Bei mir bleibt, poetische Form hin, poetische Form her, der Eindruck, die Ausführung der Geschichte iim Nachsommer ist missglückt.
Aber dann konsequent missglückt, denn an Konsequenz bis ins letzte Detail fehlt es nicht :zwinker:
Bei mir bleibt, poetische Form hin, poetische Form her, der Eindruck, die Ausführung der Geschichte iim Nachsommer ist missglückt.
Aber dann konsequent missglückt, denn an Konsequenz bis ins letzte Detail fehlt es nicht :zwinker:
Der Schluss ist eigentlich nicht mehr als das Rondo nach einer anstrengenden Sonate. Wahrscheinlich bleibt alles, wie es ist, denn: „Werde wie Dein Vater!“ Was für eine Aufforderung zum Zementieren der Verhältnisse und zum Stillstand! Irgendwie erzreaktionär – wenn nicht diese außergewöhnliche Sprache und der ausgeprägte Hang zum Schönen wie ein ständig blauer Himmel über dem Roman läge.
Nö, ist doch gar nicht so :zwinker:
Als die zwei frisch Verpaarten dem weisen Mann eröffnen, dass sie alles so erhalten wollen wie es ist, keine Veränderung an Haus und Besitz, ein Andenken ... spricht er wie folgt:
>>Da tut ihr zu viel, ..., ihr versprecht etwas, dessen Größe ihr nicht kennt. Diese Bande darf ich nicht um euren Willen und eure Verhältnisse legen, sie könnten von den übelsten Folgen sein. Wollt ihr mein Gedächtnis in mannigfachem Bestehenlassen ehren, tut es, und pflanzt auch euren Nachkommen diesen Sinn ein, sonst ändert, wie ihr wünscht, und wie es not tut. Wir wollen, so lange ich lebe, selber noch mit einander ändern verschönern bauen: ich will noch eine Freude haben, und mit euch zu ändern und zu wirken ist mir lieber, als wenn ich es allein tue.<<
Es ging nie um die Verhinderung des Neuen, nur soll sie sinnvoll sein, sich einpassen in das Alte, sich bewähren und gut sein. Und natürlich soll alles, ob alt oder neu, vervollkommnend werden, und dazu muss man ständig schauen, arbeiten und ändern. Ein echter Perfektionist eben :smile:
Zitat„Werde wie Dein Vater!“
Heißt für mich hier nicht Stillstand, sondern so groß wie dein Vater, reinens Herzens und gut. Durchaus darf und soll Heinrich eigene Wege gehen.
ZitatWas haltet Ihr von einem derartigen Kunstverständnis? Anfangs hielt ich es für arg elitär, aber je länger ich darüber nachdenke, umso bereitwilliger möchte ich Stifter zustimmen.
Ist ja kein Kunstverständnis zum Schluss mehr, sondern eine Lebensphilosophie, und die, die, ja die gefällt mir äußerst gut :smile: Stifter spricht hier bei vielen bestimmt eine große Sehnsucht an, und andere können es gar nicht damit. Dass Nietzsche den "Nachsommer" so mochte, kann ich mir gut vorstellen: Stifter plädiert ja dafür, dass diese Idylle von innen erfühlt, also aus einem selber heraus entstehen soll. Nicht weil ich dir sage, dass das schön ist, ist es schön, sondern weil du erkennst, dass es schön ist!
LG
Anita, die ganz begeistert ist :winken:
Oh ja Steffi, berichte bitte weiter :smile:
LG
Anita
Das muss ich jetzt doch erwähnen :zwinker: Mir standen die Tränen in den Augen, mich hat das vorletzte Kapitel doch emotional ziemlich erwischt :redface: Geschieht mir äußerst selten, aber was Veredelung ist, weiß ich jetzt :smile:
Übrigens hat es Stifter raffiniert eingefädelt, denn durch das Zurücktreten des Erzählers, hatte der Leser immer mehr den Part, diese Entwicklung zu durchwandeln. Und da ich ein gefälliges Opfer bin, habe ich mich gerne unterweisen lassen. Ein Lesegenuss!
LG
Anita
So, jetze aber. Stifter, Nachsommer.
Ich wünsche dir viel Vergnügen. Schade, meine Seiten nähern sich dem Ende zu.
LG
Anita
Vargas Llosa hat den Verlag gewechselt. Sein neuer Roman (Der Traum des Kelten) wird nicht bei Suhrkamp sondern bei Rowohlt erscheinen.
Vielleicht hängt es auch mit dem [url=http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,608614,00.html]inszenierten Umzug[/url] zusammen. Irgendwie läuft es beim Suhrkamp Verlag nicht mehr.
LG
Anita
Die Harmonie in dieser Erzählung schreckt mich eher ab. Das wirst du dir aber auch denken können. Außerdem führt sie sich ad absurdum, denn die Erörterungen, die so, in völligem Einvernehmen, über Kunst und Wissenschaft, besprochen sind, beschreiben ja einen Prozess der Auseinandersetzung mit Widersprüchlichkeiten.
Ja, ja, wie im völlig normalen Leben :zwinker:
Tom meinte zwar, man solle das Moderne separat besprechen, aber ich wünschte mir oft ein wenig mehr Harmonie zwischen den einzelnen Richtungen, sprich Wissenschaft und Geisteswissenschaft, Kunst. Manchmal denke ich wirklich, der Mensch ist wissenschaftlich viel zu weit fortgeschritten und kann dem moralisch gar nicht mehr folgen.
Und ja, ich bin voller Widersprüche, beispielsweise wenn es um Präimplantationsdiagnostik geht, es spricht dafür und dagegen, eine richtige Haltung und Einstellung feht der Menschheit noch, dann dürfte Präimplantationsdiagnostik überhaupt kein Problem sein, dann würde sie wirklich für Ausnahmesituationen gewählt werden. Ich denke, natürlich kann ich auch auf einen total falschen Dampfer sein, dass ein wenig mehr Liebe zu den Dingen und zu den Menschen, ein bisschen mehr Harmonie gut tun würde ...
Zitatund siehe da... ???
Jetzt knutschen sie doch :breitgrins:
Und ich bin derzeit so in den Stoff eingetaucht, dass ich kaum mehr auftauchen kann. Mir gefällt diese Haltung und Einstellung irgendwie so gut, auch wenn ich sie nicht auf mein Leben übertragen möchte, doch diese Harmonie fühlt sich sehr wohlig an, und hier und da könnte man ein paar Dinge übernehmen. Die Lektüre macht mich süchtig und deshalb schaue mal was der "Witiko" so zu bieten hat :smile:
Ich habe gestern den zweiten Band beendet, und siehe da ...
Ich glaube aber, dass Stifter für uns noch etwas bereithält und dass unter der Oberfläche des schönen Scheins der eine oder andere Abgrund sich öffnen wird.
Mir scheint es im Moment darauf hinaus zu laufen, dass nach Wissenschaft und Kunst, die Liebe ins Spiel kommt, und gar kein Abgrund. Vielleicht dann später ... denn:
Gestern kam mir der Gedanke, obwohl ich zunächst dachte, dass sich Stifter gegen die Romantiker ausgesprochen hätte, so las ich die Stelle mit den Schwulstdichtern, die die Natur erhöhen und ins falsche Licht rücken. Doch wie viel Romantik steckt in Stifter oder im "Nachsommer". Bisher ist alles nur schön und harmonisch, da fehlt noch was.
«Das ist eben das Wesen der besten Werke der alten Kunst, und ich glaube, das ist das Wesen der höchsten Kunst überhaupt, dass man keine einzelnen Theile oder einzelnen Absichten findet, von denen man sagen kann, das ist das schönste, sondern das Ganze ist schön, von dem Ganzen möchte man sagen, es ist das schönste; die Theile sind blos natürlich.» Darin scheint mir so etwas wie des Pudels Kern zu liegen. In diesem Sinne hat Stifter vielleicht auch den „Nachsommer“ als Werk konzipiert, dessen Einzelteile nur in der Gesamtschau zur Wirkung gelangen.
Nicht nur in der Kunst, sondern generell, auch der Mensch soll aus diesem Schauplatz nicht herausfallen, sich einordnen und zur großen Harmonie eins werden. Ja, so lese ich auch den "Nachsommer" :smile:
Die ganze Erzählung ist ja ein Tagtraum, völlig undifferenziert, was die Beschreibung des Lebens angeht, erstaunlich differenziert, was Wissen und Erkenntnis betrifft.
Okay, wenn dies dann wirklich so sei, dann ist vielleicht das Küken noch zu jung, warten wir der Jahre ab bis es zur Knospe erwacht und sich der Akt völlig undifferenziert ins Lebens anschmiegt :breitgrins:
Sagen wir mal so, wo du das nun gerade so ansprichst aus Sebalds Mund, hier haben wir einen jungen Mann, namens Heinrich, der zwar ab und an eine gewisse Natascha anschaut, der Leser mitbekommt da könnten irgendwelche Gefühle aufkommen, aber von Verpaarungen im Menschengeschlecht ist nirgendwo Platz. Vögel verpaaren sich überall, aber noch nicht einmal der Alte geht andeutungsweise vielleicht so bisschen, so ein winziges bisschen mit Mathilde Händchen halten, nein nirgendwo ...
So, wo du das sagst, eine sexuelle Anspielung bei dieser wunderschönen Marmorfigur eines Mädchen habe ich schon aus dieser Szene heraus gelesen, der Junge ist voll im Saft, er kann ja nicht nur in Wissenschaft und ab dem zweiten Band in Kunst leben, körperliche Ansprüche hat man doch auch ... oder?
Philip K. Dick "Der galaktische Topfheiler"
Was für ein Titel, aber ich sag nichts, habe mir schon mal den Mund verbrannt und diesmal vorher geschaut, gute SF :breitgrins:
, den Aufsatz von W.G.Sebald über Stifter lesen.
Falls du diesen Aufsatz als erleuchtend empfinden solltest, melde dich kurz, dann bestelle ich mir das Buch auch :zwinker:
Kapitel 4
... noch nicht fertig gelesen, aber: Wie subtil Stifter die Weltesche Yggdrasil einbaut ... Selbst ein Raabe war da bedeutend weniger elegant ...
Danke sandhofer :smile: Für weitere hilfreiche Anmerkungen wäre ich dir sehr verbunden, um so runder und grandioser wird die Lektüre.
War eigentlich Stifter irgendwie so in der Art oder Richtung eines Pantheisten?
Danke Gontscharow, das passt wirklich gut in das Bild, welches ich mir so nach und nach von Stifter mache.
Vermutlich, und das nicht nur beim Dichter, sondern auch beim Leser. Ich merke jedenfalls schon nach dem ersten Kapitel, wie sich wohltuende Ruhe über mich breitet. Ja, es herrscht wirklich pedantische Ordnung, nicht nur im Haus, sondern auch in der Erziehung der Kinder, die nur zu bestimmten Zeiten in bestimmten Räumen bestimmte Dinge tun dürfen.
Ja, es ist diese Sorgfalt mit der Dinge oder Handlungen verrichtet werden, Liebe bis ins kleinste Detail, worauf diese Idylle aufbaut. Vorspiegelung von perfekter Harmonie, und zeitlich eher nach dem Motto der Gründlichkeit und Genauigkeit als "Zeit ist Geld". Ich nenne es zeitentrückt und es gefällt mir sehr gut, ja vielleicht weil man es vermisst.
(Übrigens erinnert mich diese Haltung an die Generation meiner Großeltern, heute ist alles so schnell und hektisch, hat Stifter das damals schon kommen sehen, dass die Moderne diesen Zeitraffer mit sich bringen würde?)
Liebe Grüße
Anita
Hallo liebe Mitleser.
Mir geht es bei meiner Erstlektüre irgendwie ganz anders als euch Zwei. Ich empfinde weder die Sprache oder Stil als hölzern, noch habe ich das Gefühl der emotionalen Unterkühlung und den „Krüppel“ kann ich gar nicht unterbringen. Dieser Tage habe ich im Bezug zum „Nachsommer“ die Begriffe wie Idylle und Veredelung gelesen, da ich selber das Wort traumhaft auf den Lippen hatte, kann ich dem nur zustimmen. Anderswo habe ich von „Zeitentschleunigung“ gelesen, und das trifft es absolut. Kein bisschen Langeweile, sondern tiefe „Zeitentrückung“, steter Genuss, und gerade auch sprachlich wird dies unterstrichen.
Ferner werden hier Begriffe wie prakmatisch oder aus der Nützlichkeit heraus verwendet. Auch ein Patriarch … Ich habe mich über das erste Kapitel eher gewundert, dass vor 150 Jahren ein Vater seinem Sohn nicht einbläut, er solle genau wie er Kaufmann werden. Okay mit Geld umgehen soll Heinrich lernen, auch seine Schwester, sie darf mit ihrem Erbteil, soweit es die Zeit zulässt als Frau, auch eigenständig damit umgehen.
Zitat von “Stifter““Jedes Ding und jeder Mensch, pflegte er zu sagen, könne nur eins sein, dieses aber muß er ganz sein.
Das soll Heinrich heraus finden! Das birgt natürlich die Gefahr der Lethargie, wenn man Geld genug hat, um fast alles zu machen, hinaus in die Welt zieht um heraus zu finden, was man wirklich selber ist. Heinrich schöpft zunächst aus dem vollem, will alles lernen und wissen, grenzt dann aber immer mehr dieses Alles ein, denn wer kann wirklich alles wissen. Zum Glück für Heinrich? lernt er dann im dritten Kapitel seinen Mentor kennen. Da beginnt die Idylle und auch die Poesie, außer man ist ein Rotschwanz, da hört es dann mit der Idylle auf. :zwinker:
Mir fallen Parallelen zum „Zauberberg“ und zum „Glasperlenspiel“ auf, beides auch Entwicklungsromane, zeitentrückt und auch diese Werke werden von einer ganz eigenartigen Atmosphäre getragen. Also ich bin sehr gespannt wie Heinrich sein Leben meistern wird. Und ich muss gestehen, ich habe mich in den „Nachsommer“ schon ein wenig verliebt :redface:
Liebe Grüße
Anita
Bald geht es los wollt ich nur kurz erwähnen und freu mich drauf!
Bei Nietzsche hatte das aber tragische Ausmaße angenommen und das ist dann eigentlich nicht mehr zum Lachen!
Meine Äußerung war eine reine Anspielung auf scheichsbeutel^, nie im Leben würde ich mich über Nietzsche lustig machen.
Obwohl, ganz rein hypothetisch, wie viel Paralyse war nötig um solch geniale Gedanken zu entwickeln? (Im Sinne des Sprichworts Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander.) Man stellt jüngst mit MRT oder CT fest, dass das Gehirn durch Meditation gänzlich anders arbeitet als bei "Normalos", sprich eine Veränderung des Gehirn und des Aufbaus dessen bewirkt, das kann schon Welten bewegen, oder?
Liebe Grüße
Anita