Charles Dickens: Harte/Schwere Zeiten


  • Woran leidet Blackburn? Persönlich sicher an dem Mangel an Menschlichkeit in den Klassenbeziehungen. Er wird von seinen Kollegen verstoßen, die sich zu einem Arbeitskampf rüsten. Was sind die Gründe des Konflikts, worauf hätte sich Stephen eingelassen? Interessiert sich Dickens dafür? Was ist mit der Gefährtin von Stephen? Ist sie wirklich nur eine Frau, die ihm in den Gassen entgegen kommt oder in seinem Zimmer für Ordnung und Beistand sorgt. Hat sie kein Leben dazwischen, sonst keine Lasten oder Freuden zu tragen die sie prägen und die mit ihrer Fabrikarbeit zusammenhängen? Wo ist das Mileu, in dem sich Stephen und seine Gefährtin bewegen? Über das von den anderen erfahren wir etwas, das Mileu der Werktätigen bleibt im Dunkeln.


    Das liegt vermutlich daran, dass Dickens nicht in den Fabriken recherchiert hat. Was Armut bedeutet, hat er als Kind leidvoll erfahren, deshalb beschreibt er das auch immer treffend und voller Bitterkeit und Sarkasmus. Aber von dem Leben der Industriearbeiter wird er wohl mehr gehört haben, als dass er es selber erfuhr, und deshalb bleibt das Ganze, und da stimme ich dir zu, Lost, so blutleer.


    Leider eine Krux, die wir bis heute haben. Auch heute noch entstammen die meisten Schriftsteller dem (Bildungs)bürgertum und schreiben daher über das, was sie selbst erlebt haben oder sich wirklich vorstellen können, am besten.


    Eine echte, ideologisch unabhängige Arbeiterliteratur hat sich nie entwickeln können, und solche Utopien, wie sie Peter Weiss in der "Ästhetik des Widerstands" vom sich bildenden Arbeiter entwickelt, der Welt und Kunst auf ganz neue Art wahrnimmt, ist daher auch immer Utopie geblieben. Auch leidet dieses Genre auch immer unter dem Verdacht, Tendenzliteratur zu sein. Eigentlich eine Unverschämtheit, aber eine lähmende ... .

  • Eine echte, ideologisch unabhängige Arbeiterliteratur hat sich nie entwickeln können, und solche Utopien, wie sie Peter Weiss in der "Ästhetik des Widerstands" vom sich bildenden Arbeiter entwickelt, der Welt und Kunst auf ganz neue Art wahrnimmt, ist daher auch immer Utopie geblieben. Auch leidet dieses Genre auch immer unter dem Verdacht, Tendenzliteratur zu sein. Eigentlich eine Unverschämtheit, aber eine lähmende ... .


    "Eigentlich" ist es ein Beweis für das Primat der Metaphysik. Um die materielle Welt zu beschreiben sind ja Zahlen und Symbole viel besser geeignet als Sprache, trotzdem ist der Vorrang philosophischen Geschwafels kaum bestritten.


    Hat nicht Arno Schmidt dazu ein Mal Stellung genommen? In der Weise, dass auch Arbeiter Schriftsteller werden können, aber beides zusammen unvereinbar ist.


    Wenn ich mich an Werke erinnere, die bei den Versuchen aus den 60igern entstanden Arbeiterliteratur als Genre zu etaplieren, so hatten diese Texte schon von den Themen und den Geschichten her Relevanz, wenn sie auch nicht so komplex geschrieben waren, wie es sich die Literaturwissenschaftler wünschen.


    Ich denke, wenn wir die Universitäten abschaffen würden, dann könnte sich mittelfristig eine Kultur herausbilden, in der auch der literarisch wenig erfahrene Mensch Gehör finden könnte. Man könnte mit einer Krimiserie anfangen, in der alle Opfer Geisteswissenschftler sind.


  • Wenn ich mich an Werke erinnere, die bei den Versuchen aus den 60igern entstanden Arbeiterliteratur als Genre zu etaplieren, so hatten diese Texte schon von den Themen und den Geschichten her Relevanz, wenn sie auch nicht so komplex geschrieben waren, wie es sich die Literaturwissenschaftler wünschen.


    Ich denke, wenn wir die Universitäten abschaffen würden, dann könnte sich mittelfristig eine Kultur herausbilden, in der auch der literarisch wenig erfahrene Mensch Gehör finden könnte. Man könnte mit einer Krimiserie anfangen, in der alle Opfer Geisteswissenschftler sind.


    Das ist eine grundsätzlich begrüßenswerte Idee - ich hätte auch eine Vorschlagsliste meiner allerdings inzwischen wohl fast ausschließlich emeritierten geisteswissensschaftlichen Professoren - aber die Präsenz der Klassiker in der Öffentlichkeit würde wohl ohne die literaturwissensschaftlichen Fachbereiche der Unis gegen Null gehen. Aber das ist off topic ... .

  • Das ist eine grundsätzlich begrüßenswerte Idee - ich hätte auch eine Vorschlagsliste meiner allerdings inzwischen wohl fast ausschließlich emeritierten geisteswissensschaftlichen Professoren - aber die Präsenz der Klassiker in der Öffentlichkeit würde wohl ohne die literaturwissensschaftlichen Fachbereich der Unis gegen Null gehen. Aber das ist off topic ... .


    Lassen wir die Kerle halt leben.