Carl Zuckmayer: Des Teufels General (UA 1946 Zürich)
Inhalt:
Heinrich Harras, „General der Flieger“ ist seit dem Ersten Weltkrieg bei der Luftwaffe. Auch unter den Nazis, die er offen verabscheut, ist er dennoch weiter aktiv und macht Karriere. Er ist für die technische Kontrolle und Instandhaltung der Luftwaffenmaschinen verantwortlich.
1. Akt: Harras gibt im Herbst 1941 in einem Berliner Edel-Restaurant ein Fest für seinen Freund Oberst Friedrich Eilers, Führer einer Kampfstaffel, der auf Urlaub von der Ostfront ist. Zahlreiche Personen, die unterschiedlich zum Regime stehen, nehmen an dem Fest teil. Harras‘ zwei Bedienstete, sein Adjutant Lüttjohann und sein Chauffeur und Faktotum Korritke sind ihrem Chef treu ergeben, der den überzeugten Kommunisten Korritke vor dem KZ bewahrt hat und dem verletzten Fliegerfreund Lüttjohann eine neue Funktion gab. Der Luftwaffengeneral ist irritiert durch merkwürdig tickende Geräusche, bekommt dennoch nicht mit, dass die Gespräche auf dem Fest abgehört werden. Personen aus der Wirtschaft und Kulturszene erscheinen auf dem Fest, darunter der Kulturleiter Schmidt-Lausitz, ein Nazifunktionär, der Großindustrielle von Mohrungen und seine Töchter Anne, mit Eilers verheiratet, und Pützchen, die kesse jüngere, die sich opportunistisch dem Naziregime zuneigt und ausschließlich auf ihr eigenes Vergnügen bedacht ist. Außerdem erscheinen später die Operndiva Olivia Geiss mit ihrer an Kindes Statt angenommenen Nichte Diddo. Olivia hatte früher ein Verhältnis mit Harras, ist ihm heute noch freundschaftlich zugeneigt, während Diddo sich nun in den charismatischen General verliebt. Olivia versichert sich in einem privaten Gespräch Harras‘ Hilfe bei der Flucht eines jüdischen Arztes und dessen Frau, die in zwei Tagen stattfinden soll. Äußerst offen spricht Harras mit allen über das Regime und seine Verbrechen. Er fühlt sich sicher, weil die Nazis ihn in seiner Funktion brauchen, ist sich aber im Klaren, dass er sich durch seine Beteiligung auch schuldig macht.
2. Akt: Im ersten Akt hatte sich schon angedeutet, dass es zu Unfällen mit den Kampfmaschinen an der Front gekommen ist, deren Ursache man bisher noch nicht erkannt hat. In Harras‘ Wohnung warten Lüttjohann und Korritke auf ihn. Es ist zweieinhalb Wochen nach dem Empfang, und seit zwei Wochen ist Harras verschwunden, nach Auskunft der Behörden zur Frontinspektion, in Wahrheit aber in den Verhörkellern der Gestapo – wohl wegen der bei dem Fest mitgeschnittenen Gespräche. Er kommt nun zurück und findet neben seinen Bediensteten den Nazi-Schergen Schmidt-Lausitz vor, der ihm die Bedingungen seiner Freilassung mitteilt: Er solle innerhalb von zehn Tagen den / die Verantwortlichen für die Schäden an den Flugzeugen finden, sonst müsse er die Verantwortung dafür tragen. Kurze Zeit später kommt Diddo zu Besuch, der Korritke Harras‘ Wiederauftauchen mitgeteilt hatte. Diddo und Harras gestehen sich ihre Liebe, und Harras fasst neuen Lebensmut. Dann erscheint auch Olivia und bringt einen Brief des jüdischen Arztes mit, dessen Flucht Harras wegen seiner Verhaftung nicht mehr hatte organisieren können, der aber auch so schon so verzweifelt war, dass er sich mit seiner Frau zusammen getötet hat und Harras in diesem Brief für die von ihm schon vorher erfahrene Unterstützung bedankt. Mohrungen kommt mit Pützchen, die inzwischen die Uniform einer BDM-Leiterin trägt und sich des Briefes bemächtigt, um Harras damit zu erpressen, sich nun auch ideologisch offen zu dem Regime zu bekennen. Harras lehnt empört ab und wirft sie – wie zuvor Schmidt-Lausitz - unter Androhung von Gewalt heraus. Sein technischer Leiter Oderbruch kommt und erklärt, er könne keine Unregelmäßigkeiten in der Herstellung und Wartung der Maschinen finden.
Währenddessen kommt die Nachricht, dass Eilers mit einer der manipulierten Maschinen den Unfalltod gefunden hat.
3. Akt: In einem Büro auf einem Fliegerhangar in der Nähe von Berlin finden wir Harras am letzten Tag der gestellten Frist. Schmidt-Lausitz kommt unter Androhung der baldigen Verhaftung vorbei und bringt ihm einen Revolver zur Andeutung, dass er vielleicht besser selbst aus dem Leben scheiden sollte. Die Anhörung von zwei inhaftierten Arbeitern, die an den manipulierten Maschinen beschäftigt waren, bringt nichts, die Witwe Anne Eilers kommt vorbei und beschuldigt Harras als den verantwortlichen Mörder ihres Mannes. In einem letzten Gespräch mit Oderbruch manifestiert Harras seinen schon lange schwelenden Verdacht, dass dieser mit den Sabotagen zu tun hat und erkennt, dass Oderbruch zu einer Widerstandsgruppe gehört, die den Krieg verkürzen und damit das Nazi-Regime zu Fall bringen möchten. Es kommt zu einer Auseinandersetzung um Werte wie Freundschaft, Opfer, Freiheit und Gerechtigkeit, an deren Ende sich Harras auf Oderbruchs Seite stellt. Er nimmt für sich als Ausweg, mit einer der manipulierten Maschinen in den Tod zu fliegen. Sarkastisch endet das Drama mit Schmidt-Lausitz‘ Telefonat an das Hauptquartier : „General Harras soeben in Erfüllung seiner Pflicht tödlich verunglückt. Beim Ausprobieren einer Kampfmaschine. Staatsbegräbnis.“
Meine Meinung:
Zuckmayer ist schon ein guter Dramatiker: Charakterzeichnung der plastisch dargestellten Personen, Spannungsaufbau, pointierte Dialoge, wunderbar genaue und für sich schon kunstvolle Regieanweisungen, gekonnt gesetzte Effekte wie die Strahlenhand der Suchscheinwerfer im 2. Akt machen das Lesen dieses Dramas zum Genuss. Was mich stört, ist weniger die überholte Wein, Weib und Gesang-Mentalität insbesondere des ersten Aktes als vielmehr die Pathetik des dritten. Hier werden die Wertvorstellungen durch schwammige Ausdrucksweise und gefühlvolle Überhöhung ausgehöhlt, und dadurch wird dem nationalsozialistischen Grauen und der Schuld seiner Mitläufer kein wirklich klares Konzept entgegengestellt. Dass Zuckmayer allerdings hier eine deutliche Kritik am Nationalsozialismus und alle, die ihn – ungezwungen – unterstützten, gestaltet hat, ist völlig klar.
Fazit:
Ich habe das Drama jetzt gelesen, weil ich neulich auf Arte die Verfilmung mit Curd Jürgens aufgenommen hatte, denn ich hatte diesen bekannten Film noch nicht gesehen.
Das Drama ist auch heute noch lesenswert, aber nach der Lektüre verzichte ich gerne darauf, mir die Verfilmung mit Curd Jürgens anzusehen, Pathos hatte ich jetzt erstmal genug!