Die Grossen, Dunklen, Schwierigen

  • Ich habe dieses Buch schon viermal gelesen und eigentlich noch immer nicht echt gelesen. ... Jedesmal liest er [Nietzsche] sich anders.


    Hallo, Friedrich-Arthur,


    so ähnlich empfinde ich es auch. Ich habe viele Stellen mit Sicherheit mehrfach gelesen, kann mich aber nach einer gewissen Zeit nicht mehr daran erinnern - fast so, als habe der Text sich verändert. Seltsames Phänomen ...


    Vielleicht hilft mir das Stöbern in der abgeschlossenen Leserunde, einen anderen Zugang zu bekommen. Denn faszinierend, dunkel und geheimnisvoll ist "Zarathustra" auf jeden Fall.


    Es grüßt


    Tom


  • Hallo Tom,


    das ist aber auch der Reiz der Nietzschelektüre, immer wieder ist sie neu und anders und birgt viele Anregungen. Die Bücher sind nicht auszulesen. Darüber hinaus ist sie ein stilistischer Lesegenuss.


    Was ich aber gelernt habe: Nietzsches Werk ist ungeeignet für Leserunden. Entweder verlaufen sie im Sand, wie die von dir erwähnte Zarathustraleserunde, oder es kommt nur noch zu Diskussionen des Für-und-Wider und zum Meinungskrieg und zum Zerzitieren. Zugegeben, das Werk Nietzsches birgt diese Gefahr sehr stark in sich, aber was bei Leserunden dabei herauskommt, werde ich mir in Zukunft ersparen.


    Auch die Schopenhauerlektüre finde ich groß, dunkel und schwer. Die Welt als Wille und Vorstellung I + II, da scheut es mich vor der erneuten Lektüre, obwohl es prächtige Gedanken und schönen Stil zur Belohnung geben würde.


    Doch vorerst wollen die Jahrestage geschafft werden...


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hmmm - ich habe das fast alles gelesen, was hier so als schwierig und dunkel bezeichnet wird:
    Hans-Henny Jahnn (in meinen Augen weder schwierig, noch dunkel, aber eigenwillig)
    Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" (ein bemerkenswertes Werk voller "wahrer Sätze" - es ging mir beim Lesen schließlich immer weniger um die Handlung als um die Entdeckung solcher Sätze)
    Uwe Johnson, Jahrestage (ebenfalls nicht schwierig, schon gar nicht dunkel, sondern eigenwillig in Sprache und Gestaltung, aber packend, wenn man erst einmal drin ist)
    Friedrich Nietzsche (lese noch immer im Nachlass, nachdem ich den Rest des Gesamtwerkes z.T. mehrfach verschlungen habe)
    Novalis (auch ihn empfand ich nicht als dunkel, schon gar nicht als schwierig)
    Thomas Bernhard (weder schwierig, noch dunkel, nur unsäglich monoton - und auf die Dauer unerträglich, habe alles weggegeben)
    ...
    ...und ich füge noch ein leider ziemlich vergessenes Werk hinzu, schwierig ist nur, dass es ellenlange Sätze ohne Absatz hat, dunkel ist die Zeit, aus der heraus es erzählt ist, aber lohnend fand ich die Lektüre und aller Notizbücher dazu auf jeden Fall: Peter Weiss, Die Ästhetik des Widerstands

  • HAllo scardanelli,



    ...und ich füge noch ein leider ziemlich vergessenes Werk hinzu, schwierig ist nur, dass es ellenlange Sätze ohne Absatz hat, dunkel ist die Zeit, aus der heraus es erzählt ist, aber lohnend fand ich die Lektüre und aller Notizbücher dazu auf jeden Fall: Peter Weiss, Die Ästhetik des Widerstands


    Diesen Roman habe ich auch sehr intensiv und - begleitend einiges aus den Notizbüchern - gelesen und fand ihn sehr lohnend. Auch wenn die Grundannahme des auch nach einem schweren Arbeitstages sich eifrig um Bildung bemühenden Arbeiters vielleicht ein wenig Wunschdenken ist: Die Auseinandersetzung mit den dargestellten Kunstwerken, ob nun dem Pergamon-Altar, Géricaults Floß der Medusa oder des Romans (Karin o. Kirsten Boje? Kallocain? :rollen:) und der gewählte Ansatz dazu war für mich ein echtes Lese- und Blidungserlebnis. Zu diesem Roman habe ich eine längere Seminararbeit geschrieben und dabei die dialektische Feinarbeit, die sich bis in die Satzstrukturen zieht, untersucht. Ein, wie du zu Recht sagst, Scardanelli, sehr zu Unrecht ins Abseits gekommenes Werk!


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • ...das Werk wurde ja nicht umsonst eine Zeit lang als "Wunschbiografie" Peter Weiss' bezeichnet (obwohl er sich dagegen gewehrt hat)...