Hallo zusammen
ich habe mir letztens die Hörspielfassung: Pygmalion angehört.
Ein bißchen hatte ich doch das Musical im Sinn, als ich mit dem Hörbuch begann. Ich setzte voraus, daß es wohl ein Happy-End geben mußte. Gab es auch, aber ganz anders als erwartet und dieses Ende hat mir sogar noch besser gefallen. Also wer sich das Hörbuch zulegt, muß sich auf eine andere Fassung einstellen:
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dazu mal einen Auszug aus der Hörbuchbeilage:
"Shaw nannte seine Komödie eine "Romanze", was wie bei dem späteren Musical die Erwartung auslöst, dass es sich hier um die Geschichte einer Liebesbeziehung handelt, die - zwar nach Schwierigkeiten, wie sich dies für eine Komödie ziemt - im "happy end" der Heirat mündet. Das offene, ambivalente Ende war Stein so manchen Anstoßes von Seiten der Kritiker wie auch des in seinen Erwartungen betrogenen Zuschauers, denn in der Verweigerung des traditionell glückseligen Ausgangs foppt er sein Publikum und belehrt es - ungewollt - obendrein moralisch. Die Kritik veranlasste Shaw sogar, den Schluss für eine Verfilmung (1936) und ein nachfolgendes Drehbuch (1941) eindeutiger zu gestalten, allerdings einmal in Richtung einer Heirat mit Higgins, das andere Mal mit der
Nbenfigur Freddy...
Eliza wiederum besitzt nun durch ihr Erwachen auch die geistige und emotionale Kraft, dieses Paradox zu erkennen. Nicht die Bildung macht den Menschen - Higgins verkörpert geradezu das Manko dieser Denkart, für ihn bleibt Eliza eine "Gossenschlampe" -, sondern die Empathiefähigkeit sich und anderen gegenüber.
Shaw stützt sich in seinem Drama auf die klassischen Legende von Pygmalion, zypriotischer König und Bildhauer, der sich in seine eigene Skulptur verliebte. Aphrodite verlieh dieser Statue Leben und verwandelte sie in eine Frau aus Fleisch und Blut: Galatea. In der Überlieferung des Mythos in Ovids Metamorphosen gibt es eine Vorgeschichte, wonach Aphrodite, über die mangelnde Ehrerbietung der Frauen von Zypern verärgert, diese mit dem Verlust ihres Schamgefühls bestraft. Pygmalion wiederum ist darüber derart erbost, dass er sich weigert, eine solch lasterhafte Frau zur GAttin zu wählen. Deshalb schafft er sich seine eigene Frau - aus Elfenbein. Auf sein Flehen hin hat Aphrodite ein Einsehen und verleiht dieser tugendhaften Frau Leben. Pygmalion fand in seiner Gattin folglich beides: eine moralisch sittsame und eine körperlich
begehrenswerte Frau.....
...Es ist offensichtlich, dass die Gestalt Higgins' sich an die Künstlerfigur
Pygmalion anlehnt. Gravierend sind jedoch die Abweichungen: Higgins ist - entgegen dem mythischen Vorbild - in seinem Verhalten geradezu frauenfeindlich.
Daher ist die Motivation für die Metamorphose auch eine ganz andere: Es geht ihm nur um die Befriedigung des eigenen Ego, nicht um die Sehnsucht nach einer Wunschfrau. Auch von der zweiten Quelle, auf die sich Shaw stützt, nämlich Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung", weicht er in diesem Punkt ab. War bei Shakespeare das Ziel des Helden Petruchio, die widerspenstige Katherina mit brachialer Gewalt zur sanften, gehorsamen Ehefrau zu trimmen, so verlässt Eliza emanzipiert und widerspenstig die Bühne - zumindest in der ersten Fassung, die
auch für das Hörspiel gewählt wurde. Am Ende siegt nicht der Schöpfer und Meister Higgins/Pygmalion, wie der Titel suggeriert, sondern die Kreatur und Kunstfigur Eliza/Galatea..... Insofern ist das im Sinne der Romanze unbefriedigende offene Ende tatsächlich ein glückliches: Eliza steht - in der Loslösung aus den bourgeoisen Restriktionen und der Entfaltung ihrer moralischen und emotionalen - und rhetorischen! - Qualitäten - nun die Welt offen. (von Ralph J. Poole)"
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Ein Grund in den Metamorphosen nach "Pygmalion" zu schauen und Shakespear's "Der Widerspenstigen Zähmung" hervor zu holen.
Die Stimmen sind sehr gut in diesem Hörbuch gewählt. Ich habe sowieso eine Schwäche für Otto Sanders (die Stimme von Pickering). In Peter Fricke' Stimme als Higgins hört man die Verachtung für das Gossenmädel heraus und Elizas Stimme ist oft so schrill, daß nicht nur Higgins und Pickering die Haare zu Berge stehen, sondern auch dem Hörer :breitgrins:
Viele Grüße
Maria