigstens für die Zukunft mal verabredet zu haben, trennten und ihrer Wege gingen. Da habe ich bei mir gedacht, dass das mit der grossen Liebe ja wirklich nicht so weit her sein kann. Ich denke auch, dass das mehr auf gegenseitiger Anziehung beruhte, besonders unter den ungewohnten Umständen. Das ist ja auch oft im wirklichen Leben so, dass eine vermeintliche Liebe (z.B. eine Urlaubsliebe oder so) im Alltag nicht Bestand hat. Genauso muss es auch bei Pierre und Ève gewesen sein. Ich hätte jedoch wahrscheinlich genauso gehandelt wie die beiden, es sei denn, ich hätte wirklich gespürt, dass Pierre der Mann meines Lebens gewesen wäre.
    Und so kam dann am Schluss die grosse Ernüchterung.


    Mit der Definition vom Literaturlexikon bin ich auch nicht so ganz einverstanden, weil ich auch finde, daß Ève diejenige war, die sich für die Liebe entschieden hatte und nicht für die Verpflichtungen. Pierre war derjenige, der alles zerstört hat. Das sehe ich genauso, Ève hatte einfach die grössere Phantasie und Vorstellungskraft. Ich denke auch, dass sie in ihrem Leben einfach viel weniger kämpfen musste, für das, was sie wurde. Pierre musste kämpfen, sich alles erarbeiten und konnte deshalb auch viel schlechter loslassen (bzw. gar nicht). Liebe hat auch viel mit Gemeinsamkeit zu tun. Im Reich der Toten hatten sie etwas gemeinsam, nämlich den Tod. Als sie wieder unter den Lebenden waren, verschwammen die Gemeinsamkeiten angesichts der Tatsachen, die beiden im vorherigen Leben wichtig gewesen waren.


    Zitat

    Ein weiterer Gedanke: Eigentlich war von vornherein klar, daß die beiden mit ihrer Rettungsmission scheitern mussten. Sie konnten nicht in den Lauf der Dinge eingreifen, sondern lebten nur wieder, um sich zu finden.


    Ja, das stimmt - um mit so etwas erfolgreich zu sein, müssen eben alle am gleichen Strang ziehen, nicht nur zwei. Der Sinn, dass die beiden noch einmal leben durften, war, dass sie sich ja vorher nie begegnet waren, d.h., ihre Liebe ja nie eine Chance hatte. Sie hatten beide die Möglichkeit, diese Chance zu ergreifen.


    Ich glaube, Sartre ist sehr realistisch gewesen und ein guter Gedanke ist, dass er auch aufzeigen wollte, wie Du sagst, Nimue, dass es nicht genügt, wenn die Liebe zwischen zwei Menschen besteht, sondern dass jeder aktiv etwas dazu tun muss, damit diese Liebe unter allen Umständen bestand hat.
    Auf jeden Fall ein tolles Buch, vor allem mit unserer Diskussion hier.
    Das Literaturlexikon allein hat mich ja nicht vom Hocker gerissen. Allein die Zusammenfassung fand ich schon relativ schlecht geschrieben. Ich hätte mir wahrscheinlich so meine Gedanken gemacht nach der Lektüre, aber weniger intensiv als mit Euch. Da sieht man mal, was Gemeinsam Lesen so alles bewirken kann... :wink:
    Viele Grüsse,
    Nele *dieamFreitagindenUrlaubfliegtundzweiWochenaussetzenmussfallsIhrwasNeueslest*

    Hallo Ihr Lieben,


    Zu Kindler´s Neues Literaturlexikon:


    Keine ganz grosse Weisheit, oder? :wink: Darauf sind bestimmt auch schon alle gekommen. Naja.
    Ich fand das Buch trotzdem sehr schön zu lesen und für die damalige Zeit auch vom Inhalt her sehr gut.
    Als erstes hat sich mir gleich die, zugegebenermassen etwas überflüssige :lol: Frage gestellt, wie die ganzen Toten eigentlich irgendwann eigentlich mal in unsere Welt passen sollen, es werden ja immer mehr.
    Ausserdem habe ich noch einige Unregelmässigkeiten festgestellt, die ihre Eigenschaften betreffen: Der Greis ist ja einmal komplett durch ein Auto durchgelaufen, vor dem Pierre, mangels Erfahrung, zurückspringt. Später kann er aber, als er an der Tür zu dem Treffen seiner Mitverschwörer horcht, diese nicht durchdringen.
    Traurig fand ich, dass die beiden sich später auch im Reich der Toten so getrennt haben, als wären sie nie zusammen gewesen, als würde nichts sie verbinden. Sie hätten ja wenigstens gute Freunde bleiben können, wenn sie auch resigniert haben. :wink: So als Happy End für mich. Obwohl mir das gerade schon am Rand zum Kitsch erschien, wie die beiden das Mädchen gerettet haben. Von daher- vielleicht war es doch ein besserer Schluss so wie er ist.


    Was sagt Ihr zu dem Buch?
    Viele Grüsse von Nele (mit wunden Fingern vom Tippen)

    Info & Links


    Die Sartre Gesellschaft


    Sartre Biographie


    englische Sartre Seite mit ein paar Bildern


    Das Spiel ist aus als Schauspiel



    Inhalt


    Pierre, der Revolutionär, und Eve, eine Dame der Gesellschaft, sterben zu gleicher Stunde durch GEwalt, begegnen sich in einer Welt der SChatten, verlieben sich bis zu dem gewagten Anspruch "Ich gäbe meine Seele, wenn ich um deinetwillen noch einmal leben dürfte". Sie dürfen leben. Die Uhr des Schicksals wird zurückgestellt unter der Bedingung, dass sie sich vorbehaltlos der Liebe ergeben, um derentwillen ihnen das Leben wieder verliehen wurde. Aber die Vergangenheit stellt ihre Forderungen, und sie verlieren das zweite Leben an der Unfreiheit des ersten.



    Kindler´s Neues Literaturlexikon:



    Les jeux sont faits
    Filmdrehbuch von Sartre, erschienen 1947; als Theaterstück in der von Sartre selbst redigierten Bearbeitung von Th. van Alst und G. Fleckenstein am 30.10.1958 im Neuen Theater in Münster uraufgeführt.
    Die Handlung dieses Szenariums spielt in einem noicht näher bezeichneten Land der Gegenwart am Vorabend eines geplanten Aufstands gegen eine faschistische Diktatur. Der Arbeiter Pierre Dumaine, Anführer der proletarischen Untergrundbewegung, fällt dem Anschlag eines Polizeispitzels zum Opfer. Zur gleichen Stunde wird eine Dame aus besten Kreisen, Èveline Charlier, die Frau des Polizeichefs, von ihrem Mann, einem gewissenlosen Mitgiftjäger, vergiftet.
    Pierre und Ève treffen sich im Reich der Toten, wo sie frei und ungebunden sind, ihnen aber gleichzeitig die Möglichkeit eines Sich-Engagierens und Handelns in der Welt der Lebenden versagt bleibt. Bei Sartre wandeln die Toten zwischen den Lebenden, können aber von diesen nicht gesehen werden. Zwischen den beiden nebeneinander existierenden Seins-Dimensionen- dem Dasein der Lebenden und dem der Toten- ist keine Kommunikation möglich. Für die Toten les jeux sont faits, da sie auf die Rolle des Zuschauers reduziert sind, während sich die Welt vor ihren Augen als ein Schauspiel vollzieht. Ève und Pierre verlieben sich ineinander und erfahren, dass nur auf Grund eines Irrtums der "direktion" ihre Wege sich nicht schon im irdischen Leben gekreuzt haben. Um diesen Fehler wieder gutzumachen, gibt man ihnen die Chance, ein neues Erdendasein zu beginnen. Einzige Bedingung ist, dass sie in 24 Stunden lernen, sich vorbehaltlos zu lieben. Mit dem festen Vorsatz, die ihnen auferlegte Probezeit zu bestehen, kehren beide ins Leben, aber auch in ihre frühere Umwelt zu ihren alten Problemen zurück. Pierre, der im Reich der Toten erfahren hat, dass der Diktator über den Aufstandsplan genau unterrichtet ist, versucht verzweifelt, seine Kameraden an der Ausführung des Unternehmens zu hindern. In dem Augenblick, als der Treffpunkt der Revolutionäre von Truppen umstellt ist, läuft seine Frist ab. Er muss zu den Toten zurückkehren - zusammen mit Ève, die ihn zwar, wenn auch vergeblich, an die Bedingung der "direktion" erinnert, diese aber bereits selbst missachtet hat: Mit allen Mitteln hat sie versucht, ihre jüngere Schwester dem verhängnisvollen Einfluss ihres, Èves, Ehemanns und Mörders zu entziehen.
    Als Ève und Pierre wieder als Lebende auf die Welt zurückkehren, fallen sie sofort wieder in die Denkmuster ihrer alten Rollen zurück. Die unbedingte Selbstverständlichkeit der Toten, "sáimer en toute confiance" ("sich in vollem Vertrauen zu lieben"), ist für sie als Lebende nicht mehr möglich. Sie sind nicht in der Lage, ihren Grundentwurf zu ändern, und geraten wieder in die Automatismen des "Lebensschauspiels", das sie im Dasein als Tote als Quelle des Scheins und der Lüge durchschauten. Ève ist ganz von der Verpflichtung gegenüber ihrer Schwester, Pierre von der Verpflichtung gegenüber seinen Kameraden erfüllt. Beide scheitern, da sie sich nicht aus ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Gebundenheit in der realen Welt befreien können.Nur wenn sie stets gemeinsam gehandelt hätten, wie sie es einmal taten, als sie ein kleines Mädchen aus den Händen grausamer Eltern retteten, hätte ihre Liebe sich bewährt, wäre ihre Bezeihung ein "Symbol der Verbindung der Arbeiterklasse mit der fortschrittlichen existentiellen Intelligenz" (Lausberg) geworden.
    Sartre enthüllt in Les jeux sont faits mit der Rouletteformel die Gefahr des Verspielens und die Bedingtheit menschlichen Seins durch determinierende Einflüsse. "Lex jeux sont faits, voyez-vous, on ne prend pas son coup." (Wenn die Kugel einmal rollt, sehen Sie, kann man eben seinen Einsatz nicht mehr ändern). Obwohl der Satz am Ende des Films ihre Resignation gegenüber dem Unabänderlichen ausdrückt, raten die beiden Gescheiterten einem jungen Paar, an dem die "Direktion" ebenfalls ein Versäumnis gutzumachen hat, seine Chance wahrzunehmen. Hier scheint der Schlüssel zu liegen, Sartres Drehbuch - das auf den ersten Blick deterministisch erscheint - selbst als ein literarisches Spiel zu deuten, das mit den Ideen des Determinismus und Existentialismus spielt, denn natürlich ist im existentialistischen Sinn Sartres das Spiel nie aus, besteht die Chance, determinierende Strukturen und Automatismen zu durchbrechenund trotz gesellschaftlicher Zwänge immer wieder neu zu beginnen.



    -------------


    Und???
    Ich bin jetzt auf Seite 70, habe also gut die Hälfte hinter mir. Bis jetzt finde ich das Ganze sehr gut geschrieben, sehr amüsant. Besonders die Stellen am Anfang, wo Pierre und Éve feststellen, dass sie als Tote "durch´s Lben gehen" und von ihren Mitmenschen nicht gesehen werden. Das hat mich sehr an den Film "Ghost" erinnert (obwohl Sartre natürlich eher den Film inspiriert hat als umgekehrt :wink: ).Und als die beiden dann zu dieser Verwaltungsstelle mussten, um ihren Tod noch einmal zu unterschreiben und dann zu einer bestimmten Tür (sehr symbolisch), nämlich nicht der Tür, durch die sie hereingekommen sind, herausgehen müssen. Und später, nachdem sie sich kennengelernt haben, stellen wir fest, dass von dieser Verwaltung, also quasi einer übergeordneten Instanz, einer tiefen und sehr lauten Stimme nämlich, angeordnet wird, dass eben gerade diese Zwei noch einmal unter die Lebenden zurückkehren dürfen.
    Weiter bin ich noch nicht, es zieht mich aber jetzt schon förmlich wieder auf´s Sofa, so gespannt bin ich.
    Und man merkt, dass Sartre aus dem Buch einen Film machen wollte, nicht?
    Viele Grüsse, Nele

    Hallo Hesse-Fans,
    ich habe gerade "Unterm Rad" von Hesse gelesen und bin sehr begeistert gewesen. Wie ich weiter oben schon geschrieben hatte, war ich ja kürzlich im Kloster Maulbronn, wo Hesse ja selbst auch zur Schule ging (eine Klosterschule mit den Hauptfächern Religion und Musik). Von dort ist Hesse ja später weggegangen, weil er es dort nicht aushielt und kam anschliessend sogar in eine psychiatrische Anstalt. In der Erzählung "Unterm Rad" beschreibt Hesse den schulischen Werdegang und die Kindheit des Hans Giebenrath, der, wie Hesse, das Landesexamen in Baden-Württemberg absolviert, und infolge seiner guten Leistungen nach Maulbronn in die Klosterschule geschickt wird (das war damals wie heute schon so ein bisschen eine Eliteschule). Auch Giebenrath verkümmert dort zusehends unter dem Druck, den die Lehrer auf ihn ausüben, dem Lernstress, der "verlorenen Kindheit". Schliesslich geht er nach einem Nervenzusammenbruch von dort weg und kehrt auch nicht mehr zurück.
    Hesse schildert sehr einfühlsam, wie es dem Hans als Schüler ergeht, was er empfindet, als er sich bewusst wird, dass er erwachsen wird und letztendlich von seiner Kindheit gar nichts gehabt hat, nachdem ihm all seine Lieblingsbeschäftigungen (wie zum Beispiel Angeln und auch einfach mit Gleichaltrigen zusammensein) genommen wurden. Kein Wunder, Hesse scheint hier viel Selbsterlebtes zu verarbeiten.
    Und natürlich- wie wir es von Hesse gewohnt sind, ist das Buch sprachlich der reinste Hochgenuss!
    Kann ich also nur empfehlen, für die, die Hesse gerne mögen. Ich fand es besser als den Steppenwolf und Siddartha, und die haben mir schon gut gefallen, es rangiert hinter dem Glasperlenspiel (denn das ist allem weit voraus).
    Liebe Lese-Grüsse, Nele