Beiträge von Evelyne Marti

    Hallo :smile:


    Ich hab das Buch nun ausgelesen. Es liest sich eigentlich sehr leicht und locker, vor allem die Liebesgeschichte finde ich reizend erzählt. Thomas Mann verzichtet auf die typischen Hofdramen, entwickelt eine ruhige Innenhandlung, die eingebettet und synchron zur äusseren läuft, sehr klassisch aufgebaut. Alles bewegt sich in sittsamem Rahmen, das mag heute ein wenig befremden, passt jedoch gut zum fürstlichen Stoff. Ich verstehe aber, dass der Zauberberg und Buddenbrooks u.a. bekannter sind, denn der Stoff ist etwas zu brav. Tod, Krankheiten und Skandale sind natürlich aufsehenerregender. :breitgrins:


    Buchzitat

    Halli-Hallo :smile:


    sandhofer: Danke für den Hinweis, ich vertraue da immer den Modis und werd das nächste Mal einen neuen Thread aufmachen.


    Damit in den alten Threads nachgelesen werden kann, hier die Links:


    Thomas Mann/Königliche Hoheit


    Leserunde 2004


    @Leila: Mir gefällt der Roman bisher auch sehr gut (bin jetzt auf Seite 51), ich kann das von Thomas Mann erwähnte In-Sich-Hineinlachen bei der Geschichte gut nachvollziehen, es hat wirklich Flair und eine erfrischende Lockerheit.
    Und der Schreibstil ist wieder mal umwerfend.
    Ich les gleich weiter :zwinker:

    Hallo zusammen :smile:


    Ich bin nun mit Kafkas Schloss zu Ende. Ich frage mich, wie oft ich dieses Buch noch lesen werde. Zuerst greife ich allerdings zu Kafkas Amerika . Was mich auch fasziniert, ist Kafkas Schreibstil, der vorsprachlich-mündlich eine eigene Komplexität entfaltet durch Aufbau, Gedankengänge etc., poetisch einfach und gleichzeitig hochkomplex.


    Ich habe mich gefragt, welches Alltagsmotiv der Hauptgeschichte zugrundeliegt, welche Geschichte dem Schloss am nächsten kommt, vielleicht die Geschichte eines heimatlosen Mannes, der versucht, die Aufenthaltsbewilligung und eventuell sogar den ihm eigentlich zustehenden Heimatschein zu erhalten und vorerst nur geduldet ist. Ein solcher Mann würde vielleicht auch eine Einheimische heiraten wollen... Dieses Grundmotiv wäre sogar sehr typisch für deutschsprachige Juden, welche an ihrer deutschen Heimat hingen und immer darunter zu leiden hatten, doch nicht ganz als Deutsche anerkannt zu sein.


    Zitat Kafka

    Hallo zusammen :smile:


    Gerade habe ich Kapitel 22 ausgelesen. Mein Augenmerk richtet sich in dieser erneuten Lektüre mehr auf die Beziehung Frieda und K. Ist doch interessant, welche Parallelen zu Kafkas Problemen in Bezug auf seine Verlobten im realen Leben zu erkennen sind. Noch im Verlobtenverhältnis machen K. und Frieda schon alle Höhen und Tiefen einer Beziehung durch. Dass Kafka auch im realen Leben Mühe hatte, Bindungen einzugehen, kommt nicht von ungefähr. Als Vielträumer hatte er da sicher einiges geträumt, das er stofflich im Schloss verarbeiten und ausweiten konnte.


    Da ich selbst Vielträumerin bin und weiss, wie ergiebig Träume sein können, komme ich zum Schluss, dass Kafka sich sehr stark auf seine vielen Träume abstützte und diese weiterverarbeitete und miteinander verknüpfte. Wer sich mit Träumen auskennt, kann auch jederzeit traumtypische Situationen erfinden oder Träume miteinander zu etwas Grösserem verschmelzen oder in Träume "einsteigen" und diese weiterträumen (gibt es sogar als Therapien).


    Kafka litt darunter, dass seine Romane nicht mehr authentisch waren, d.h. er wollte also möglichst echte Träume verarbeiten und bewusste Bearbeitung empfand er als weniger originär. Manche Traumsequenzen finden sich übrigens auf ähnliche Weise in meinen Träumen wieder, deshalb bin ich auch ganz sicher, dass Kafkas Quelle seine Träume gewesen sein müssen. Ausserdem spricht er selbst von Traumleben etc.


    Die Müdigkeit würde ich als unverwischtes Merkmal der Traumübergänge sehen, hat aber sicher auch die Bedeutung von Lebensmüdigkeit und Unbewusstheit. Man merkt, wie gut Kafka die Traumarbeit durchschaute, wie sehr er sich damit auseinandergesetzt hatte.

    Hallo zusammen :zwinker:


    Ich bin jetzt in Kapitel 12. Nachdem K. von Frieda sexuell überwältigt wird, folgt eine weitere typische Grundsituation, in welche Männer oft verwickelt werden: die Verantwortung übernehmen, etwas, das K. zeitlebens beängstigte, für eine Frau sorgen zu müssen, keine Zeit mehr für das Schreiben zu haben.


    Dieses Pochen auf Verantwortungsübernahme verkörpert die Wirtin (Kapitel 4). Und so muss K. vorübergehend eine Stelle antreten und für Frieda sorgen. Auch in den weiteren Kapiteln geht es darum, seine eigenen Wünsche zurücknehmen zu müssen bzw. sich Hindernissen gegenübergestellt zu sehen, die Polarisierung von Selbstverwirklichung (Landvermesser steht dabei für Kontrolle über den Besitz bzw. seinen Lebensbereich) und Anpassung (Schlossdoktrin = Fremdkontrolle), was überall im Leben eine Rolle spielt, sowohl im Liebesleben als auch gegenüber dem Staat etc.

    Hallo zusammen :smile:


    Ich bin jetzt in Kapitel 4. Die traumhaften Grundsituationen haben etwas kollektiv Menschliches, innerseelische Traumsituationen, die auch in Jungs Archetypen und in den Mythen wiederkehren, zum Beispiel die Szene mit Frieda in Kapitel 3, das Ausgeliefertsein des Mannes an die überweibliche beherrschende Frau, ein typisches Motiv der Weltliteratur.


    Aber auch K.s Anspruch, dass ihm geholfen und gedient werden soll, hat etwas kollektiv Menschliches, erinnert mich an Alfred Adlers Machtdefinition. Die Szenen sind keine äusseren Erlebnisse, sondern alle Figuren sind Anteile einer einzigen innerseelischen Traumszenerie, K.s (Ohn)Macht und Identitätssuche, eine Gefühlswelt, die Figuren sind keine vollen Persönlichkeiten, sondern Eigenschaften, austauschbar, folgen einer gemeinsamen inneren Gesetzmässigkeit.


    Apropos Eröffnung des Thread: danke, mir ist einerlei, wer anfängt, Hauptsache, wir lesen gemeinsam, ich dachte sowieso, die Modis machen das. :zwinker:


    Ich hab übrigens folgende Ausgabe:

    Hallo zusammen


    Ich hab jetzt auch verspätet angefangen mit Kafkas Schloss. Ich mag Kafkas Stil, so einfach und gleichzeitig derart vielschichtig. Die innerseelische magisch-realistische Traumwelt von Kafkas Schloss hat einen Charme, dem ich mich nicht entziehen kann. Es ist wie ein langer Traum, den K. da träumt. Das Alptraumhafte veredelt sich zu mythisch tiefen archetypischen Grundsituationen, worin der Träumer (K.) seine Identität sucht.
    Ich les mal weiter ;-)

    Zitat von "JMaria"

    Hallo Ivy
    U. M. habe ich hier mit Frank in einer Leserunde gelesen. Hat mir auch sehr gut gefallen. Ich gaube mich zu erinnern, dass auch viel um Magnetismus, Hypnose, Träume geht? Liegt das nicht in deinem Interessenbereich?



    Gruß
    Maria


    Hallo Maria


    Ja, dieser Roman geht in Richtung Traum- und Grenzpsychologie, auch wenn eher stofflich verarbeitet. Es bleibt offen, inwiefern Balzac es sonst als Stilelement verwendet. Der Roman ist sehr poetisch und wirkt durch Balzacs Unvoreingenommenheit erstaunlich klar und modern. Nach Ecos Pendelfrust ein unvergesslicher Lesegenuss!

    Hallo zusammen!


    Ich habe eigentlich keine Lieblingsbücher, denn das würde für mich bedeuten, mich an diesen festzumachen. Dabei möchte ich noch viele neue Bücher lesen, die ebenso meine Lieblinge werden könnten bzw. ich gehe davon aus, einige potenzielle Lieblingsbücher nicht gelesen zu haben.


    Aber es gibt bestimmte Stilelemente, die ich vorziehe bei meiner Bücherwahl, u.a. folgende Merkmale: poetisch, lebendig, Metaebene, in sich glaubhaft, feines Gespür für Charaktere und Situationen, spürbare Liebe zu Figuren- und Szenenbeschreibung, musikalisch, Gefühl für Wortklang, gute Menschenkenntnis in der Figurenzeichnung, differenzierte Wahrnehmungsebenen, etc.

    Hallo zusammen


    Ja, das Verwirrspiel mit dem Nachnamen kommt mir bekannt vor, gibt ja noch andere gleichlautende Autoren, hab es jetzt eigentlich nur aus Bequemlichkeit (und weil klar ist, um welchen Marquez es in diesem Thread geht) verkürzt. :breitgrins:


    Auch wenn ich mir mit den Jahren einiges an Literaturwissen angeeignet habe, versuche ich immer, sehr intuitiv zu lesen, d.h. eben nicht vorgegebene Muster zu übernehmen, sondern meine eigene persönliche Sicht als Leserin zu entwickeln, gerade weil es so viele verschiedene pseudo-literaturwissenschaftliche Abziehbilder gibt.


    Im Endeffet soll der Roman wohl eine Tragikömodie sein, doch ehrlich gesagt, das Tragische/Einsame habe ich als solches nicht grossartig nachempfinden können, höchstens bei der einzig wirklich lebendigen Ursula (= Bärin).


    Was mich enorm gestört hat und ich dem Autor nachtrage, ist die gedankenlose Darstellung von kindlicher Gier nach Sexualität. Er hat in diesem Buch wirklich jede Art von männlich (pervertierter) Sexualität "geträumt". Jedes Kind und jede Frau wird als Sexualobjekt aus Sicht des Mannes dargestellt (z.B. die sexgierigen Hurenkinder).
    Man könnte auf den Verdacht kommen, dass genau dies das Thema des Buches ist: tabuisierte Männerphantasien, welche deshalb auch aussterben müssen. Der Ödipus-Komplex wäre in diesem Fall nur ein einzelner Aspekt davon.


    Mit historischen Parallelen kann ich auch nicht gross dienen. Da müsste man wohl noch ne Menge Sekundärliteratur lesen. :breitgrins:
    Nach dem Klappentext ist es die Zeit 1800 - 1900.


    Trotz meiner Kritik: Der Erzählstil hat es mir angetan.
    (und immerhin wurden die pervertierten Männerphantasien auch immer irgendwie bestraft :breitgrins: )

    Hallo zusammen


    Ich habe Hundert Jahre Einsamkeit jetzt auch fertig. Eine Parabel ist es auf alle Fälle, wie fast jedes anspruchsvolle literarische Buch (Meta-Ebene).


    Márquez' sogenannten Magischen Realismus assoziiere ich u.a. mit dem Magischen Denken der Naturvölker, des Aberglaubens und des Kindes (Piaget).


    Tatsächlich erinnert es mich an Kinderaufsätze, was jetzt nicht abwertend gemeint ist. Ich meine damit die merkwürdig verkürzte Wahrnehmung von Realität und die daraus resultierende poetische Philosophie der Kinder, die genau den Punkt trifft, etwas verdreht, aber genau richtig.


    An meiner Wand hängt ein Bild eines meiner Neffen, eine typische Kinderzeichnung: Zwei Saurier kämpfen miteinander und die Sonne schaut neugierig zu. Die eigentlich blutige Szene wird von so viel Licht durchflutet, die Strahlen gehen unmittelbar vor und hinter den Sauriern durch, breit, kräftig, unverdrossen, die Sonne mit lächelnden Babyaugen, eine Wonne. Dabei entsteht eine berührende Poesie, welche nur Kinder so hinkriegen, es ist reine Seele in diesem Bild.


    Und so ähnlich geht es mir mit Márquez' Hundert Jahre Einsamkeit.
    Was er da alles so schildert, die Inzestszenen, die typischen Klischee- Männerphantasien usw. beschreibt er in einer so poetischen Sprache, dass ich nicht sagen kann: ist schlecht. Das WIE ist wunderbar, er schafft es, aus Trivialem etwas Poetisches zu formen.


    Er wendet ansonsten sehr viele klassische Erzähltechniken an: die auktoriale Erzählhaltung, der grosse Entwicklungsbogen und die typische Auflösung am Schluss. Manches erinnert mich an Döblin (Die andere Seite) und an Erzählungen/Novellen der Romantik, deren Poetik gerade im Märchen die höchste Form von Poesie verkörpert sah.


    Ich würde mal behaupten: Márquez' wollte schlichtweg das Ödipus-Motiv darstellen. Er ist ja sehr belesen, ein bekanntes vielverwendetes literarisches Motiv. Und natürlich in seiner Heimat, wo Sippengemeinschaft sicher noch eher eine Rolle spielt, nicht ganz unpassend.


    Überhaupt: Dieses Buch wurde in erster Linie für seine Landsleute geschrieben, welche sich bestimmt viel mehr wiedererkennen in diesem Roman und die Komik darin noch besser nachvollziehen können. Komiker arbeiten ja auch mit dieser bewusst verkürzten Kindersicht, um Situationskomik zu erzeugen. Wenn wir uns all diese Szenen filmisch vorstellen, was kommt heraus? Eine absolut schräge Komödie. Deshalb auch keine echte Innenperspektive der Protagonisten. Man soll sie nicht wirklich betrauern, wenn sie wie im Comic tot umfallen.


    Meine Bilanz: Ich mag das Buch und es hat mich bereichert, zum Beispiel