Hallo zusammen!
Ich weiss ehrlich gesagt nicht recht, ob eine weitere Diskussion des Themas überhaupt noch Sinn macht. Zum einen, weil es hier (auch, ja vorwiegend) um eine Glaubensfrage geht, zum andern…
Zum einen:
Hafis50 meinte:
Zitat
Die einfachste weise, eine veränderung objektiv festzustellen, liegt in der untersuchung, ob eine bestands- oder flußgröße im bruttoinlandsproduktes sich änderte.
Harry potter hat aus einer sozialhilfeempfängerin eine millionärin gemacht. Die industrie hat mit diesem buch viel verdient und es wurden entsprechende arbeitsplätze geschaffen. Sicher eine änderung der welt.
Ohne goethe gäbe es keine goethe-gesellschaften, keine goethe-museen etc..Dies ist neben der geldrechnung auch eine änderung menschlichen verhaltens.
Dem ist sicherlich zuzustimmen. Aber es ist keine Veränderung, die der Belletristik als solcher zuzurechnen wäre (es gibt z.B. auch eine Schopenhauer-Gesellschaft usw.). Auch war es für mich nie eine Frage – und nie ein Punkt dieser Diskussion -, dass die Welt des Autors durchs Schreiben in jedem Fall verändert wird. Das gilt selbst für die 14-jährige Tagebuch-Schreiberin, die ihr Werk 20 Jahre später stillschweigend und ohne es je jemandem gezeigt zu haben, verbrennt…
Und Hubert meinte:
Zitat
Jeder Arzt wird Dir bestätigen, dass die beste Medizin nichts nützt, wenn der Kranke nicht bereit ist, diese einzunehmen. Aber genau so klar ist, dass in vielen Fällen die Bereitschaft Gesund zu werden, auch nicht hilft, wenn die Medizin fehlt. Wobei ich natürlich genau weiß, dass die meisten Krankheiten auch von alleine heilen, aber eben nicht alle.
Und genau da ist der andere Punkt, der bisher praktisch mit Stillschweigen übergangen wurde. Der romantische Glaube an die Veränderung der Welt durch Bücher geht praktisch immer stillschweigend von einer Veränderung zum Besseren aus. Rein statistisch gesehen, müssten doch 50% der Leser jedes Buchs sich davon nicht angesprochen fühlen. Von den übrigen müssten 50% ins Schlechtere beeinflusst werden!? Dass dem nicht so ist, beweist m.E., dass die Prä-Disposition bedeutend wichtiger ist. Wenn nämlich ein Einfluss stattfände, müssten sich die 50% Plus und die 50% Minus auch gegenseitig aufheben, ein Einfluss auf die Welt wäre neutralisiert. Auch muss, wer an die Veränderung der Welt durch Belletristik glaubt, die Berechtigung von Zensur anerkennen. Hafis50 hat das als einziger erkannt.
Soviel zum einen. Nun zum anderen:
Speed-Reading ist eine feine Sache, wenn es darum geht, die essentiellen Informationen aus einem Text zu ziehen. (Es ist mir nun klar, warum in diesem Forum die Lyrik fast nur gestreift wird. Denn Lyrik verlangt halt genaues Lesen...)
Ich schätze es nun persönlich gar nicht, wenn man speed-reading-mässig meine Statements durchgeht und meine Aussagen bestreitet, wenn man sie offenbar nur halb mitgenommen hat.
Beispiele: Wenn ich (im Wilde-Thread) von Oscar Wildes langweiligstem Werk rede, so meine ich Ocar Wildes langweiligstes Werk, nicht ein langweiliges Werk an sich. Wenn ich sage, dass ich die Bibel in diesem Zusammenhang als Sachbuch betrachte, dann meine ich in diesem Zusammenhang (nämlich dem des Threads) nicht einfach generell. Huberts Aussage
Zitat
aber als Sachbuch kann man die Bibel wirklich nicht bezeichnen
zeigt, dass er nicht genau gelesen hat.
Bei Steffi muss ich mich hingegen entschuldigen dafür, dass ich sie zu genau gelesen habe. Wenn Hubert nämlich meint:
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Meinst Du nun Koeppen oder Fromm?
Steffi hatte geschrieben: Und, um Erich Fromm anzuführen, meine "Sein"-Seite wird immer größer ! Ich glaube, das war das Buch, dass mich am meisten beeinflußt hat. – Deutlicher kann man sich eigentlich nicht ausdrücken.
- dann schneidet er einen Teil der Aussage weg. (Wie wollt Ihr Literatur verstehen, wenn Ihr keine 3 Sätze im Zusammenhang lesen könnt?) Steffi hatte nämlich geschrieben:
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Nach Koeppens Roman (und Huberts Hilfe) weiß ich nun mehr über das Nchkriegsdeutschland, somit mehr über die heutige Politik. Und, um Erich Fromm anzuführen, meine "Sein"-Seite wird immer größer ! Ich glaube, das war das Buch, dass mich am meisten beeinflußt hat.
Wir haben also in einem ersten Satz „Koeppens Roman“, der Steffi etwas übers Nachkriegsdeutschland beigebracht hat. Dann, im zweiten Satz, wird der Name Fromms erwähnt, zusammen mit einem Ausdruck „meine „Sein“-Seite. Nun reicht meine Bildung, um zu wissen, auf welches Buch hier angespielt wird, aber das Buch wird in diesem Satz nicht wirklich erwähnt. Nun folgt der Satz „das war das Buch […]“. Das einzige Buch, das Steffi erwähnt hat, und von dem sie etwas gelernt zu haben aussagt, ist „Koeppens Roman“. Fromm wird in einem Nebensatz eingeführt, sein Buch nur verklausuliert angesprochen. Der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass es Fromm gewesen sein muss, der sie beeinflusst hat. Die sprachliche Logik des Absatzes weist, wenn überhaupt wohin, dann auf Koeppen. Ich bin versucht zu sagen: ‚Undeutlicher, lieber Hubert, kann man sich eigentlich nicht ausdrücken.’ Wie wollt Ihr Literatur verstehen, wenn Ihr keine 3 Sätze im Zusammenhang schreiben könnt?
Dann verstehe ich etwas nicht. Wenn Hubert in den Lesevorschlägen einen neuen Thread eröffnet zum Thema ‚Bibel’, weil er der Elfenkönigin Projekt, die Evangelien rein literarisch zu lesen, zurückweist mit dem Argument
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Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, die theologischen Fragen auszuklammern
- um dann in diesem Thread die Bibel rein belletristisch aufzufassen, dann habe ich ehrlich gesagt ein ungutes Gefühl.
Wenn Jenny im Thread ‚Klassikerbibliothek’ meint
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Ich denke, man muss nicht der Bildung wegen einfache Sachverhalte verkomplizieren.
- möchte ich dem entgegenhalten, dass es m.E. eher die terrible simplificateurs sind, die der Bildung schaden. Hubert, bist Du wirklich und ehrlich der Meinung, dass Homers Werke eine Götter-Satire ist, die zur Abschaffung der Götterwelt unter den Griechen geführt haben? Dass die Bibel Literatur (also Belletristik!) ist? Dass „Niels Lyhne“, das Du ja zugegebenermassen gar nicht kennst, von folgendem handelt:
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Der Protagonist Niels Lyhne scheitert an dem Versuch einer Versöhnung von Phantasterei und Atheismus.
??? Keines dieser Werke funktioniert m.M. so einfach, wie Du es hinstellst. Ich mag die Schmetterlings-These überhaupt nicht, aber so einfach und geradlinig funktioniert Belletristik nicht.
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Ja, in Frankreich steht Moliere sowohl in der Publikumsgunst als auch in der Wertschätzung der "Experten" weit höher als Rabelais. Auch im Ausland ist Moliere mit Abstand vor Rabelais angesiedelt, sowohl was die Bekanntheit, als auch was die Beliebtheit angeht.
Woher wisst Du das, Hubert???
Um ehrlich zu sein, scheinen mir in diesem Forum zunehmend Vereinfachungen und Plakatierungen an der Tagesordnung, die mir persönlich nicht unbedingt liegen, um es gelinde auszudrücken. Mag sein, dies beruht auf Gegenseitigkeit…
Grüsse
Sandhofer