Mit Mühe und ungewohnter Disziplin, mit paralleler Lektüre, ist nun der 3. Roman zu Ende gelesen. Es war wie eine peinliche Befragung, nur freiwillig. Es gibt einige nette Pointen, die man den Nachhinkenden natürlich nicht verrät, nett auch, wie Mann den Schluss hinbiegt, jedoch weiter viel Geschwätz. Kein Briefroman, kommt er mir wie eine Sammlung von Reden und Verlautbarungen vor, und das meiste ist langatmig, redundant und verbogen. Bei mir bleibt kaum etwas hängen, außer der Erleichterung ein Stück geschafft zu haben. Wenn ich an "Sinuhe der Ägypter" zurück denke, kommt Bedauern auf, über das, was Mann beiseite lässt.
Der Orient ist berühmt für seine Erzähltradition und wenn ich mir vorstelle, ein Mann wie Rafik Schami nähme sich diese frühorientalistische Geschichte vor, welch grandioses und lebendiges Panorama könnte, im Gegensatz zu dem zähen Betrachtungsbrei Manns, entstehen.
Angeregt durch die aktuell laufende, verhaltene Debatte über die kommentierte Ausgabe der "Betrachtungen eines Unpoltischen", fällt mir auf, dass Mann im Joseph eher die Einflüsse des Fremden würdigt und nicht, wie in seiner Rechtfertigungs- und Streitschrift, das Fremde verdammt. Die Geschichte Josephs lässt sich ja als Epos der Fremdheit, der irdischen, geistigen, sinnlichen und göttlichen Fremdheit lesen. Leider (bestimmt mit guten Gründen) hat Mann ja seine Tagebücher aus der Zeit der Weimarer Republik auch verbrennen lassen, doch ist aus dem Roman ein Wandel in seinem Denken, ein Wandel zur Toleranz und zum Verständnis für das Andersartige zu spüren, und das hat, aus meiner Sicht, nichts mit Früh- oder Spätwerk oder Reife zu tun, eher mit den Turbulenzen seiner Zeit und den Hoffnungen und Schrecken, die damit verbunden waren. Er konnte es später gut gebrauchen, seinen alten Chauvinismus nicht mehr mitschleppen zu müssen.
Lasse ich es nun genug sein? Es gibt doch einen Reiz auch den 4. Teil zu lesen. Nicht den der Neugier auf die Geschichte und erst Recht nicht wegen Manns "Sprachkunst", die mir hier in dieser Breite zwanghaft vorkommt, eher das Verlangen zu erfahren, wie sich das Sein auf das Bewusstsein auswirkt. Der letzte Teil ist ja etwa 1000 Jahre nach den vorhergehenden Teilen und in einer anderen Welt geschrieben worden, gewissermaßen weit nach dem er von seinem Volk in den Brunnen des Exils hinein gestoßen wurde, und ich könnte mir denken, in einem Land, dass für Mann anfangs so fremd war, wie Ägypten fremd für Joseph war, und in dem Thomas so tot war, wie Joseph nach dem Verkauf durch seine Brüder.
Hat sich das auf die Geschichte und die Form in der er sie erzählt ausgewirkt? 61 Kapitel sind noch zu bewältigen, d.h. ca. 50 bis 60 Lesetage, wenn ich meinem Plan weiter folge, unterbrochen durch den Don Quichote, also bis hinein in den Sommer sollte ich noch brauchen, wenn ich es überhaupt durchhalte. Oder macht der "American Way of Life" aus dem Buch doch noch einen Schmöker?