Hallo zusammen,
vor einiger Zeit hatte ich hier vom Raabe-Hörbuch "Die Gänse von Bützow" berichtet, das von Hans Jochim Schmidt gelesen wird, und das in seinem Kleinverlag <a href="http://www.vorleser-schmidt.de/">Vorleser Schmidt</a> erschienen ist. Dort gibt es auch die Möglichkeit, sich ein Hörbuch nach Wunsch sprechen zu lassen, man kann da also beispielsweise einen Klassiker, den man gerne als Hörbuch hätte, als Unikat anfertigen lassen. Die Preise dafür sind sehr günstig, man findet sie hier: http://www.vorleser-schmidt.de/wordpress/?page_id=5
Weil ich neugierig war, ob sich Jean Paul als Hörbuch überhaupt sinnvoll genießen läßt, habe ich das mal ausprobiert, und das gleich vorweg: vom Ergebnis bin ich begeistert.
Auf dem Hörbuchmarkt gibt es von Jean Paul momentan eigentlich nur die kurze Erzählung "Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz", ich wollte aber gerne mal etwas längeres hören, da kam mir das Angebot von "Vorleser Schmidt" gerade recht. In einem sehr netten Mail-Kontakt habe ich Hans Jochim Schmidt nach einer Leseprobe aus dem "Hesperus" gefragt, um mal zu hören, ob und wie er mit Jean Paul zurechtkommt. Das ist ja kein leichter Autor, da braucht man als Vorleser schon einige Erfahrung und Einfühlungsvermögen, um mit dieser manchmal doch sehr verwickelten Prosa zurechtzukommen. Ich hatte auch meine Zweifel, ob sich diese Prosa überhaupt hörenderweise genießen läßt. Nach meiner Mailanfrage fand ich schon nach zwei Tagen eine 22minütige Leseprobe aus dem "Hesperus" in meinem Briefkasten, noch dazu kostenlos, was wirklich ein außergewöhnlich guter Service ist. Von dieser Hörprobe war ich sehr angetan, das klang für mich alles sehr stimmig und auch sehr professionell, denn wenn jemand gleichsam auf Zuruf, ohne lange Vorbereitungszeit einen solchen Text so gut vorlesen kann, dann versteht er wirklich etwas von der Sache.
Der "Hesperus" war mir allerdings zu lang, die Lesung kostet zwar nur einen halben Euro pro Leseminute (eigentlich ein Spottpreis, eine nur halbwegs angemessene Entlohnung müßte deutlich höher sein), aber bei einem dicken Roman läppert sich da schon einiges zusammen, deshalb habe ich mir den "Quintus Fixlein" vorlesen lassen, der auch noch den Vorteil hatte, daß ich ihn noch nicht kannte, weil ich ihn zwar einmal zu lesen angefangen hatte, dann aber schon nach wenigen Seiten wieder weggelegt hatte, weil sich andere Bücher dazwischenschoben.
Jetzt habe ich nun also den "Quintus Fixlein" als Hörbuch und bin froh darum, denn es ist ein rundum gelungenes Hörbuch, und ich habe es sehr genossen. Die Erzählung selbst hat freilich einige Jean-Paul-typische Längen, über die einem ein guter Vorleser aber hinweghilft. Das ist ein Vorteil eines Hörbuchs. Beim Selberlesen besteht da oft die Gefahr (jedenfalls bei mir), daß man über manche Passagen hinweghuscht und nur noch oberflächlich liest, wenn man sich zu langweilen beginnt.
Sehr gelungen fand ich auch die Art, wie Hans Jochim Schmidt die Fußnoten in seine Lesung integriert hat. Das ist immer etwas knifflig, denn solche Fußnoten lassen sich manchmal schlecht integrieren, deshalb wurden auch einige kürzere, unwichtige Fußnoten weggelassen, das meiste ist aber in der Lesung enthalten. Das ist eine ähnliche Lösung, wie sie beispielsweise auch in der Tristram-Shandy-Lesung von Harry Rowohlt angewandt wurde. Da wurden ebenfalls einige Fußnoten weggelassen, weil sie sich nicht integrieren lassen, ohne den Lesefluß zu zerreißen.
Nochmal etwas zu den Preisen von "Vorleser Schmidt": 50 Cent pro Leseminute ist wirklich sehr günstig. Bei einer mehrstündigen Lesung ist das natürlich für den Käufer trotzdem einiges an Geld. Deswegen kaufen sich die meisten Leute auch lieber ein fertiges Hörbuch, weil sie dann ein Hörbuch derselben Länge für weniger Geld bekommen. So ein Wunschhörbuch ist dafür etwas ganz besonderes, es macht große Freude, wenn man als Hörbuchhörer ein solches eigens angefertigtes Hörbuch in Händen hält und anhören kann. Man muß da, wie gesagt, auch nicht die Katze im Sack kaufen, man kann erst einmal um eine Hörprobe aus dem jeweiligen Text bitten und dann entscheiden, ob einem das gefällt oder nicht. Der Mail-Kontakt mit Hans Jochim Schmidt ist sehr angenehm, man kann, wenn man das will, vorher die Dinge besprechen, die einem wichtig sind, so wie in meinem Fall die Sache mit den Fußnoten im "Quintus Fixlein".
Schöne Grüße,
Wolf