Definition Klassiker

  • nach Gero von Wilpert im "Sachwörterbuch der Literatur"


    Klassiker, die Vertreter der Klassik (siehe dort) oder allgemein die größten Dichter einer Nation, die in die Weltliteratur hineinragen und deren Werke durch vollendete Gestalt mustergültig sind; in deutscher Literatur noch ausgedehnt auf die hervorragenden Dichter des 18. Jh. Als Wegbereiter der Klassik, also neben Goethe und Schiller noch Klopstock, Herder, Wieland und Lessing infolge ihrer gemeinsamen Rückbeziehung auf die Antike.


    Heute ist der Begriff besonders durch die billigen "Klassiker"-Ausgaben fast aller druckfreien Dichter sehr ungenau geworden und bezeichnet je nach dem Kontext:


    1. Autoren der antiken griechischen und römischen Literatur, 2. an den antiken Mustern, Themen und Ideen orientierte moderne Autoren, 3. Autoren der jeweils nationalen Klassik (siehe dort), 4. erstrangige moderne Autoren allgemein, 5. bahnbrechende, mustergültige Autoren einer Gattung (Klassiker des Kriminalromans z.B.), 6. mustergültige, wegweisende Künstler anderer Bereiche: Klassiker des Rock, des Stummfilms usw., fälschlich auch auf die Werke selbst.


    Klassik (lat. Classicus = zur 1. höchsten Steuerklasse gehörig, daher = materiell und geistig hervorragend, seit Gellius erscheint scriptor classicus als mustergültiger Schriftsteller ersten Ranges) bezieht sich seit der Anerkennung des antiken Vorbildes in der Renaissance auf Kultur, Kunst und Literatur des griech.-röm. Altertums, dann erweitert auf den Charakter des Mustergültigen, Vorbildlichen als Normbegriff; schließlich übertragen auf die kulturellen Höchstleistungen eines Volkes und damit zur lit.-geschichtl. Epochenbezeichnung geworden.


    Klassik in Griechenland Zeitalter des Perikles, in Rom das unter Augustus, in Italien die Renaissance, Dante bis Tasso, in Spanien das goldene Zeitalter Caldérons und Cervantes, in England das elisabethanische Zeitalter, Shakespeare, in Frankreich das Zeitalter Ludwig XIV, Corneille bis Racine, in Deutschland die sogenannte Weimarer Klassik oder Goethezeit.

  • (geschrieben im Forum am 28. Februar 2001, 19:21:40): ... bis jetzt (seit 3 Minuten g) weiss ich noch kein Gegenbeispiel, aber vielleicht faellt euch was ein Klassiker werden nie (zumindest nie fuer lange) out-of-print. Kann das sein?

  • Hallo zusammen


    Gerade ist ein neues Buch erschienen. "Die kurze Geschichte der deutschen Literatur" von Heinz Schlaffer.
    Darin eine interessante Klassiker-Definition.


    Nach Herrn Schlaffer sollte ein Klassiker "gleichzeitig vergangen, erinnert und gegenwärtig" sein.


    Ich finde das vor allem in der Kürze und Prägnanz eine sehr gute Definition.


    Viele Grüße
    ikarus

  • Auf die Frage "Wer bestimmt heute eigentlich, was ein Klassiker ist, das Feuilleton, der Verleger oder der Autor selbst?" antwortete Martin Walser:


    Der Gebrauch eines Autors macht aus ihm einen Klassiker. Wenn die Gesellschaft oder die Bevölkerung oder das Volk ihn gebraucht, dann ist er ein Klassiker. Das habe ich schon 1974 in dem Aufsatz »Was ist ein Klassiker?« begründet. Karl May ist zum Beispiel ein Klassiker. Nicht Akademien und schon gar nicht Kritiker können einen Autor zu einem Klassiker machen. Das ist alles abstrakter Kulturbetrieb, der ist saisonal gebunden, und danach richten sich die Leute nicht. Karl May - für das Feuilleton ist er nur ein TrivialautorDamit wäre auch meine ganze glühende Leseerinnerung vom achten bis zum zwölften Lebensjahr verurteilt ins Trivial-Ghetto. Also, grotesk! Das lasse ich mir meiner Kindheitserinnerung zuliebe nicht gefallen. Karl May ist und bleibt ein Klassiker. Ich habe letztes Jahr »Winnetou« wieder gelesen. Ein hervorragender Autor! Ich habe meinen Kindern, immer wenn sie krank waren, Karl May vorgelesen. Ein Beweis seiner Brauchbarkeit.


    Quelle

  • Dazu möchte ich eine Klassiker-Definition von Heinz Erhardt hinzufügen. Aber Vorsicht, der Gute hat einiges durcheinander gewürfelt, natürlich beabsichtigt ;-)

    Es gibt Dichter, die noch leben, aber trotzdem gut sind. Dann gibt es Dichter, die schon tot, aber um Klassen besser sind. Das sind die Klassiker.


    Ihre Werke stehen in hohen Ansehen und in jedem Bücherschrank. Aber die ledernen Einbände stehen oft in keinem Verhältnis zu ihrem Inhalt. Nur der "Lederstrumpf" des Klassikers Karl May ist alles andere als ledern, sondern geheftet und in billigen kleinen Ausgaben zu haben, weil sich die Knaben keine großen Ausgaben leisten können. Sie opfern ihr letztes Taschengeld und ihren ersten Schlaf, um den Heißhuner nach dem Lederstrumpf befriedigen zu können.


    Doch es gibt noch andere Klassiker, die von den Schulklassen gelesen werden, allerdings weniger gern, wie zum Beispiel Schiller. Ehe Schiller beschloss, Dichter zu werden, versuchte er sich an anderen Unternehmungen. So verfertigte er eine Taucherglocke, und für Herrn Polykrates schmiedete er einen Ring. Nun hatte er Zeit und Geld genug, sich dem Dichten zuzuwenden. Als guter Geschäftsmann verlockte er die Schüler zum Lernen seiner Gedichte, indem er für sie die so genannten Schillerlocken bug, an die sich die älteren Semester sicher noch erinnern werden.


    Über Wolfgang Amadeus von Goethe möchte ich nur so viel sagen, dass auch seine Werke in den Schulen gelesen werden müssen. Doch müsste sein Götz von Berlichingen für Jugendliche unter achtzehn Jahren verboten werden. Aber sogar die Theater spielen ihn, und die Schüler werden unter Zwang in die Vorstellungen getrieben, sodass sie bald unter Zwangvorstellungen leiden.


    Dann wäre noch ein anderer Klassiker zu erwähnen, nämlich Heinrich von Kleist. Er wurde ausgebombt und rettete nur einen zerbrochenen Krug. Nicht einmal Kleist war imstande, ihn wieder zu kleistern.


    Viele Grüße
    Maria :)

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)