Ödön von Horváth

  • Liebes Forum,


    weitgehend unbemerkt ist Ödön von Horváth am 1. Juni in den Olymp der Klassiker aufgestiegen (70. Todestag). Es ist wahrscheinlich überflüssig, hier an seine "Geschichten aus dem Wiener Wald" zu erinnern. Ich habe mir vorgenommen, in Kürze "Jugend ohne Gott" noch einmal zu lesen - ein von Döblin, Hesse und Klaus Mann sehr geschätztes Werk.


    Eure Meinungen zu "Jugend ..." und zu Ödön v. Horváth interessieren mich sehr.


    Viele Grüße


    Tom

  • "Jugend ohne Gott":


    Horvaths Sprache ist zwar weit von der Goethes oder Kellers entfernt; aber das Buch ist beeindruckend!


    Der Protagonist ist ein Lehrer, unter dessen Aufsicht es zu einem Schuelermord kommt. Der Lehrer traegt am Mord unfreiwillig mit Schuld. Wuerde er es verheimlichen, dann haette er keine Probleme. Beim Prozess luegen fast alle vor Gericht, vieles wird verschwiegen, und so scheint der Fall klar zu sein, bis zur Zeugenaussage des Lehrers. Urspruenglich plant er, ebenso zu schweigen, aber da er jemanden sehr eindringlich ueber Gott reden hoert, ist der Lehrer ueberzeugt, dass es besser sei, die volle Wahrheit zu sagen.


    Die Zeugenaussage des Lehrers lenkt den Prozess in eine voellig andere Richtung. Die Zeugin nach ihm, ein junges verkommenes Maedchen, hatte auch vor, zu luegen. Aber die erstaunliche Ehrlichkeit des Lehrers beeindruckt sie so sehr, dass sie selber wichtige Gestaendnisse ablegt. Dabei nickt sie dem Lehrer mit freundlichen Augen zu.


    Auch zum Schluss kommt es in diesem Zusammenhang dazu, dass eine Frau, eine elegante, aber hysterische, kaltherzige Frau ploetzlich eine immens wichtige Wahrheit kund tut, die sie bisher aus egoistischen Gruenden verschwiegen hatte; und dabei nickt sie dem Lehrer mit freundlichen Augen zu: Und der Lehrer kommt zum Glauben an Gott.


    Zuerst dachte er: Gaebe es einen Gott, dann muss er stechende tueckische Augen haben. Jetzt aber weiss ich, die Augen des Maedchens und der Frau, die so freundlich glaenzen, sind das Schauen Gottes. Und Horvath zitiert an dieser Stelle Joh 14: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater ausser durch mich." So scheint er dem Leser die Gewissheit zu geben, dass die bisher eigentlich verwahrlosten verlogenen kaltherzigen Gestalten ploetzlich nicht mehr gottlos waeren; weil sie fuer die Wahrheit Zeugnis ablegten.

  • Jugend ohne Gott steht ungelesen schon seit Jahren in meinem Bücherregal, aber das macht natürlich Laune, es hervorzukramen. (Wenn ich Zeit dafür habe.)