Schillertage in Mannheim

  • Vom 2. bis 10. Juni 2011 tobten die „16. Internationalen Schillertage“ in Mannheim. Seit 1782, dem Jahr der legendären Uraufführung seines ersten Dramas „Die Räuber“, ist Schiller aus Mannheim nicht mehr wegzudenken und die seit über 30 Jahren alle zwei Jahre stattfindenden Schillertage haben sich inzwischen vom Nationaltheater auf die ganze Stadt ausgebreitet. Unter dem Motto „Macht Geschichte“ befassten sich die diesjährigen Schillertage insbesondere mit Schillers geschichtsphilosophischen Gedanken, die sich mit dem Verhältnis des Einzelnen zur Geschichte und seiner Verantwortung gegenüber dem historischen Augenblick befassen. Leider konnte ich dieses Jahr aus beruflichen Gründen erstmals am Montag, dem 06. Juni die Schillertage besuchen und hatte da u.a. schon folgendes verpasst:


    „Kabale und Liebe“ vom Düsseldorfer Schauspielhaus (Inszenierung: Andreas Kriegenburg)
    „Die Geisterseher“ vom Maxim Gorki Theater Berlin (Inszenierung: Antú Romero Nunes)
    „Maria Stuart“ vom Schauspiel Frankfurt (Inszenierung: Michael Thalheimer)
    „Don Carlos“ vom Staatsschauspiel Dresden (Inszenierung: Roger Vontobel, der für diese Inszenierung 2010 mit dem Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet wurde und 2011 nicht nur zu den Schillertagen sondern auch zum „Berliner Theatertreffen“ eingeladen wurde)
    4 x Schill-out (das Nachtprogramm der Schillertage) und das bisherige Begleitprogramm.

  • Schillers Drama „Don Karlos“ zeigt den Konflikt zwischen der Freiheit des Einzelnen und den Pflichten der Gemeinschaft gegenüber. Während der Internationalen Schillertage 2011 wurde es gleich in zwei Inszenierungen gezeigt, so dass man, wenn man Zeit hatte beide Inszenierungen zu besuchen, vergleichen konnte. Neben der Dresdner Inszenierung eröffneten die Mannheimer mit der Premiere einer eigenen Inszenierung dieses Stückes die Schillertage. Diese Aufführung wurde innerhalb der Schillertage ein zweites Mal gezeigt: ich habe sie am 6. Juni gesehen.


    Als ich im Programmheft las: Regie: Georg Schmiedleitner; Bühne und Kostüme: Florian Parbs, war ich etwas skeptisch, die beiden hatten ja auch den Mannheimer Faust inszeniert:
    http://www.klassikerforum.de/i…97.msg46211.html#msg46211


    aber um es kurz zu machen: der „Don Karlos“ war großartig. Das Bühnenbild war spartanisch, ja eigentlich nicht vorhanden, so dass man nicht vom Text abgelenkt wurde: im Hintergrund der Bühne gab es eine große Videowand, auf der z.T. kurz vorher gespielte Szenen nochmals abliefen um zu zeigen wie sich die gerade gespielte Szene entwickelt hat. Alle Rollen waren adäquat besetzt. Sabine Fürst, die mir auch schon als Gretchen im Faust positiv aufgefallen war, gab auch eine großartige Elisabeth von Valois, aber hier stach sie nicht hervor, weil alle Rollen hervorragend besetzt waren, sehr schön auch Ines Schiller als Prinzessin von Eboli!. Gesprochen wurde immer verständlich (Sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber heute ist das ja schon erwähnenswert), lustige Regieeinfälle unterblieben (wie Schmiedleitner im anschließenden Publikumsgespräch erläuterte gibt Schiller selbst in seinen Stücken ausreichend Regieanweisungen), mit einem Wort: es wurde Schiller gespielt und damit meine ich: nur Schiller, und mehr braucht’s eigentlich nicht für einen tollen Theaterabend!


    PS: Neu für mich war, dass sich Elisabeth und der Marquis von Posa in einer Abschiedsszene küssen, im Publikumsgespräch wurde dann gesagt, das steht zwar nicht direkt im Text aber der Text gibt das her und auf die Anmerkung Schiller wollte ja keine Revolution, sondern eher eine Erneuerung von oben, erläuterte Jacques Malan, der vorher den Graf von Lerma gab, dass es eine Textfassung gibt in der durchaus von Massen die Rede ist, die vor dem spanischen Palast von Philipp forderten: „Wir wollen Don Karlos sehen“, sonst ….!


    Also ich denke, ich werde gelegentlich mal den Don Karlos lesen.


  • Neu für mich war, dass sich Elisabeth und der Marquis von Posa in einer Abschiedsszene küssen,
    ..........
    Also ich denke, ich werde gelegentlich mal den Don Karlos lesen.


    Inzwischen habe ich im „Don Karlos“ nachgelesen:
    Der 21. Auftritt im 4. Akt endet wie folgt:


    Königin: „Gehen Sie! Ich schätze keinen Mann mehr.“
    Marquis: „Königin! - O Gott! Das Leben ist doch schön.“


    und da kann man sich ja wirklich fragen, warum der todgeweihte Marquis plötzlich erkennt, dass das Leben doch schön ist und wenn an Stelle des „ – „ Königin & Marquis sich küssen – ist das Rätsel gelöst. Arno Schmidt hätte möglicherweise an dieser Stelle statt „ – „ mit folgender Interpunktion aufgewartet: „ )( ?? - )( ? -- )( !----!“
    na ja, das ist jetzt die Sicht von Posa, in die Psyche der Königin wage ich mich nicht zu versetzen, dazu verstehe ich von Frauen immer noch zu wenig. Wer wagt’s?


    Bei Schiller entwickelt sich das langsam:
    Im 3. Auftritt des 4. Aktes sagt die Königin nachdem sie auf Wunsch von Posa zwei Zeilen an Karlos geschrieben hat zum Marquis:
    „Werd ich Sie wiedersehn?“


    Beginn 21. Auftritt:
    Königin: „Ach endlich, Marquis! Glücklich, dass Sie kommen!
    ……………….
    Königin: „Mein Herz, versprech ich Ihnen, soll allein und ewig der Richter meiner Liebe - sein“
    Marquis: „Jetzt sterb ich beruhigt …….“
    Königin: „Sie gehen, Marquis – ohne mir zu sagen, wenn wir – wie bald – uns wiedersehn?
    ……….
    Königin: „Mögen tausend Herzen brechen, Was kümmert Sie’s. wenn sich ihr Stolz nur weidet.
    Marquis: „Nein! Darauf war ich nicht vorbereitet –
    Königin: „Marquis! Ist keine Rettung möglich?
    Marquis: „Keine.“
    ………….
    Königin: „Gehen Sie! Ich schätze keinen Mann mehr.“
    Marquis: „Königin! (Sie küssen sich) O Gott! Das Leben ist doch schön.


    Ja, das passt und imo hat Schmiedleitner 224 Jahre nach der Uraufführung eine interessante Entdeckung gemacht und eine glaubhafte Interpretation vorgelegt.