Das Gilgamesch-Epos

  • Hallo zusammen!


    Eigentlich schon fast eine Lektüre für zwischendurch: Das älteste überlieferte Epos der Menschheit, iirc: Das Gilgamesch-Epos. Es passiert eigentlich nicht viel, bzw. die Teile, wo "Action" wäre, sind offenbar nur bruchstückweise überliefert.


    Es geht um Freundschaft - nämlich die zwischen Gilgamesch (ein Drittel Mensch, zwei Drittel Gott - woher diese seltsame Mischung kommt, wird nicht erklärt, sie spielt auch keine Rolle für die Handlung) und Enkidu - und es geht um die menschliche Angst vor dem Sterben bzw. des Menschen Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Denn Enkidu stirbt, und Gilgamesch macht sich auf die Suche nach dem Grund. Er dringt bis zu den Göttern vor, wo ihm ein Gewächs zu Teil wird, das die Toten auferwecken kann. Leider verliert er es auf dem Heimweg, und so bleibt ihm nur die Trauer und der Stolz auf die Stadtmauer von Uruk, der sumerischen Stadt, die er beherrschte.


    In einer Binnenerzählung erfährt Gilgamesch von einem seiner Vorfahren die Geschichte der grossen Flut, die in vielen Teilen der in der Genesis überlieferten Geschichte von Noah entspricht.


    Ob der lapidare Stil dem Original entspricht oder Werk des Übersetzers ist (ich habe die Übersetzung von Hermann Ranke gelesen - es gibt m.W. unterdessen neuere Erkenntnisse zum Gilgamesch-Epos, die aber wohl die Substanz des Epos nicht berühren), kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls wirkt das Epos nicht zuletzt deswegen sehr eindrücklich.


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!



    Ob der lapidare Stil dem Original entspricht oder Werk des Übersetzers ist (ich habe die Übersetzung von Hermann Ranke gelesen - es gibt m.W. unterdessen neuere Erkenntnisse zum Gilgamesch-Epos, die aber wohl die Substanz des Epos nicht berühren), kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls wirkt das Epos nicht zuletzt deswegen sehr eindrücklich.


    Ich lese dieses Epos auch immer gerne. Ich empfehle folgende Ausgabe, die auf den aktuellen Forschungsstand Rücksicht nimmt:


    http://www.amazon.de/Gilgamesc…oks&qid=1195855317&sr=1-1


    CK

  • Hallo sandhofer,


    die Übersetzung von H. Ranke ist aus dem Jahr 1924, sie ist also älter als die wichtige Ausgabe von Thompson, der 1930 den Originaltext (oder besser: einen rekonstruierten Originaltext) herausgegeben hat. Auf Thompson beruhten meines Wissens alle Übersetzungen des 20. Jhs. In meiner Reclamausgabe des Gilgamesch-Epos (hrsg. von W. von Soden) ist im Nachwort aus dem Jahr 1988 vermerkt, daß es noch keine neuere kritische Gesamtausgabe gebe. In der von xenophanes erwähnten Nachdichtung/Übersetzung von Raoul Schrott (2001 erschienen) steht im Literaturverzeichnis außer Thompson auch die Ausgabe von Parpola aus dem Jahr 1997. Raoul Schrott konnte also auf eine neuere Ausgabe zurückgreifen. Danach erschien aber im Jahr 2003 die nun maßgebende kritische Textausgabe von A. R. George, die Stefan M. Maul in seiner 2005 erschienenen deutschen Übersetzung berücksichtigen konnte: http://www.amazon.de/Das-Gilga…fan-M-Maul/dp/3406528708/


    Die Neuübersetzung von Stefan M. Maul wollte ich schon seit längerer Zeit lesen, jetzt habe ich sie mir endlich bestellt. ;-) Die Übersetzung von Raoul Schrott ist nun zwar in gewissem Sinne veraltet, aber trotzdem ist das eine sehr schöne und empfehlenswerte Ausgabe. Die Taschenbuchausgabe ist ja auch nicht so teuer, für den Gilgamesch-Interessierten lohnt sich das auf alle Fälle. Man findet darin eine freie Nachdichtung von Raoul Schrott und zusätzlich eine (mehr oder weniger) wörtliche Übersetzung von ihm; außerdem auch noch reichhaltige Informationen zum Epos selbst sowie zur Übersetzungsgeschichte und -problematik.


    Langer Rede kurzer Sinn: die Übersetzung von H. Ranke ist zu Vergleichszwecken vielleicht ganz nett, aber wer sich wirklich mit dem Epos beschäftigen will, sollte sich lieber die beiden Übertragungen von Schrott und Maul zu Gemüte führen. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo zusammen,


    ich habe nun die Lektüre von Stefan M. Mauls Neuübersetzung des Gilgamesch-Epos beendet. Mit "Gilgamesch-Epos" ist die Form des Epos gemeint, wie es der Überlieferung nach von einem gewissen Sin-leqe-uninni geschaffen wurde. Dieses Gilgamesch-Epos entstand nach heutiger Kenntnis um 1200 v. Chr. Im Vorwort von Mauls Übertragung erfährt man, daß uns heute insgesamt immer noch ein Drittel des Textes fehlt. Man kann zwar teilweise den Inhalt der fehlenden Passagen erschließen (u. a. aus einer altbabylonischen Fassung und einer hethischen Paraphrase des Epos), aber es bleiben dabei immer Unsicherheiten, denn Vorgänger oder Nacherzählungen des Gilgamesch-Epos sind kein Ersatz für das Gilgamesch-Epos selbst, weder inhaltlich (denn da gibt es etliche Abweichungen), und schon gar nicht was die sprachliche Ausgestaltung betrifft.


    Die Neuübersetzung von Stefan M. Maul macht einiges klarer, als es (mir) vorher war. Nicht nur, weil neuentdeckte/wiederentdeckte Textteile hinzugekommen sind, sondern auch durch den hilfreichen Stellenkommentar. Ein Beispiel: Ziemlich am Anfang der vierten Tafel ist davon die Rede, daß Enkidu eine Hütte baut, um Gilgamesch das Träumen zu ermöglichen (Traumorakel). Die Vorbereitungen zu diesem Traumschlafritual werden von Maul so übersetzt:



    Im Kommentar erfährt man, daß die Hütte im Original "Haus des zaqiqu" heiße und das babylonische "zaqiqu" die Bedeutung "Wind, Hauch; Geist; Traumgott" habe. Der Sturmwind bringt den Traum durch die Tür zu Gilgamesch, und Enkidu legt sich als vermittelndes Medium ("Traumfänger") vor die Tür. Der Kreis aus Mehl soll böse Dämonen abhalten, nur gute Träume sollen Gilgamesch erreichen. Ein solcher Zauberkreis wird in vielen babylonischen Ritualbeschreibungen erwähnt, schreibt Stefan M. Maul.


    Bei Raoul Schrott lautet diese Stelle so:



    Hier ist also die Tür <i>gegen</i> den Sturmwind gedacht, und davon daß Enkidu als "Fangnetz" fungiert, ist auch nicht die Rede.


    In noch älteren Reclam-Übersetzung, die auf der Übersetzung von Albert Schott aus den 1930er Jahren beruht, lautet diese Stelle folgendermaßen:


    Zitat


    Es bereitete ihm Enkidu für die Nacht das Lager.
    Ein Regensturm zog vorüber, da befestigt' er ein Dach.
    Er ließ ihn sich legen, und an einem Ring ...
    Sie ...ten wie Korn des Gebirges ...


    In der Übersetzung von Ranke kommt eine solche Passage überhaupt nicht vor, wenn ich das richtig gesehen habe.


    Witzig finde ich, daß bei Ranke der Schiffer Ur-schanabi gerade Kräuter pflückt, als ihn Gilgamesch das erste Mal sieht. In der Reclamübersetzung sammelt er Warane. :breitgrins: Der aktuelle Stand ist, daß er Bäume entästet, was sich deutlich besser in den Kontext einfügt. Was die merkwürdigen "Steinernen" sind, die sich bei Ur-schanabi befinden, weiß man immer noch nicht so genau. Immerhin gibt es nun Hinweise, daß das keine bloßen Gegenstände sind, sondern handelnde Wesen.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo zusammen,


    nach den Übersetzungen des Gilgamesch-Epos von Raoul Schrott (aus dem Jahr 2001) und Stefan M. Maul (2005) ist nun kürzlich bei Reclam eine Neuübersetzung dieses Epos von Wolfgang Röllig erschienen. Das ist eine gebundene Ausgabe, hier der Link zur Verlagsseite, dort gibt's auch eine Leseprobe (PDF) dazu: http://www.reclam.de/detail/978-3-15-010702-7
    Ich habe mal geschaut, ob es dazu im Netz schon eine aussagekräftige Rezension gibt, aber auf die Schnelle habe ich da nichts gefunden.


    Schöne Grüße,
    Wolf