Rilke Reloaded

  • Hallo zusammen!


    Irgendwie ist sowas offenbar ansteckend ...


    Ich habe gerade in einem anderen Lese-Forum - ich wollte sehen, wie es Steffi-Bücherkiste mit ihrem SUB so geht - gesehen, dass sogar eine Foren-Masterin*), die ansonsten gutes Deutsch schreibt, das Wort "re-readen" verbricht, nur um den Ausdruck "noch einmal lesen" nicht doppelt zu verwenden. :entsetzt:


    Bin ja auch kein Sprachpurist, aber das fand ich dann doch heavy :breitgrins:


    Greetz


    Sandhofer


    *) Masterin, Mistress? - Klingt für mich beides nach einer gewissen Szene ... :smile:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo ihr Lieben,


    da ihr jetzt fast alle meinen Einwurf, das "Reloaded" beziehe sich auf den Film Matrix angezweifelt habt, habe ich gerade kurzerhand die Pressestelle des Goldmann Verlages angeschrieben und nachgefragt. Hier die antwort von Frau Dr. Heinzius:


    Sehr geehrte Frau Kasper,


    die Idee zu dem ungewöhnlichen Titel kam uns im Zusammenhang mit dem Film
    "Matrix Reloaded". Dass wir uns für eine so moderne Verpackung eines
    Klassikers entschieden haben, hat vor allem folgenden Grund:
    Unser Band ist parallel zur 3. CD des "Rilke Projekts", "Überfließende
    Himmel", unserer Kollegen von der BMG erschienen. Und ebenso wie die BMG
    möchten wir neben den "üblichen Verdächtigen" auch ein jüngeres Publikum
    erreichen und zum Lesen eines großen Klassikers animieren.
    Unser Beispiel hat übrigens schon Schule gemacht: Auf arte lief im Februar
    ein Beitrag mit dem Titel "Kant Reloaded".


    Mit freundlichen Grüßen


    Barbara Heinzius


    Dr. Barbara Heinzius
    Lektorin
    Goldmann Verlag


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallöchen,
    Danke Nimue Kasper. :smile: , danke Dr. Barbara Heinzius !!!
    Hab ich es nicht gesagt? Na hab ich's nicht gesagt? :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Tschüsi :winken:

    John fragt ihn: "Did you come?"
    <br />&quot;No&quot;, antwortet der Alte.
    <br />John fragt ihn: &quot;Did she come?&quot;...

  • thread reloaded by Bayern


    Hallo,



    Vor rund 150 Jahren kämpften die Sprachpuristen gegen den Einfluss der französischen Sprache auf die deutsche. Ich bin der Meinung: Langfristig werden sich nur Fremdwörter in der deutschen Sprache etablieren, die

    - entweder einen Sinn machen, weil sie zusammen mit dem Objekt oder der Tätigkeit importiert wurden. Diese Wörter werden sich im Lauf der Zeit auch völlig assimlieren. (Wer denkt heute schon noch daran, wenn er ein Fenster öffnet, dass er dies nur kann, weil die ollen Germanen Wort wie Gegenstand von den Römern geklaut haben?)
    - Oder weil sie eine bestimmte Nuance ausdrücken, über welche die deutsche Sprache ohne dieses Fremdwort nicht verfügen könnte.[/list:u]Modewörter sind als solche zwar eine Plage, verschwinden aber äusserst schnell.


    Im bayrischen Sprachraum gibt es jede Menge Französismen, die keines der genannten Verbleibe-Kriterien erfüllen - Portemonnaie, Trottoir, Plumeau, boeuf à la mode (genannt böflamotte), Gillet - so aus dem Stand.
    Ist das jetzt eine bayrische Sonderheit oder grassieren diese Wörter auch noch in anderen Teilen Deutschlands?


    fragt, mit Gruß
    g.

  • Im bayrischen Sprachraum gibt es jede Menge Französismen, die keines der genannten Verbleibe-Kriterien erfüllen


    Gallizismen - aber dies nur nebenbei :zwinker:. Doch, sie erfüllen diese Kriterien. Alle diese Gegenstände wurden aus Frankreich importiert. Dass die Bayerm z.B. den preussischen "Gehsteig" nicht übernehmen wollten, findet mein vollstes Verständnis. :breitgrins:


    Ist das jetzt eine bayrische Sonderheit oder grassieren diese Wörter auch noch in anderen Teilen Deutschlands?


    Hätt' ich doch beinahe hingeschrieben: in der deutschsprachigen Schweiz :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins: .


    Nächste Frage, was ist denn das Komisches hinter meinem "g."?


    Ein Rest von BBCode ... :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Gallizismen - aber dies nur nebenbei :zwinker:. Doch, sie erfüllen diese Kriterien. Alle diese Gegenstände wurden aus Frankreich importiert. Dass die Bayerm z.B. den preussischen "Gehsteig" nicht übernehmen wollten, findet mein vollstes Verständnis. :breitgrins:


    Also wenn Gehsteig französische Entwicklungshilfe für Durch-den Schlamm-Schlurcher war, wie Du sagst, dann ist der Gallizismus (Danke!) verständlich. Aber Federbetten, Geldbeutel, Vesten (auch nicht sehr deutsch) entpuppen sich hoffentlich nicht ebenfalls als Importe :zwinker:, die existierten doch bereits und die französische Bezeichnung ist dennoch im Deutschen verblieben (deutschlandweit oder nur bei uns Bayern?)
    Ich wüßte zu gerne, ob das eine rein deusche Macke ist, alles "schicker" zu finden, als das eigene Idiom. Andere Völker ersetzen, soweit ich weiß, im Wesentlichen ihre eigenen Worte auch nicht seit Jahrhunderten durch fremde wechselnder Herkunft, sondern entlehnen nur bereichernde Begriffe, die sie selbst eben nicht haben - die Amerikaner z.B.Schönes aus der Sprache der Dichter und Denker: Zeitgeist (verwenden auch die Italiener), Doppelgänger, Hinterland usw.

    Goethe in ´"Dichtung und Wahrheit": "Der Deutsche.....begab sich bei den Franzosen in die Schule, um lebensartig zu werden, und bei den Römern, um sich würdig auszudrücken; Dies sollte aber auch in der Muttersprache geschehen; da denn die unmittelbare Anwendung jener Idiome und deren Halbverdeutschung sowohl den Welt- als Geschäftsstil lächerlich macht...." paßt heute noch genau so.
    Ob uns wohl sale, coffee to go, push/pull an Türen etc.etc. ohne Ende auch bleiben werden? Oder ob sowas nur eine vorübergehende Mode ist, die, so mein Verdacht, hauptsächlich jenen ein polyglottes Gefühl verleiht, die weder Englisch noch Deutsch beherrschen?
    Die richtige flexible Mitte zwischen Deutschtümelei und sinnloser Pidginisierung, gibt's dafür einen Verein? Das wäre mal einer, dem ich betreten würde.
    Die "smilies" aber übernehme ich freiwillig :smile:, wie das Trottoir :grmpf:
    und was ein BBcode ist, das frag ich gar nicht erst :redface:
    Gruß
    g.

  • Aber Federbetten, Geldbeutel, Vesten (auch nicht sehr deutsch) entpuppen sich hoffentlich nicht ebenfalls als Importe :zwinker:, die existierten doch bereits und die französische Bezeichnung ist dennoch im Deutschen verblieben (deutschlandweit oder nur bei uns Bayern?)


    Ich bin ja nun auch kein Kulturhistoriker. Vielleicht existierten sie, vielleicht auch in einer andern Form und das französische Wort hat sich dann für die neue + für die alten Formen von z.B. Geldbeuteln durchgesetzt.


    Ich wüßte zu gerne, ob das eine rein deusche Macke ist, alles "schicker" zu finden, als das eigene Idiom.


    Auch die Franzosen kämpfen seit Jahren gegen das "Franglais" ...


    Oder ob sowas nur eine vorübergehende Mode ist, [...]


    Wie bereits gesagt: Ich halte es für vorübergehend.


    Und BBCode ist die Programmiersprache, die z.B. erlaubt, Wörter fett oder kursiv zu gestalten, oder eben Listen zu basteln in einem Beitrag. :zwinker: :breitgrins:

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  • Zitat von "gantenbeinin"

    Ich wüßte zu gerne, ob das eine rein deusche Macke ist, alles "schicker" zu finden, als das eigene Idiom. Andere Völker ersetzen, soweit ich weiß, im Wesentlichen ihre eigenen Worte auch nicht seit Jahrhunderten durch fremde wechselnder Herkunft, sondern entlehnen nur bereichernde Begriffe, die sie selbst eben nicht haben -


    Nein, das ist keine deutsche Macke, so etwas gibt es auch in anderen Sprachen. Im Japanischen gibt es viele engl. Lehnwörter, auch für so alltägliche Dinge wie "Milch", "Gebäude", "Wippe", "Saft", "Messer" (jap. "naifu") oder "Tür" (jap. "doa"). Es geht dabei also gar nicht immer darum, daß es für irgendwelche Dinge noch keine einheimischen Wörter gibt. Das deutsche Wort "Kopf" ist ja auch entlehnt (von lat. cuppa) und hat das einheimische Wort (ahd. houbit, heute: "Haupt") beiseite gedrängt. Wenn eine Sprachgemeinschaft mit einer kulturell überlegenenen oder als vorbildhaft angesehenen Kultur in Kontakt kommt, dann werden da oft auch Wörter entlehnt, für die es bereits einheimische Wörter gibt (oder zumindest geben könnte, wenn man sie benutzen würde). Heutzutage hat das Englische weltweit einen großen Einfluß, früher war es bei uns das Französische oder Lateinische. Im Japanischen war es früher das Chinesische.


    In der heutigen Werbesprache werden sehr viele Anglizismen verwendet (vgl. das erwähnte "coffee to go"), aber die Werbesprache ist eben auch eine Sondersprache, die nicht mit der normalen Alltagssprache gleichzusetzen ist. Solche Wortblüten wie "Moonshine-Tarif" haben meist nur eine kurze Lebensdauer. Manche Fremdwörter dringen allerdings auch in die Alltagssprache ein, wie man es momentan bei "Job" erleben kann. Dieses Fremdwort gibt es zwar schon länger im Deutschen, aber früher bezeichnete es eine Gelegenheitsarbeit. Heute reden Politiker davon, daß man mehr "Jobs" schaffen müsse, und daß es zu wenige "Jobs" gebe. Vor 10 oder 20 Jahren hätte man in diesem Kontext nicht von "Jobs", sondern von "Arbeitsplätzen" geredet. Aber dieses Beispiel zeigt eben auch, daß die Fremdwörter meist die deutschen Wörter nicht verdrängen können, denn Wörter wie "Arbeitsplatz", "Arbeitsstelle" usw. kann man natürlich immer noch benutzen. Neben Fremdwörtern wie "Moment", "Autor" und "Computer" gibt es auch die deutschen Entsprechungen "Augenblick", "Verfasser" und "Rechner", die ungefähr dasselbe bedeuten, wenn sie auch nicht in jedem Kontext mit dem Fremdwort austauschbar sind. Fremdwörter können auch eine Bereicherung sein, wenn man sie nicht gedankenlos verwendet. Oft werden ja Fremdwörter nur deshalb verwendet, weil einem auf die Schnelle kein anderes (deutsches) Wort einfällt.


    In den zwanziger Jahren ist ein interessantes Wörterbuch erschienen, das "Verdeutschungsbuch" von Eduard Engel. Wie der Untertitel "Ein Handweiser zur Entwelschung" zeigt, war der Autor glühender Fremdwörterfeind. :-) Trotzdem ist dieses Wörterbuch auch heute noch lesenwert, denn es listet die Fremdwörter alphabetisch auf und bietet für jedes Fremdwort eine Menge deutscher Übersetzungsmöglichkeiten an. Man kann es also als Thesaurus benutzen. Für "düpieren" findet man dort 120 deutsche Ausdrücke, für "Hypochondrie" immerhin noch elf. Es kann natürlich trotzdem sein, daß "düpieren" oder "Hypochondrie" in einem bestimmten Kontext die beste Wahl ist, aber das kann man umso besser beurteilen, je mehr Wörter man kennt.


    Für heutige Fremdwörter gibt es dieses Wiki-Projekt: <a href="http://de.wikibooks.org/wiki/Fruchtbringendes_W%C3%B6rterbuch">Fruchtbringendes Wörterbuch</a>. Dort findet man manchmal etwas Brauchbares. Zitat aus dem Vorwort:


    <i>»Spaß ist ein gutes Stichwort, denn verbiesterten Purismus wollen wir anderen überlassen. Der Spaß am schöpferischen Wortspiel ist einer der Hauptgründe, warum dieses Projekt entstanden ist – und warum man daran mitwirken sollte.«</i>


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo Wolf,


    das "Fruchtbringende Wörterbuch" ist phantastisch! Danke für den Hinweis. Obwohl kein Deutschtümler, ärgere ich mich jedesmal, wenn ich evozieren, emergieren, düpieren etc etc sage, weil es weiter vorne auf der Zunge liegt; unnötige, dumme Deutschverluste sind das und jedes Mal fällt das deutsche Wort noch nachhaltiger aus den aktiven, viel bunteren Möglichkeiten unseres Sprachschatzes.
    Daß ein bayrischer Bauer, noch in den 1950zigern, beim linksrum Pflügen seinen Ochsen "Wister" , also sinister zurief, zeigt auch die merkwürdige Selektivität der Übernahme und des Bleibens von Begriffen aus den "Leitkulturen" ("rechts"hörten die Ochsen nämlich schon deutsch. Vielleicht war es sogar nur wg. eines tabuisierten, sinistren "links").


    Daß aber bereits syntaktische Anpassungen an's Englische vollzogen werden, das hat oder wird zu einem Verlust spezifischer Denkpotentiale führen..
    Und aus der blindwütigen Übernahme von allem und jedem, z.B. dem Ersatz von Allerheiligen durch Halloween und der Übernahme von Santa Claus "emergiert" dann ja auch keinerlei Zusatzgewinn, sondern nur Verluste eigener Traditionen und eine Reduktion interessanter, belebender Unterschiede.


    Ich schreite zum Lernen der Vokabeln aus dem Fruchtbringenden Wörterbuch :winken:
    Gruß
    g.