• Hallo zusammen!


    Vor ein paar Tagen habe ich Alain für mich entdeckt. Der Name war mir natürlich schon länger bekannt, aber ich habe bisher immer einen Bogen um diesen Mann gemacht - ganz einfach, weil er a) ein beliebter Autor im Französisch-Fremdsprachen-Unterricht an der Gymnasial-Unterstufe ist (ich ihn von daher für eine eher kindliche, leicht verständliche Lektüre gehalten habe) und ich b) einen Autor, der nur mit seinem Vornamen zeichnet, eh nicht ernst genommen habe. Nun, zu a) hätte ich mich daran erinnern sollen, dass im umgekehrten Fall ein Dürrenmatt auch äusserst beliebt ist; und bei b) hätte mich die Erinnerung an Jean Paul warnen sollen. (Abgesehn davon, dass ich jetzt erfahren habe, dass "Alain" ein Pseudonym ist, nicht der wirkliche Vorname von Emile Auguste Chartier ...)


    Nun, ich habe auf jeden Fall einen guten Autor entdeckt mit oft blitzgescheiten Aperçus.


    Eines möchte ich Euch doch nicht vorenthalten:


    Als ich mit einem Professor der Sorbonne über einen Roman Balzacs sprach, der mir gefällt, sagte er mir: »Sie beschäftigen sich besonders mit Balzac?« Worauf ich antwortete, dass ich ihn oft und mit Vergnügen gelesen hätte. »Aber«, sagte er, »wollen Sie denn kein Buch daraus machen?«


    »Ich begreife wohl, Herr Professor«, sagte ich ihm, »dass ein Buch im Grunde genommen etwas ist, worüber man ein anderes Buch schreibt. Aber ich erröte, wenn ich gestehe, dass ich nicht so ernsthafte Gedanken habe, wenn ich einen meiner Lieblingsautoren lese; ich lese zu meinem Vergnügen.«


    Der Professor gibt Alain dann den Rat, doch systematisch zu lesen; d.h. mit einem Notizbuch neben dem Buch, in dem er spaltenweise die Stellen eintragen soll, wo Balzac über die Religion spricht, Soziologisches von sich gebe etc. etc. In der Folge genüge es dann, nicht Balzac zu lesen, sondern seine Notizen. Denn: »Man verliert unendlich viel Zeit, wenn man immer wieder liest.[...]«


    So sprach der Professor der Sorbonne, wobei er sich auf einem Fuss wiegte. Ach, ich begeistere mich noch immer, wenn ich Rousseau lese. Wann werde ich endlich erwachsen?[...]


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus