Beiträge von Lost

    Nach etwa der Hälfte der Hälfte beginnt der Roman mehr Facetten zu zeigen. Unser Subjekt D.Q. wird zum Objekt und es werden Geschichten erzählt, die mit dem Ritter wenig zu tun haben. Meine Einstellung zum Buch wird dadurch noch freundlicher. Die Ritterromane werden zerpflückt, wobei es mir scheint, als würde Cervantes die Weltsicht der allein selig machenden Kirche meinen. Wenn es so ist, dann hat die Inquisition geschlafen, oder die Zensoren waren dem Roman wohlgesonnen. Die Geschichten über Kabale und Liebe passen ins 19. Jahrhundert.


    ? Meinst Du Martin Gregor-Dellin?


    So ist es. Hatte nicht nachgeschaut und war wohl noch etwas verschlafen.


    Zitat

    M.W. war Jean Paul im frühen Zenit seiner Karriere (Hesperus, Siebenkäs, Quintus Fixlein) so was wie ein Bestsellerautor. Und Goethe und Schiller mochten ihn gar nicht. Und umgekehrt.


    Gab zu Lebzeiten von Jean Paul überhaupt ein "breites Publikum" für die Literatur? Wenn Schiller und Goethe Jean Paul ablehnten, dann hat das nicht viel zu sagen, es sind höchstens abstrakt ästhetische Gründe und Eifersucht. Die beiden waren ja auch ziemlich aufgeblasen, allerdings nicht gerade zu Unrecht.

    Kann es sein, dass es einem Autor gar nicht bewusst wird "writers's writer" zu sein, beziehungsweise erst die die Zeit und die Umstände ihn dazu machen. So schreibt im Nachwort zu Jean Pauls Schulmeisterlein Wutz Gregor Delin, Jean Paul wäre nie von einem breiten Publikum gelesen worden, aber immer intensiv von anderen Schriftstellern.

    Es entwickelt sich neben und im Laufe der Episoden eine recht interessante Dynamik zwischen unseren Helden. Cervantes stellt uns keine eindimensionalen Hauptfiguren vor. Da bezieht Sancho auf der einen Seite Prügel, weil sich sein Herr von ihm gedemütigt sieht, auf der anderen Seite folgt Don Quijote den Ratschlägen seines Dieners. Die Momente der Einsichten sind aber sofort vorbei, wenn sie auf dem Weg eine Begegnung ergibt. Der Ritter handelt wie ein Straßenräuber. Mir leuchtet allerdings nicht ganz ein, wieso Don Quijote, der so sehr auf seine Ritterehre bedacht ist, oft seine Attacken so unvermittelt und ohne einleitendes Zeremoniell reitet.


    Es kommt auch nun die Barbierschüssel als Helm ins Spiel, die ich viel früher erwartet und nach meiner Erinnerung auch nicht als Beute des cholerischen Ritters angesehen habe.

    Der russische Schriftsteller Vladimir Nabokov ("Lolita") hielt in den 50er-Jahren in Harvard eine Vorlesungsreihe über den "Don Quijote" und bezeichnete dabei das Buch als eine Folterkammer und veritable Enzyklopädie der Grausamkeit, ja, als eines der furchbarsten und barbarischsten Bücher, die je geschrieben wurden.


    Die Spässe, diagnostizierte Nabokov, würden sich auf dem untersten Niveau mittelalterlicher Possenreisserei abspielen und der Humor sei brutal und abstossend.


    Ich denke, Nabokov übertreibt ziemlich, heutzutage sind wir uns von Film und Fernsehen weitaus stärkeren Tobak gewöhnt. Und die Zeit, in der der Roman spielt, war sicherlich auch kein Zuckerschlecken. Man denke an den "Simplicissimus" und den Dreissigjährigen Krieg, der zwei Jahre nach Cervantes Tod in Deutschland ausbrach.


    Das ist eine interessante Information für mich. Danke riff-raff! Nabokov ist noch nicht lange in meinem Lektürespektrum präsent, hat aber sofort eine hohe Leuchtkraft entfaltet, und deine Zitate von ihm zeigen, er ist nicht einer der gewöhnlichen Schleimer, die vor jedem Großwerk nur ihre Kotaus machen. Nun ist nicht nur die Zeit, in der Don Quijote entstand, sondern auch das Leben von Cervantes selbst durch Gewalt und Erniedrigung durchdrungen. Soldat, Gefangener, Häftling, das ist schon extrem. Aus meinem Leben heraus unbegreiflich, wie man sich damit noch aufrecht halten kann.


    Nach etwa 180 Seiten, die ich bis jetzt gelesen habe, lässt sich nahezu immer vorhersagen, was passiert, wenn der Ritter und sein bedauernswerter Kappe auf andere Figuren treffen. Das liest sich dann etwas mühseelig, lässt mir aber auch Spielraum für Überlegungen zu den weniger spektakulären Facetten der Geschichte. So ist es anrührend, wie unsere beiden Helden, zwar schon physiognomisch und durch die Reittiere in hoch und niedrig geschieden sind, freundschaftlich miteinander verkehren, das wenige was sie haben teilen und Don Quijote sogar bereit ist die Ratschläge von Sancho zu beherzigen (nicht ohne sie entsprechend aus seinem Weltbild heraus zu deuten). Aus meiner dilettantischen Sichtweise heraus, wirkt der Ritter wie ein reiner Vertreter der Deduktion, der jede Erfahrung in sein fest gefügtes Schema presst. Das ist doch nicht reine Verrücktheit, sonder mehr die Form von Starrsinn, wie sie zum Beispiel auch Kreon, in Sophokles "Antigone" zeigt, oder der ältere Mao Tse Tung, von deutschen Führern gar nicht zu reden.




    Genau den gleichen Eindruck hatte ich auch. Nach nur zwei Seiten war DIE bedeutende Episode schon vorbei.


    Vielleicht kommt es durch die Bearbeitungen, die man so als Jugendlicher vorgesetzt bekommt. Denke ich an Robinson Crusoe, Moby Dick, Die Schatzinsel, die ich ursprünglich als Jugendbücher gelesen habe, sind die Eindrücke aus der späteren Lektüre auch anders. Bei den Bearbeitungen wird oft der Rahm abgeschöpft und die Molke weggeschüttet.

    Überrascht bin ich, wie schnell und lapidar die Geschichte mit den Windmühlen erzählt wird. Ich vermute, wenn man fragt, welche Episode man zuerst mit Don Quijote verbindet, dann wäre es diese, aber im Roman wirkt sie unscheinbar.


    Sancho stellt sich wirklich, neben einer gewissen Einfalt, was versprochene Belohnungen betrifft, als das realistische Drittel unseres Trios dar, wobei mir in der Vergangenheit entgangen ist, dass Rocinante einHengst ist.


    In Kapitel 14 gibt es einen beachtlich modernen Monolog der Hirtin Marcela, in dem sie ihre Unabhängigkeit begründet und verteidigt. Sonst lesen sich die meisten Passagen wie Berichte über Zusammenstöße von Hooligans. Es wird sehr viel ausgeteilt und eingesteckt.


    Ich denke auch eher an eine Art Schilderung der conditio humana, und die allzu oft angeführte Beteuerung, D.C. sei verrückt, verfängt zumindest an dieser Stelle letztlich (noch?) nicht. Don Quijote „erfindet sich“ nach seinem Studium. Er lebt in einer kleinen Welt und hat die große nur aus den Büchern kennengelernt. Nun bricht er in sie auf, nimmt aber die Differenz zwischen seiner Literatur und der Wirklichkeit nicht zur Kenntnis.


    Genau wie du schreibst schneeschmelze, der häufige Widerspruch zwischen Buchgelehrsamkeit und den Anforderungen der Praxis scheint mir im Roman auch verarbeitet zu sein, wenn auch durch die Wahnvorstellungen des Ritters satirisch überspitzt, und wenn wir Don Quijote leichtfertig als verrückt einstufen, dann müsste das doch auch für einen Großteil der damaligen Mediziner, Geografen und Naturphilosophen auch gelten. Cervantes hat sich vielleicht, durch seine Betonung der „Verrücktheiten“ Ärger mit Gesetz und Klerus ersparen wollen und seine Überzeichnungen müssen wir dann nicht nur als Beschreibung des Ritterwahns lesen sondern noch auf andere Sachverhalte hin untersuchen, und um das zu tun, am Besten selbst in die Rolle von Don Quijote hineinschlüpfen. Als ich mich heute auf mein Stahlroß schwang und den Helm überzog, kam mir ein Gedanke:


    Wer eine wahre Geschichte spannend oder satirisch erzählen will, der muss sich was einfallen lassen. Die Wahrheit ist oft langweilig und deshalb kann es angebracht sein der äußeren Wahrheit eine innere hinzuzufügen. Dabei wird man halt leicht von oberflächlichen Naturen erwischt und der Lüge angeklagt, doch Cervantes hat einen guten Trick gefunden, um sich aus der Affäre zu ziehen, er macht aus der Erzählung eine Nacherzählung und klugerweise, schiebt er das Original einem verlogenen Araber zu. Damit erwirbt er sich Ehre bei den Christen, die sich noch gut an die Reconquista erinnern können oder besser gesagt, die einschlägigen historischen Bücher, die die Wahrheit darüber erzählen, gelesen haben, und wenn seine innere Wahrheit, die wahre Wahrheit sozusagen, angezweifelt wird, lassen sich die weniger logischen Stellen auf den Muselmanen schieben. Ob Cervantes diesen Trick erfunden hat weiß ich nicht, aber dass er Vorbild für andere Schriftsteller war, das lässt sich gewiss sagen. Ähnlich macht es Eco bei seinem Roman "Der Name der Rose", so erfinden manche Historiker ihre Quellen, manche Wissenschaftler ihre Daten, oder man selbst fand als Schüler ab und zu ein Goethezitat, das sich nie wieder finden ließ.
    Nun, wie sich aus dem Kommentar entnehmen lässt, wurde streng wissenschaftlich der Heimatort des Ritters lokalisiert und somit ist auch er selbst historisch verbürgt. Was ist aber zum Beispiel mit des Ritters Ebenbild Rocinante, diesem dürren alten Klepper, der aber auch im Kampf dahinfliegen kann wie Iltschi oder Rih? Muss man nicht vermuten, dass Cervantes hier übertreibt, oder literarisch etwas nachlässig ist. Kann man sich so ein Pferd vorstellen, dass mitsamt seinem Ritter von Riesen durch die Luft gewirbelt wird, auf dem Acker aufschlägt und wenige Minuten später wieder gelassen seinen Reiter aufsteigen lässt? Kann man es nicht, was bietet sich für eine Lösung an? Ein Araber ist rassische Pferde gewöhnt, er hat hier wohl nicht den Griffel im Spiel. Schaut man sich aber die Charakterisierung des Pferdes genau an, seine Bedürfnislosigkeit, die Hinweise auf sein Aussehen, dann deutet alles darauf hin, man hat es mit einer Maschine zu tun. Als der Roman erschien, war Leonardo da Vinci seit mehr als 80 Jahren tot, aber er kommt alleine für die Konstruktion solch einer Maschine in Frage. Die Zeit hat gereicht, um die Baupläne auf geheimen Wegen von Italien nach Spanien kommen zu lassen, und da die Spanier, besonders die Andalusier, bekanntermaßen mehr mit Pferden anfangen können als die Italiener, die immer nur an Frauen und Fußball denken, ist es kein Wunder, wenn der Bau in Andalusien erfolgte. Die Teile des Romans, die von Cervantes selbst stammen sind deshalb wahrscheinlich in erster Linie eine Verschlüsselung (was wäre passiert, wenn die arabischen Horden hinter die Pläne gekommen wären) und eine Gebrauchsanleitung für das mechanische Pferd als Wunderwaffe, und ich bin sicher, aus der weiteren Lektüre lässt sich der Plan entschlüsseln, wenn die erforderlichen geistigen Fähigkeiten dazu ausreichen, was wohl bisher bei den vielen Gelehrten und Literaten, die sich mit dem Roman beschäftigt haben, nicht der Fall war. Und habt ihr euch schon ein Mal die Frage gestellt, wieso der Erfinder der netten Spielzeuge für James Bond ausgerechnet Q heißt?

    Danke riff-raff für deine netten Worte.


    Mein Experiment scheint in dem Ansatz nach zu funktionieren.


    Zitat


    "Das Glück lenkt unsere Geschäfte besser, als wir hätten hoffen können, denn vor dir, Sancho Panza, mein Freund, siehst du wenigstens dreißig grimmige Riesen, mit denen ich eine Schlacht zu schlagen gedenke, bei der mir alle über die Klinge springen sollen. Und mit der Beute legen wir den Grundstein unseres Reichtums, da es ein gerechter Krieg ist und eine wahrlich gottgefällige Tat, derlei Schandgezücht vom Erdboden zu tilgen"


    Könnte das nicht sinngemäß aus einem Gespräch zwischen George Bush und Tony Blair stammen? Und ein amerikanischer Präsident kann doch nicht blemblem sein, oder?

    Ich leiste mir lieber ein Gedankenexperiment und folge nicht der von Cervantes suggerierten Position unser Helden wäre geistig umnachtet. Das bringt mich ihm näher und auch zum lachen.


    Don Quijote kommt mir wie ein Gelehrter vor, den es nach der Praxis drängt. Ein seltner Fall also, ein Fall für einen Roman. Ähnlich, wie Homer uns in Ilias eine lange Liste von Schiffen präsentiert, listet uns Cervantes die Ritterromane auf die D.Q. studiert hat, und es lässt sich ermessen, dass viel Zeit für ihr Studium erforderlich war, dazu einiges Personal, um den Rückzug in die Studierstube zu erlauben. Er kennt sein Fach, das geht aus den Dialogen hervor, sein zurückgezogenes Studium lässt ihn nur nicht die Wirklichkeit seiner Zeit erkennen. Ging es nicht z. B. einigen Philosophen, Mathematikern und Schachspielern ebenso? Q. ist damit ein Vorläufer vieler adliger Privatgelehrten, ein Armer und Machtloser bezogen auf seinen Stand, ein Reicher bezogen auf das Volk, und was gibt jemand von Stand zuletzt auf: seine Ehre und Bedeutung. Hat er keine mehr, so schafft er sie sich, und genau das macht unser Herr und er macht es so, dass wir ihm dafür nicht böse sein dürfen, denn er folgt guten Vorsätzen und unterhält uns.
    So wie der zeitgenössische Träumer im Frühjahr den Schalldämpfer aus dem Auspuff seiner Harley schraubt, in die Lederkluft steigt und auf der Route 66 durch den Schwarzwald cruist, so folgt Cervantes Easy Rider seinem Ideal der Freiheit, einem Ideal, das aber im Gegensatz zur heutigen Suche nach persönlicher Freiheit mit der Verpflichtung verbunden ist das Böse zu bekämpfen, also ein Ideal das der Freiheit einen höheren Sinn gibt.
    In den ersten Kapiteln sieht man, der Roman würde nicht lang, wenn der Ritter alleine durch die Welt ziehen würde. Sein Untergang wäre schnell unausweichlich, zu sehr ist sein Wissen über Kreuz mit der Realität. Heute gibt es Universitäten und Stiftungen für solche Leute, in der rohen frühen Neuzeit Ähnliches für ein paar Auserwählte, für die anderen die Scheiterhaufen oder eine Stelle im Klerus. Cervantes hat es von Anfang an, oder nach dem Schreiben des ersten Kapitels gemerkt und ihn wieder heim geschickt, in einem Zustand, so dass er sich erst ein Mal wieder sammeln muss und sich mit dem wichtigsten aller Waffen, dem Geld, frischen Hemden (falls er Gelegenheit bekommt vor seiner Erwählten auf die Knie zu fallen) und soweit ich es vermute mit einer Lebensversicherung, einem Knappen versieht.
    Bis dort hin bin ich vorgedrungen.

    Während meine Wochenendreise habe ich auch begonnen die WBG-Ausgabe zu lesen, mich allerdings um die Widmungsgedichte wenig gekümmert. Ich sehe sie, zusammen mit der fragwürdigen Vorrede, als eine Parodie des zeitgenössischen Literaturbetriebs oder Trotzreaktion an.
    Es ist Jahrzehnte her, dass ich eine zusammengeschusterte Ausgabe gelesen habe und ich hoffe, dass die Lorbeeren, die auf der neuen Übersetzung ausgestreut wurden, sich im Lesevergnügen widerspiegeln. Die ersten Kapitel, in denen sich Don Quijote selbst erfindet und durch die Reflektion seiner ersten Abenteuer optimiert, sprechen nicht dagegen. Da ich jeden Grund zum mäkeln nutzen will (es wird wenig genug geben), fällt mir allerdings die lieblose Einführung von Sancho Pansa auf. Da mein Herz mehr für die Lakaien als für Herren schlägt, muss ich es Cervantes übel nehmen.


    So, ich habe den Freytag beendet. Zum Antisemitismus kann ich nun hinzufügen, dass er verebbt mit den Seiten. Es versöhnt zudem aus heutiger Sicht, dass der Sohn des jüdischen Kaufmanns auch aus moralischen Bedenken stirbt. Qualitativ ist das Werk sicherlich nicht im oberen Level zu finden, salopp gesagt, ich würde es mit Austen vergleichen im Gegensatz zu den Bronte-Geschwistern, sprich mehr auf Unterhaltung angelegt. Aber insgesamt bin ich nicht enttäuscht worden, die Lektüre hat Spaß gemacht, auch wenn ich jetzt keinen Freytag mehr lesen muss (genauso wie ich keine Austen Bücher mehr lesen möchte).


    Folgt man dem Wikipedia Artikel über Freytag, dann kann man ihn nicht Antisemit nennen. Ich bin zwar misstrauig, was Wikipedia betrifft, aber vielleicht kann jemand aus dem Forum, der Zugriff zu einer ausführlichen Literaturgeschichte, bzw. einem Literaturlexikon hat, zu dem Thema noch etwas zur Vertiefung beitragen.
    Bei einem Roman, in dem schließlich Individuen geschildert werden, lässt es sich nicht immer feststellen, ob Klischees aufgeriffen wurden oder ob die Vorlage einer Figur aus einem persönlichen Eindruck des Autors entstanden ist. Es ist natürlich kennzeichnend, wenn bei Freytag und bei Raabe das Bild des Juden so gleichsinnig negativ geschildert ist. Wie ich aus "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff und einem Märchen der Brüder Grimm entnehme war das Judenbild im 19. Jahrhundert schon verbreitet nahe am biologischen Zerrbild angesiedelt. Die Romantik hat da wohl schon ganze Arbeit geleistet.
    Ich bin gesapnnt, wie ich "Soll und Haben" unter diesem Gesichtspunkt einschätzen werde.
    Danke zunächst für deine Einschätzung, die mich nicht abhält den Roman in einige Zeit zu beginnen.


    Um trotzdem eventuell eine Diskussion zum Turm anzuregen, melde ich mich einfach nochmals zu Wort. Stimmt es, dass Manfred von Ardenne als Vorbild für diesen Professor Arbogast diente. Hat es in der DDR eine solche Aristokratie, wie sie z.B. auch in Stefan Heym`s Architekten beschrieben wurde, tatsächlich gegeben? Ich bin einmal gespannt, inwiefern es Tellkamp gelingt, dieses Milieu detaillierter zu schildern. Es gibt sicherlich weitere Beispiele aus einem solchen Umfeld, deren Leistungen durchaus auch internationale Anerkennung erfahren haben dürfte. Da es sich offensichtlich auch um besagten Schlüsselroman handelt, lohnt es vermutlich durchaus, eventuell eine preislich angepasstere Ausgabe zu erwerben, die mit einer erkärenden Personenbeschreibung versehen ist, aufgrund derer sich historische Hintergründe besser nachvollziehen lassen. Sicherlich bedarf es für Außenstehende wie mich und meine bessere Hälfte noch einigen geschichtlichen Nachholbedarfes. Dennoch war vielleicht selbst an der DDR nicht alles schlecht. Die Bildungsministerin soll allenfalls richtig Scheiße gewesen sein :rollen:.


    Freundliche Grüße


    Ardenne ist ganz sicher das Vorbild für die Figur des Arbogast. Zu den anderen Punkten kann ich nichts beitragen.

    An den Romanen interessiert mich nur noch welche konkreten Ereignisse und Erlebnisse T.M. verarbeitet hat, und da erwarte ich vom Kommentar Aufschluss. Die Preise schrecken zunächst tatsächlich ab.Ich hatte auch vor zu fragen, ob sich so ein gewaltiges Projekt wie die GkFA für einen Verlag überhaupt wirtschaftlich rechnet, habe es dann allerdings, wegen des Bemühens der Veranstalter die Diskussion zu beenden, nicht mehr getan. Es wäre sowieso ein Massaker geworden, nachdem das historische Umfeld der "Betrachtungen eines Unpolitischen" in den Vordergrund der Diskussion rückte.


    Hermann Kurzke, einer der Herausgeber und Kommentator der Betrachtungen, gab sich übrigens nicht theologisch, sondern ansatzweise eher deutschnational.

    Ich habe da ein "Verdikt" Marcel Reich-Ranickis im Ohr, das sinngemäß lautet: Freytag ist zurecht ein Fall ausschließlich für die Germanistik geworden. Was wohl heißt: Eine breite Leserschaft hat dieser Autor nicht verdient. Aber es wird noch besser: Ich erinnere mich, dass MRR dieses Urteil auch auf Wilhelm Raabe ausdehnte. Ob sich diese Ablehnung auch auf angeblichen oder tatsächlichen Antisemitismus bezieht, ist mir entfallen. Wäre ein solcher Vorwurf überhaupt berechtigt? Ich kenne mich mit W. Raabe nicht aus.


    Raabes Roman "Der Hungerpastor" ist gewiss antisemitisch. Auch dort werden zwei Charaktäre in ihrer Entwicklung gegenübergestellt. Auf der einen Seite der verschlagene Judenspross, dessen Vater jeden Heller hortet um seinem Jungen aller Vorteile zu verschaffen, auf der anderen der verarmte aber strebsame deutsche Bursche, der sich durch eigenes Mühen und Redlichkeit seinen Platz erarbeitet.
    Beim grünen Heinrich von Keller dagegen findet sich in der Nebenhandlung einiges, das um Verständnis für die problematischen Lebensumstände der jüdischen Bevölkerung wirbt.