April 2002: Anna Seghers - Das siebte Kreuz

  • Zitat von "Evelyne Marti"

    finsbury, meine Ausgabe findest Du auf meiner Homepage unter Leserunden, dort mit einem direkten Link zu amazon, Aufbau-Taschenbuch 21. Auflage 2003.


    Seite 149 ist bei mir 6 Seiten nach Beginn des 3.Kapitels/S.144, die Vogelscheuche-Szene taucht in Kapitel 3/I auf.


    Hallo Ivy,


    unglaublich, dass der Verlag so schnell sein Druckbild gewechselt hat. Ich habe auch die AtV-Ausgabe, allerdings die 16. Auflage 2001. Ist denn die neue Ausgabe in neuer Rechtschreibung? Warum hätte der Verlag sonst das Druckbild wechseln sollen? (Oder heißt es Umbruch?) Kostet doch Geld!
    Egal :zwinker:. Die Stelle mit der Vogelscheuche habe ich jetzt entdeckt.
    Klar eine Vorausdeutung auf das siebte Kreuz, gleichzeitig eine Traummetapher, die den Gärtenerlehrling vom Verrat des Flüchtlings abbringt. In 5, II, das ich gerade gelesen habe, wird Fritz auch wieder vorgeladen, weil er sich durch die falschen Angaben verdächtig gemacht hat.


    Zitat von "Evelyne Marti"

    Diese ungeschminkte stumpfe Darstellung ist auch bei den meisten männlichen Nebenrollen wiederzufinden. Interessant, wie eine Schwäche gleichzeitig den realen Kern trifft, viel mehr als Anna Seghers Zeitgenossen es vermochten.


    Ich glaube, Anna Seghers wollte gar nicht, dass wir uns mit Nazideutschland und deren Männern und Frauen anfreunden, sie wollte nicht, dass wir die Täter in irgendeiner Weise psychologisch verstehen und entschuldigen. Wir sollen wissen: Diese Menschen waren stumpf und identitätslos ihrem Führer ergeben, die Inhumanität der breiten kollektiven Masse, Massenpsychose.


    Das denke ich nicht. Dazu schreibt sie zu differenziert und erklärt uns auch die Gedanken, die viele abhalten zu helfen. Z.B. stellt sie den mittleren Bruder von Georg sehr differenziert dar, obwohl er ein SA-Mann ist (5,I). Wirklich brandmarken will sie - glaube ich - nur die Schlächter, wie den KZ-Chef und die Karrieristen, die sich mit Hurra hinter Hitlers Fahnen stellen, um persönliche Vorteile daraus zu ziehen, wie z.B. Georgs jüngster Bruder.
    Natürlich stellt sie sich auf die Seite der Mutigen, aber sie zeigt auch, in welchem System von Ängsten und realem Druck die Menschen gehalten wurden. Ein großartiger Schlüsselroman zum Funktionieren eines faschistischen Systems!


    Bis bald
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hi again! :zwinker:


    finsbury, meine Ausgabe geht, so weit ich es beurteilen kann, immer noch nach der alten Rechtschreibung. Doch mein Buchhändler sagte gleich, es gäbe mehrere ATV-Ausgaben im Umlauf, wahrscheinlich mehrere kleine Auflagen statt eine grosse.
    Das mit der Deindividualisierung ist natürlich nur tendenziell gemeint, vor allem auf die Nazis und deren Frauen gemünzt. Wenn es durchgängig wäre, würde mir der Roman nicht gefallen. Frau Bachmann z.B. ist mir sympathisch, und natürlich Georg, seine Frau, sein Schwiegervater, aber z.B. auch Franz kommen glaubhaft menschlich rüber.


    Ich bin lesetechnisch immer noch nicht weiter, wende Dich also ruhig etwas Deinen zwei anderen Büchern zu. :zwinker:


    Bye, Ivy

  • Hallo zusammen!


    Ich möchte mich entschuldigen, dass ich mich nicht an eurer Runde beteilige, obwohl ich ursprünglich Interesse daran bekundet habe. Leider ist einiges dazwischen gekommen... Seid mir nicht böse.


    Viel Spass noch beim Lesen!


    riff-raff


  • Hallo riff-raff,


    vielen Dank, dass du uns Bescheid sagst. Das kann schnell passieren, dass es eben nicht geht. Viel Erfolg bei dem, was du zu bewältigen hast und...
    vielleicht trifft man sich woanders im Forum! :winken:
    Bis dann
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • Hi Ivy,


    das ist aber schwer mit dem Warten! Meine zwei anderen Bücher sind keine richtige Alternative zum Hauptbuch. Aber ich werde schon allein durch berufliche Pflichten gezügelt. Ansonsten "vergilbe" ich demnächst meine Beiträge, dann könnt ihr sie lesen, wenn ihr so weit seid.


    @ Huhu Michael,


    wo im Buch treibst du dich rum? Oder wahrscheinlich noch bei den Lektüren?!
    Wodurch musst du dich denn quälen? :lol:


    HG an euch beide
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Heyhallo! :breitgrins:


    finsbury, Du brauchst Deine Beiträge nicht gleich zu vergilben, ich hab heute schon weitergelesen und werd Dich schnell einholen.


    Wie weit bist Du denn jetzt genau? Nur schade, dass wir hier keine Lesestandliste führen können, wär doch praktisch.


    Michael, Du kannst ruhig zu Deinem jetzigen Lesestand posten, denn ich blättere gern zurück! :zwinker:


    have a good time, Ivy

  • Hei!


    Ich bin nicht verschollen. :zwinker:
    Und ich kann mich jetzt wieder ganz unserem Buch widmen. (Zwischendurch stand noch Mona Yahia: "Durch Bagdad fließt ein dunkler Strom" auf meinem Pflichtprogramm. Habe ich aber jetzt beendet.)


    Im Siebten Kreuz bin ich jetzt bei Kap 2,VII. Ich werde dazu am Wochenende vielleicht noch das eine oder andere posten.


    Liebe Grüße
    :winken:

  • Hallo, ihr beiden,


    prima, dass ihr wieder beide an Bord seid.


    @ Michael,
    in welchem Zusammmenhang hat man denn eine solche Zwangslektüre? :rollen:


    @Ivy


    Prima, dass ich nicht vergilben muss, mit meiner Software geht das nämlich nicht durch Markieren, sondern ich muss jeden Befehl schreiben, recht lästig :grmpf:.
    Ich bin jetzt in 6,VI und warte immer noch auf den großen Auftritt von Ernst, dem Schäfer, der so vielverspechend eingeführt wurde. Bisher kommt er ja eher mit Nichtigkeiten vor, aber wer weiß...
    Besonders beeindruckt hat mich im letzten Abschnitt - 6,V -, wie Seghers,
    durch das Nachdenken von Paul Röder über einen geeigneten Helfer, mal kurz fast alle Haltungsmöglichkeiten der Sozialisten / Kommunisten während der NS-Zeit am Beispiel seiner Kollegen aufzeigt. Für alle Haltungsweisen führt sie gute Gründe an, auch wenn ihre Sympathien eindeutig sind. Interessant ist ja auch, dass Paul Röder selbst kein Genosse ist und trotzdem der erste, der Georg trotz der dabei existierenden Gefahr bewusst weiterhilft.
    Gurt gefällt mir auch Pauls Tante Katharina Grabber, die Speditionschefin, endlich eine Frauenfigur außerhalb des Klischees! :smile:


    Bis bald
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Heyhallo zusammen! :zwinker:


    finsbury, das tägliche Lesepensum an Deinem Hauptbuch ist ja wirklich beachtlich! Da Du schon im 6.Kapitel bist und das Buch nur 7 Kapitel umfasst, macht es für mich keinen Sinn, Dir in aller Eile zu folgen, denn dann hast Du's schon ausgelesen.


    Mein Vorschlag: Poste uns in der Vorschau, so wie Hyperion und ich es in der Tolstoi-Leserunde machen, und blättere zurück und ergänze, was Dir noch einfällt.


    Da Michael nun Zeit hat und ich Dich nicht mehr einholen kann, ist es klüger, mich Michael anzupassen.


    Ich warte also, Michael, bis Du zu mir in Kapitel 4,III aufschliesst, denn ich möchte ein bisschen mehr auf den Text eingehen und auch zurückblättern.


    Bye, Ivy


  • Hallo Ivy und auch Michael,


    ich habe nicht so ganz verstanden, wie das Posten in der Vorschau geht, obwohl ich mir den Tolstoi-Thread angesehen habe.
    Falls du es mir nicht noch einmal erläuterst, Ivy, lese ich mir immer durch, was ihr geschrieben habt und gebe, bei sinnvollen Ergänzungen, meinen Senf dazu.
    Ich bin jetzt fertig, schau dann aber immer nach euch. Und jetzt halte ich erstmal den elektronischen Mund. :schnarch:
    Bis bald :winken:
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo!


    Oh Gott, bin ja hoffnungslos zurück! :redface:
    Bin jetzt in Kap. 3,III.


    In 3,II finde ich das Kapitelende sehr beeindruckend, im Besonderen die Ausbreitung ihres Geschichtsbegriffes.


    "Die ganze Generation hatte man ausgerottet. (...)
    Wenn man kämpft und fällt und ein anderer nimmt die Fahne und kämpft und fällt auch, und der nächste nimmt sie und muss dann auch fallen, das ist ein natürlicher Ablauf, denn geschenkt wird uns gar nichts. Wenn aber niemand die Fahne mehr abnehmen will, weil er ihre Bedeutung gar nicht kennt?"


    Ein sehr kämpferisch sozialistischer Geschichtsbegriff. In diesem Zusammenhang erscheint das Überleben eines Häftlings - ein Kreuz, das am Ende stehen bleibt - in einem besonderen politischen Licht. Der Nationalsozialismus wird als Bedrohung der Kontinuität von Geschichte gefürchtet und besonders der Geschichte der Arbeiterklasse. So verstehe ich jedenfalls die Stelle.


    Gut gemacht finde ich die Verknüpfung mit dem einzelnen Geschehen. Wallau wird festgenommen und ins Lager zurückgeschleift. Darauf hin die Angst der Häftlinge, keiner bliebe zurück, alle würden gefasst: alle ausgerottet; niemand mehr, der sich erinnern würde.
    Nicht nur der Versuch, die Geschichten des Einzelnen zu tilgen, sondern auch Geschichte in unliebsamen Teilen ganz zu vertilgen.
    Soweit zu dieser Stelle...


    Liebe Grüße,
    Michael

  • Hallo ihr beiden!


    Ich habe im Netz zwei interessante Zitate gefunden:


    „Ich werde einen kleinen Roman beenden, etwa 200 bis 300 Seiten, nach einer Begebenheit, die sich vor kurzem in Deutschland zutrug. Eine Fabel also, die Gelegenheit gibt, durch die Schicksale eines einzelnen Mannes sehr viele Schichten des faschistischen Deutschlands kennenzulernen.“
    (Anna Seghers über „Das siebte Kreuz“ in einem Brief an Iwan Anissimow vom 23.9.1938)
    Quelle: http://www.phil-fak.uni-duesse…en/akt/seghers_kreuz.html


    Interessant an diesem Zitat finde ich besonders, dass sich daraus m.M.n. der Stil erklären lässt. Wie ein Puzzle stellt sie die unterschiedlichen Figuren und Ereignisabfolgen nebeneinander. So kann sie unterschiedliche Sichtweisen parallel betrachten und sie aufeinander beziehen und sie so in einen größeren Bezugsrahmen, sozusagen ein Gesamtbild einordnen.
    Die verschiedenen Teile werden bei Seghers nicht durch Kapitel getrennt, sondern stehen teilweise nur in kurzen Absätzen nebeneinander. Das macht das Buch zumindest in diesem Punkt sehr vielschichtig. Was meint ihr?


    Zweites Zitat:
    Anna Seghers über den Erfolg ihres Romans „Das siebte Kreuz“ in den USA.
    „Man hat mir gesagt, zum Teil hat dieser Erfolg in den USA auch darauf beruht, weil viele Menschen zum erstenmal stutzig wurden; sie haben zum erstenmal verstanden, dass Hitler, bevor er sich auf fremde Völker gestürzt hat, den besten Teil seines eigenen Volkes kaputt gemacht hat."
    (Anna Seghers im Gespräch mit Christa Wolf, 1965)
    Quelle: http://www.phil-fak.uni-duesse…en/akt/seghers_kreuz.html


    Ich habe heute mit dem vierten Kap. begonnen.
    Gebt mich also nicht auf... :breitgrins:


    LG,
    Michael

  • "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers


    "Aus sieben gekuppten Platanen wurden im Konzentrationslager Westhofen Folterkreuze für sieben geflohene Häftlinge vorbereitet. Sechs der Männer müssen ihren Fluchtversuch mit dem Leben bezahlen. Das siebte Kreuz aber bleibt leer."


    "An diesem Roman arbeitete Anna Seghers 1937-1939 in ihrem Pariser Exil. 1942 erschien er in Boston in englischer Sprache, in Mexiko in deutscher Sprache." [...]
    Aus dem Klappentext der ATV-Ausgabe von 1996 (6. Aufl.)



    Angaben und Infos zu Anna Seghers unter folgenden den Links:


    Anna Seghers – Exil in Frankreich
    http://golm.rz.uni-potsdam.de/Seghers/
    Interessante Seite mit vielen Infos zu: Biographie, Exil, Flucht, Projekten


    Anna Seghers Homepage
    http://www.anna-seghers.de/
    Bibliographie / Kontakte zu Gesellschaften & Stiftungen / Archiv / u.v.m.


    Das Erste online –
    Kulturreport zum 100. Geburtstag von Anna Seghers
    http://www.daserste.de/kultur/beitraege/001112_3/default.asp
    Mit Links zu anderen Seiten / Buchtipps / Verfilmungen / Kontakt zur Anna Seghers Gedänkstätte


    Kurzbiographien
    http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/SeghersAnna/


    http://www.lettern.de/spsegh.htm


    Liebe Grüße,
    Michael

  • Hallo zusammen,


    ich habe gesehen, dass wir noch gar keinen Eintrag unter "Gemeinsam Lesen" vorgenommen hatten. Ich habe ein paar Links gesammelt und den Eintrag mal gemacht.


    LG,
    Michael :winken:

  • Hello again! :zwinker:


    Michael, Du hast aber geschwind aufgeholt, alle Achtung! Renn mir nur nicht davon, bevor ich überhaupt posten kann! :breitgrins:


    Ja, das mit der Fahne hat mir auch Eindruck gemacht. Dabei musste ich an meine jüdisch-orthodoxe Freundin denken. Gerade im Judentum wird sehr viel Wissen mündlich an die nächste Generation weitergegeben. Es ist also tatsächlich ein immenses Wissen verloren gegangen. Und die Erinnerung an die Verstorbenen ist im Judentum sehr gewichtig.


    Das alles lässt sich aber auch auf alle anderen Opfer des Holocaust ausweiten bis zu unserer heutigen Nachkriegs-Folge-Generation. Der Holocaust (Shoa im Judentum genannt) hat einen Riss in unsere Kultur geschlagen, der noch heute spürbar ist. Gerade in den USA wird Deutschland noch viel mehr als Nazi-Deutschland gesehen, wie mir meine amerikanische Freundin schrieb. Spielberg soll ja enorm überrascht gewesen sein, als er die "netten" deutschen Nazi-Darsteller in den Dreharbeiten kennenlernte. Na ja, allerhand Vorurteile auf allen Seiten. :breitgrins:


    finsbury, gib nur Deinen Senf dazu, wie Du magst. Ich hoffe, Du wirst mit Deinen PC-Sorgen fertig, hatte gestern auch Probleme, heute geht's wieder.


    Bye, Ivy

    LG&nbsp; Evelyne<br /><br />relectis.ch

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  • Zitat von "Michael"

    Interessant an diesem Zitat finde ich besonders, dass sich daraus m.M.n. der Stil erklären lässt. Wie ein Puzzle stellt sie die unterschiedlichen Figuren und Ereignisabfolgen nebeneinander. So kann sie unterschiedliche Sichtweisen parallel betrachten und sie aufeinander beziehen und sie so in einen größeren Bezugsrahmen, sozusagen ein Gesamtbild einordnen.
    Die verschiedenen Teile werden bei Seghers nicht durch Kapitel getrennt, sondern stehen teilweise nur in kurzen Absätzen nebeneinander. Das macht das Buch zumindest in diesem Punkt sehr vielschichtig. Was meint ihr?


    Hallo ihr beiden,


    Das Zitat und deine Erläuterungen, Michael, haben mir ein Licht aufgesteckt. :idea: Ich habe mich am Ende der Lektüre sehr gewundert, dass einige Personen ausführlich abgehandelt wurden, die schließlich mit der konkreten Rettung Georgs gar nichts zu tun hatten, wie Franz oder Ernst, von dem ich noch so viel erwartet hatte.
    Aber jetzt verstehe ich, dass damit verschiedene Menschentypen und Reaktionsweisen in Georgs Flucht gespiegelt werden und gar nicht unbedingt etwas mit dem unmittelbaren Handlungsverlauf zu tun haben müssen.


    Ich denke auch wie ihr beiden, dass es Seghers nicht um das Einzelschicksal geht, sondern um eine Art marxistisch/ hegelianischen Weltgeist, der durch das Gedenken und die Mithilfe unter persönlicher Selbstaufgabe selbst in finsteren Zeiten die Arbeiterklasse in ihrer Hoffnung aufrecht erhält. (Himmel, was für ein geschwollenes Geschwafel! :redface: Jetzt hör ich lieber auf!)
    Tschüss
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo Ivy, hallo finsbury,


    komme jetzt ganz flüssig mit dem Lesen weiter und bin in Kap 5,III angekommen. Hier, finde ich, werden besonders wichtige "Typen" ausgefeilt, wie z.B. Röder und Sauer. Der Kontrast im Verhalten der beiden hat mich besonders beeindruckt.


    Zitat

    Aber jetzt verstehe ich, dass damit verschiedene Menschentypen und Reaktionsweisen in Georgs Flucht gespiegelt werden und gar nicht unbedingt etwas mit dem unmittelbaren Handlungsverlauf zu tun haben müssen.


    Ich verstehe die Flucht Georgs und die bedrohliche Situation, die sich im Einzelnen davon ableitet, als den Auslöser, der jede einzelne Figur in eine besondere, teils existenzielle Situation bringt. In der Summe der Charaktere und Reaktionen entsteht wahrscheinlich das Geselschaftsbild, das Anna Seghers vorschwebte. Ein Bild, das die gesellschaftlichen Zusammenhänge des Nationalsozialismus, ausgehend von ihrem politischen Ansatz zu erklären versucht.


    Ob mir Anna Seghers Stil in seiner Gänze allerdings zusagt, weiß ich für mich noch nicht so richtig zu beantworten. Manchmal stößt ihre Sprache in mir auf einen noch unbestimmten Widerstand. Vielleicht können wir das einmal thematisieren, wenn wir alle durch sind.


    Bis dann,
    Michael

  • Hallo,


    ich fange jetzt mit dem letzten Kapitel an. Ich denke, bis Samstag dürfte ich Das siebte Kreuz gelesen haben.
    Wie sieht es bei dir aus Ivy?


    Gegen Ende des Buches entwickelt sich in der Personenkonstellation schon eine ganz schöne Spannung, oder?


    Bye,
    Michael

  • Zitat von "Michael"

    Ob mir Anna Seghers Stil in seiner Gänze allerdings zusagt, weiß ich für mich noch nicht so richtig zu beantworten. Manchmal stößt ihre Sprache in mir auf einen noch unbestimmten Widerstand. Vielleicht können wir das einmal thematisieren, wenn wir alle durch sind.


    Bis dann,
    Michael


    Hallo, ihr beiden,


    dann seid ihr ja demnächst auch durch.


    Was meinst du denn mit Stil, Michael? Allein die sprachlich Verwirklichung oder auch die Intention, die hinter der Story steht?


    Ich habe von Seghers zuerst die frühen Erzählungen gelesen und die fand ich vom Sprachlichen her sehr dröge, so dass das "Siebte Kreuz" schon ein bisschen abgelagert war, bis mich diese Leserunde dazu animierte.
    Dieses Buch finde ich viel fesselnder geschrieben, aber meine Lieblingsautorin wird Anna Seghers nicht. Dazu lassen mich viele Personen - unabhängig von den Ereignissen, nur als Typ - zu kalt und einige interessante wie Franz und Ernst greifen gar nicht richtig in die Handlung ein. Komisch finde ich auch die vielen Verniedlichungsformen in den Spitznamen, dagegen die andeutenden Landschaftsschilderungen schön.
    Insgesamt finde ich es sehr berührend, wie sie das Schicksal der politisch Verfolgten und deren trotziges "Dennoch" schildert.


    Ich lese jetzt von Jorge Semprun "Der Tote mit meinem Namen", auch ein Stück "Lager"literatur.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Heyhallo Ihr beiden Schnell-Leser! :breitgrins:


    Nicht dass ich besonders langsam lese, doch Ihr habt mich eindeutig übertroffen, alle Achtung!


    Daraus lässt sich schliessen, dass ich noch nicht beim letzten Kapitel bin. :breitgrins:


    Mein momentaner Lesestand, den ich heute noch Richtung Schluss verändern werde: Kapitel 5/III, demnach 136 Seiten hinter Dir, finsbury. :breitgrins:


    Schön, dass Du Dich noch nicht ausgelinkt hast aus dem Gespräch, denn es gibt trotz der offensichtlichen Schwächen doch viele poetischen Passagen in Anna Seghers Buch, vor allem die Naturbeschreibungen, aber auch dort, wo Anna Seghers sich entschliesst, tiefer in die Persönlichkeiten der Figuren einzutauchen, etwa Georg, und später z.B. Röder und Sauer, welche gut gezeichnet und in die vermisste Psyche blicken lassen. Sauers Blick in den Spiegel werd ich wohl nie vergessen.


    Michael, ich versuch aufzuholen, hab halt noch andere Leserunden und zudem nun meine Klassiker-Website, welche ich laufend ausbaue (nun mit Hörbuchfassung von Anna Seghers Siebten Kreuz).


    Noch etwas: Anna Seghers Schreibstil erinnert mich stark an Hemingway, schon von Anfang an, also nicht unbedingt sehr weiblich, hat vielleicht ideologische Hintergründe, aber auf alle Fälle auch mit der Kämpfernatur des Protagonisten zu tun.


    Übrigens: Ich hab schon lange nicht mehr Spencer Tracy im Kopf, wenn ich von Georg lese. Anna Seghers markanter Stil hatte genug Kraft, um den literarischen Georg lebendig werden zu lassen. Darin ist sie gut, sie kommt auf den Punkt und schwafelt nicht herum, erfrischend und auf alle Fälle auch poetisch.


    Der dialekthafte Stil hat den Nachteil, dass er irgendwie trivial wirkt, es ist eben nicht schöndeutsch. Doch dieses Problem teilt sie mit vielen Autoren, siehe z.B. meine (noch) aktuelle Ulysses-Leserunde (auf meiner Site).


    Bye, Ivy