Ich gönne mal dem berühmten Upton Sinclair mit seinen vielen international bekannten Romanen einen Thread unter den Klassikern, ist er hier doch in dem Thread Amerikanische Klassiker mehrfach als solcher genannt worden.
Upton Sinclair
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Upton Sinclair: Öl! (1927)
Upton Sinclair (1878-1968) war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der besonders für seine sozialkritischen, fast dokumentarischen Romane berühmt wurde. Sein bekanntester Roman ist „The Jungle“ (1905/0 6), der sich mit den sozialen und hygienischen Verhältnissen in der amerikanischen Fleischindustrie beschäftigt. Sinclairs Romane wurden besonders auch in Deutschland während der Zwanziger Jahre sehr viel gelesen. Der hier vorgestellte Roman „Öl!“ zeichnet die Verhältnisse in der kalifornischen Ölindustrie von den Anfängen in den Zehner Jahren bis in die Mitte der Zwanziger Jahre nach, greift aber auch weit darüber hinaus.
Inhalt
Der Roman beginnt damit, dass der halbwüchsige Arnold Ross jun., genannt Bunny, mit seinem Vater Arnold Ross sen. an die kalifornische Küste unterwegs sind, weil dort ein neues Ölfeld erschlossen werden soll. Während sich die Eigentümer des stark parzellierten Gebietes wegen der zu erwartenden Gewinne bis aufs Blut zerstreiten, weil jeder Angst hat, übervorteilt zu werden, lernt Bunny einen etwas älteren Jungen, Paul Watkins kennen, der vor seiner bigotten Familie, die dem Pfingstglauben anhängt, geflohen ist und nun auf der Suche nach Nahrung und Arbeit ist. Die Beziehung zu Paul und Bunnys Wachsen an dessen sozialkritischen Ansichten ziehen sich durch den ganzen Roman. Arnold Ross sen. ist ein Geschäftsmann alten Schlags, hat sich vom Maultierkarrenfuhrmann zu einem unabhängigen Ölmillionär hochgearbeitet, der seine Gewinne immer sofort wieder in neue Quellen und Projekte reinvestiert. Bunny bringt seinen Vater dazu, mit ihm in Paradise, einem Tal wohl in der kalifornischen Küstenkordillere auf Wachteljagd zu gehen, weil dort Pauls Familie sitzt und er hofft, etwas über den Verbleib von Paul, der noch in der gleichen Nacht weitergezogen war, zu erfahren. Bei einem Jagdausflug entdecken die beiden nach einem kleinen Erdbeben auf den Ländereien der Watkin’schen Ziegenfarm einen Ölaustritt. Ross sen. kauft den Farmern des Gebietes mithilfe eines korrupten Kommunalpolitikers ihre Ländereien ab, unter dem Vorwand, sich ein großes Gebiet für die Wachteljagd zu sichern. Das Gebiet wird erschlossen, und es stellt sich heraus, dass hier die bisher reichhaltigsten Öl-Vorkommen der Ross’schen Ölfelder liegen.Währenddessen schließt Bunny die Schule ab, und die USA treten in den Ersten Weltkrieg ein. Paul hatte sich freiwillig gemeldet und war nach Sibirien verlegt worden, um dort die Weiße Armee in ihrem Kampf gegen die Bolschewisten zu unterstützen und die Transsibirische Eisenbahn für die Interessen des amerikanischen Kapitals zu sichern. Desillusioniert von den Intentionen der US-Kriegspartei und voller Bewunderung für die Bolschewisten kehrt Paul erst 1920, denn so lange hielt ihn wie viele andere US-Soldaten die Regierung dort zurück, in die Staaten zurück und agitiert weiter auf den Ölfeldern in Paradise, obwohl er zu den beiden Ross‘ eine freundschaftliche Beziehung pflegt und seine Schwester Ruth den Ross’schen Haushalt in Paradise führt. Ross sen. versucht kaum, Bunny von seiner Unterstützung der Arbeiter und seiner intellektuellen Beziehung zu Paul abzubringen und verhält sich auch während eines großen Streiks zurückhaltend, zahlte schon vorher die besten Löhne in der Öl-Industrie. Nichtsdestotrotz ist er auf seinen Vorteil und die Weiterentwicklung seiner Firma bedacht und schließt sich mit einem anderen Ölmagnaten zu einem Konzern zusammen, der wiederum der Interessensgemeinschaft der Öl-Industriellen beitritt. Nun hat er keine Handhabe mehr, sich deren massivem Vorgehen gegen Gewerkschaftler und Arbeitsrechte zu entziehen.
Bunny studiert währenddessen an einer von Theologen geführten südkalifornischen Edel-Universität und erlebt nun den massiven Einfluss von Universitätssport auf den Bildungsbetrieb, muss auch hier erkennen, dass Prestige und Geld die Bildung steuern und nicht das Interesse an geistigem Wachstum. Genauso ist es in der Filmindustrie, die Bunny nun genauer durch seine Geliebte Vee , einen Hollywood-Star, kennen lernt, denn auch hier stehen der Profit und das Vorankommen vor den Inhalten und der Qualität der Filme. Als Vee die Hauptrolle in einem antibolschewistischen Propaganda-Film spielt, erkennt er, als seine sozialistische Kommilitonin Rachel sich in einen handgreiflichen Streit mit Vee wegen deren „Prostitution“ in einem antikommunistischen Hetzfilm einlässt, dass alles politisch ist, auch das verwirrende Flitterleben der Hollywoodstars.
Wegen der Bestechung führender Politiker und dem betrügerischen Aufkauf von Erdölgründen der US-Marine, in die Ross sen. durch seinen Partner verwickelt wurde, fliehen Bunny und sein Vater nach Europa. Einige Zeit später stirbt dieser und Bunny bleibt kaum etwas von seinem Erbe übrig, das durch eine späte zweite Heirat seines Vaters, insbesondere aber die betrügerischen Machenschaften seines Kompagnons verschwunden ist. Die einzig verbleibende Öl-Million will Bunny nun, nachdem sein Freund Paul von reaktionären Kräften bei einer Arbeiterversammlung tot geschlagen wurde und er Rachel geheiratet hat, in eine Art Arbeiter-College stecken, in dem die jungen Leute an das sozialistische Gedankengut herangeführt und ausgebildet werden, damit sie von innen heraus das Land ändern können. Ob dies gelingen kann, lässt der Autor durch die Diskussionen von Bunny mit seinen linken Freunden offen.
Stil und meine Meinung
Der umfangreiche Roman (in meiner Taschenausgabe 640 eng bedruckte Seiten) liest sich leicht und spannend. Der Inhalt ist für Sinclair deutlich wichtiger als eine kunstvolle Gestaltung, die ihm dennoch in einzelnen Passagen eindrucksvoll gelingt. So zum Beispiel direkt am Anfang, wo die Autofahrt der beiden Ross auf einer sich weit dahinziehenden Straße durch die Hügel und Täler des kalifornischen Berglandes episch geschildert wird, damit die Weite der Natur und die Bezwingung durch den Menschen durch Straßentrassen und Automobile symbolisierend. Oder auch am Ende, als Paul in seinem Krankenzimmer an den Folgen der Schläge stirbt und gleichzeitig aus dem Radio einer benachbarten Wohnung das betrunkene Gelalle der Reichen dröhnt, die die Wahl des von ihnen abhängigen neuen Präsidenten feiern.
Es entfaltet sich für den Leser eine großes Panorama der kalifornischen Gesellschaft in den Zehner- und Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts – von der Armut der kleinen Farmer und Industriearbeiter über den Wunderglauben der Massen an selbst ernannte Propheten, wie es Pauls Bruder Eli wird, die Schickeria der neureichen Industriellen bis zur Glitzerwelt des Films. Aber auch die durch und durch korrupte kommunale bis Staatsverwaltung wird gegeißelt und auch ähnliche Strukturen in good old Europe, wo das internationale Kapital schon den nächsten Krieg vorzubereiten scheint, um sich weiter zu bereichern.
Für mich war der Roman ein besonderes Leseerlebnis, das einmal die USA aus ganz anderen Augen zeigt, denn den sozialistischen Blick findet man in der Literatur dieses Landes nicht so häufig.