George Moore

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    George Moore, Ein Drama in Musselin

    https://d-nb.info/780192508


    Erschienen 1886 als "A Drama in Muslin". Diese Ausgabe übersetzt die vom Verfasser bearbeitete Version von 1915, erschienen als "Muslin" ( https://www.gutenberg.org/ebooks/14659 ). Leider nicht deren Vorwort (lesenswert! Deepl half mir). Dafür enthält sie ein Nachwort des Anglisten Max Wildi. Dort auch zur Bearbeitung, bzw. den Kürzungen. Der 63-jährige bearbeitet das Werk des 34-jährigen. Mit der Version 1886 verglichen hab ich nicht.


    Das "Drama" im Titel hatte Moore also nicht mehr gewollt. Ich finde es gut, halte es für Ironie. Denn es geht um die für die betroffenen Personen (manchmal) katastrophal lebensentscheidenden Dramen, die im Lauf der Welt, selbstredend, keinerlei Bedeutung haben. Außer, dass diese Personen eben auch über das Schicksal eines Landes mitbestimmen. Ob sie wollen oder nicht.


    Hauptpersonen sind Mrs Barton und ihre beiden Töchter Alice und Olive, sowie deren drei Freundinnen aus der Klosterschule.


    Vor bitterernstem Hintergrund - Verarmung der quasi leibeigenen Pächter, Gründung der "Landliga" ( https://de.wikipedia.org/wiki/Irish_Land_League ), "politisch motivierte" Morde, zum Beispiel an Lord Frederick Cavendish ( https://de.wikipedia.org/wiki/Frederick_Cavendish ) - tanzt und amüsiert man sich, so gut es geht, und insgesamt eher gequält, denn es geht darum, eine größere Anzahl an jungen (und nicht mehr ganz so jungen) Frauen jener Gesellschaft aus niederem Adel und Gutsbesitzern möglichst gewinnbringend (und irgendwann nur noch) unter die Haube zu kriegen. Woran der (auf Seite 242) diagnostizierte Frauenüberschuss ("mehr als zwei Millionen") gelegen haben könnte, weiß ich nicht. Waren so viel mehr Männer ausgewandert?


    In diesem Kampf um zu knappe Ressourcen mutieren "Debütantinnen" und deren Mütter zu giftsprühenden Konkurrentinnen. Einige erfolgreich, der große Rest bleibt zurück. Bzw. übrig.


    Die Männer sind hauptsächlich da, um in diesen Kampf eingespannt zu werden, sind freilich auch sonst nicht zu sehr viel zu gebrauchen. Und wird mal eben eine der Beteiligten geschwängert, verzieht "er" sich eben Richtung Australien. Mr Barton dilettiert als Maler und an der Gitarre, als Grundbesitzer und Gutsherr ist er nutzlos. So darf ihm auch mal angedroht werden, "den Nachschub an Farben, Leinwand und Gitarrensaiten" zu streichen (Seite 378), wenn er nicht so pariert, wie die Gemahlin es für angebracht hält. Der Hausfreund "Milord" Dungory ist gut, für Mrs Bartons Ziele eingespannt zu werden, und darf sich dafür mit gelegentlich schlüpfrigen Französismen hervortun.


    Der Auswege sind wenige. Einen beschreitet Alice Barton. Sie heiratet zwar auch. Aber einen Arzt. Und wird Romanautorin. Während für Olive die Jagd weitergeht ...


    Insgesamt sind die Aussichten trübe. Privat, wie auch für Irland. Eine Komödie, jein ... falls ja, eine, die ich als eher giftig empfinde.


    Übersetzung: die jahrzehntelang auf englischsprachige Literatur "abonnierte" Elisabeth Schnack liefert, einer Reihe von Vergleichen nach, solide Arbeit ab.

    Ein Aussetzer ist mir aufgefallen:

    Kapitel XVII,


    Zitat

    The slender figures ascending to tiny naked shoulders, presented a piquant contrast with the huge, black Assyrian, bull-like policemen, who guarded the passage, and reduced, by contrast, to almost doll-like proportions the white creatures who went up the great stairway.


    gibt sie wieder mit (Übersetzung Seite 211):


    Zitat

    Schlanke, zu zarten, nackten Schultern ansteigende Körper bildeten einen reizvollen Kontrast zu den riesigen schwarzen, assyrischen Polizisten-Bullen, die den Durchgang bewachten und jedes weiße Geschöpf, das die große Prachttreppe hinauf ging, durch den Gegensatz zu fast puppenhaften Ausmaßen verkleinerten.


    Sorry, den MUSSTE ich zitieren :-)


    Sehr lesenswert, meine ich.


    Über Mr Moore hab ich mich, neben dem Nachwort, bisher nur aus der Wikipedia informiert. Ein bisschen was anderes ist noch ins Deutsche übersetzt.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)