Habe gerade alle Threads hier durchsucht: Euripides fehlt hier noch.
Im Rahmen eines Langzeitprojektes mit langen Pausen lese ich - ungefähr seitdem ich hier im Forum mitmache - die griechischen Klassiker - und bin schon seit Jahren mit den Tragödien des Euripides - theoretisch - befasst.
Aktuell abgeschlossen: Die Troerinnen
Eine eher untypische Tragödie, da ausgesprochen handlungsarm.
Hekabe, die verwitwete Königin von Troja, wartet am Fuße des brennenden trojanischen Burgbergs inmitten zahlreicher anderer Frauen auf ihr weiteres Schicksal unter den sieghaften Griechen.
Dabei wird ihr eine steigernde Folge von weiteren Unglücken präsentiert, auf die sie und der Chor trojanischer Frauen mit Klagegesängen reagieren: Ihre Tochter und jungfräuliche Seherin Kassandra wird von Agamemnon als Betthäschen beansprucht; Andromache, Hektors Witwe, muss die gleiche Rolle für Neoptolamos, den Sohn des Achill, spielen und außerdem ihren Sohn, den einzigen männlichen Überlebenden des trojanischen Herrschergeschlechtes hergeben, der von den Griechen über die Mauer geworfen wird, aus Angst vor dynastischen Ansprüchen.
Hekabes jüngste Tochter, Polyxena, wird als Opfer für den toten Achill geschlachtet; Helena, der sie die Hauptschuld an dem Krieg gibt, tut alles dafür, ihren verflossenen Ehemann Menelaos, der sie eigentlich steinigen lassen will, doch wieder um den Finger zu wickeln.
Und schließlich wird bekannt, dass sie, Hekabe, die Sklavin des verhasstesten Griechen wird, Odysseus.
Aber das ist nicht eigentlich der Kern der Aussage: Euripides lässt im Prolog Athene und Poseidon miteinander verabreden, die siegreich heimkehrende Flotte der Griechen zu zerstören und auch im Laufe der Monologe und Dialoge werden die ganzen Schicksale der griechischen Heimkehrer angedeutet: Für keinen geht es gut aus, die meisten werden sterben.
Deshalb wird dieses Drama wohl auch gerne als Antikriegsdrama adaptiert (Werfel, Sartre) und bis heute immer wieder gespielt.
Euripides ist "moderner" als Aischylos und Sophokles, insofern als er mehr in die Verantwortung der Menschen legt und diese nicht als Dulder der Absichten der Götter versteht.
Dennoch gefallen mir die meisten seiner Dramen, die ich bisher gelesen habe, nicht so gut wie die der beiden vorbenannten, weil insbesondere seine Frauengestalten auf einer gleichmäßig hohen emphatischen Ebene sprechen, was mir das Lesen sehr anstrengend macht. Das gilt auch für die Troerinnen.
Meine nächsten Euripides-Dramen werden dann die beiden Iphigenien sein (Aulis /Tauris).
Das kann aber noch dauern :zwinker:.