Hallo zusammen
Ich habe Hundert Jahre Einsamkeit jetzt auch fertig. Eine Parabel ist es auf alle Fälle, wie fast jedes anspruchsvolle literarische Buch (Meta-Ebene).
Márquez' sogenannten Magischen Realismus assoziiere ich u.a. mit dem Magischen Denken der Naturvölker, des Aberglaubens und des Kindes (Piaget).
Tatsächlich erinnert es mich an Kinderaufsätze, was jetzt nicht abwertend gemeint ist. Ich meine damit die merkwürdig verkürzte Wahrnehmung von Realität und die daraus resultierende poetische Philosophie der Kinder, die genau den Punkt trifft, etwas verdreht, aber genau richtig.
An meiner Wand hängt ein Bild eines meiner Neffen, eine typische Kinderzeichnung: Zwei Saurier kämpfen miteinander und die Sonne schaut neugierig zu. Die eigentlich blutige Szene wird von so viel Licht durchflutet, die Strahlen gehen unmittelbar vor und hinter den Sauriern durch, breit, kräftig, unverdrossen, die Sonne mit lächelnden Babyaugen, eine Wonne. Dabei entsteht eine berührende Poesie, welche nur Kinder so hinkriegen, es ist reine Seele in diesem Bild.
Und so ähnlich geht es mir mit Márquez' Hundert Jahre Einsamkeit.
Was er da alles so schildert, die Inzestszenen, die typischen Klischee- Männerphantasien usw. beschreibt er in einer so poetischen Sprache, dass ich nicht sagen kann: ist schlecht. Das WIE ist wunderbar, er schafft es, aus Trivialem etwas Poetisches zu formen.
Er wendet ansonsten sehr viele klassische Erzähltechniken an: die auktoriale Erzählhaltung, der grosse Entwicklungsbogen und die typische Auflösung am Schluss. Manches erinnert mich an Döblin (Die andere Seite) und an Erzählungen/Novellen der Romantik, deren Poetik gerade im Märchen die höchste Form von Poesie verkörpert sah.
Ich würde mal behaupten: Márquez' wollte schlichtweg das Ödipus-Motiv darstellen. Er ist ja sehr belesen, ein bekanntes vielverwendetes literarisches Motiv. Und natürlich in seiner Heimat, wo Sippengemeinschaft sicher noch eher eine Rolle spielt, nicht ganz unpassend.
Überhaupt: Dieses Buch wurde in erster Linie für seine Landsleute geschrieben, welche sich bestimmt viel mehr wiedererkennen in diesem Roman und die Komik darin noch besser nachvollziehen können. Komiker arbeiten ja auch mit dieser bewusst verkürzten Kindersicht, um Situationskomik zu erzeugen. Wenn wir uns all diese Szenen filmisch vorstellen, was kommt heraus? Eine absolut schräge Komödie. Deshalb auch keine echte Innenperspektive der Protagonisten. Man soll sie nicht wirklich betrauern, wenn sie wie im Comic tot umfallen.
Meine Bilanz: Ich mag das Buch und es hat mich bereichert, zum Beispiel