November 2007 - Oliver Goldsmith: The Vicar of Wakefield

  • There are an hundred faults in this Thing, and an hundred things
    might be said to prove them beauties. But it is needless.


    Ich eröffne die Lesrunde zum “Vicar of Wakefield” mit dem gewollt bescheidenen Beginn des Werkleins.


    Meine Ausgabe ist:


    Der Landprediger von Wakefield. Eine Erzählung angeblich von ihm selbst verfaßt.
    Motto auf dem Titelblatt: Sperate miseri, cavete felices
    Deutsche Bibliothek in Berlin, ohne Jahresangabe.
    Impressum: Für die Deutsche Bibliothek herausgegeben von Otto Knapp.
    Druck der Spamerschen Buchdruckerei, Leipzig.
    255 Seiten. In Frakturdruck.


    Ich werde außerdem relativ parallel im englischen Text mitlesen.


    Und weiter als bis zu dieser Vorrede, und bis zur Klärung der von gantenbeinin angefragten Redewendung bin ich bisher auch nicht gekommen.


    Den Beteiligten wünsche ich viel Freude.


    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Ich kann hier nicht viel mehr posten als das Übliche.


    Wikipedia Deutsch
    http://de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Goldsmith


    Wikipedia English
    http://en.wikipedia.org/wiki/Oliver_Goldsmith
    http://en.wikipedia.org/wiki/The_Vicar_of_Wakefield


    Beide Artikel kommen mir nicht gerade ausgebaut vor.
    Wir, die Beteiligten, könnten ja eine Mitarbeit am deutschsprachigen Eintrag in Erwägung ziehen. :wink:


    Ich lese zur Zeit:
    Encyclopedia Britannica, 11th ed. 1911:
    http://www.1911encyclopedia.org/Oliver_Goldsmith


    Im englischen Wikipedia-Beitrag ist übrigens u.a. auf eine Goldsmith-Biographie von Washington Irving verlinkt. War mir nicht bekannt, dass der eine geschrieben hatte.


    LG
    Leibgeber

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Hallo zusammen!


    Danke, Leibgeber, für die Eröffnung der Threads.


    Ich lese folgende Ausgabe:


    The


    Vicar of Wakefield


    by


    Oliver Goldsmith


    with a Preface by


    Austin Dobson1)


    and


    Illustrations by


    Hugh Thomson


    London


    Macmillan & Co


    and


    New York


    MCMXXVII2)


    1) Das Vorwort geht allerdings nur auf die verschiedenen illustrierten Ausgaben des Vicar ein. Im übrigen ist diese Ausgabe sehr hübsch und reichlich illustriert.
    2) Um genau zu sein: der 8. Nachdruck der 2. Auflage von 1891. (Die erste Auflage fand 1890 statt)


    [hr]


    Ich habe die ersten beiden Kapitel gelesen. Im ersten wird die Familie vorgestellt, im zweiten die Heirat des ältesten Sohnes geplant und zum Platzen gebracht. Letzteres durch zwei voneinander unabhängige (oder doch nicht?) Phänomene: einerseits einem ungetreuen Kaufmann, der das kleine Vermögen des Landpfarrers veruntreut, andererseits durch die Dickköpfigkeit des Landpfarrers, der für absolute Monogamie plädiert und so den Vater der Braut vor den Kopf stösst, der zwar auch Geistlicher ist, aber in vierter Ehe lebt. Ist hier eine Spitze gegen theologisch-moralische Dispute der Geistlichkeit gemeint?


    Die Erzählung geht jedenfalls offensichtlich gleich in medias res.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • ...............
    im zweiten die Heirat des ältesten Sohnes geplant und zum Platzen gebracht. Letzteres durch zwei voneinander unabhängige (oder doch nicht?) Phänomene: einerseits einem ungetreuen Kaufmann, der das kleine Vermögen des Landpfarrers veruntreut, andererseits durch die Dickköpfigkeit des Landpfarrers, der für absolute Monogamie plädiert und so den Vater der Braut vor den Kopf stösst, der zwar auch Geistlicher ist, aber in vierter Ehe lebt. Ist hier eine Spitze gegen theologisch-moralische Dispute der Geistlichkeit gemeint?


    Denk ich mal doch, ja.
    Zumal die Sache zu Beginn des Kapitels genauer ausgeführt wird.


    I published some tracts upon the subject myself, which,
    as they never sold, I have the consolation of thinking are read
    only by the happy Few. Some of my friends called this my weak
    side; but alas! they had not like me made it the subject of long
    contemplation. The more I reflected upon it, the more important
    it appeared.


    Mr. Primrose, der Prediger für die paar Auserwählten, scheint überhaupt ein recht bigotter Patriarch zu sein. :wink:


    Die geplatzte Heirat ist dem Vater der Braut ja auch keineswegs unrecht, denn wenn das Vermögen weg, ist der Wert des Bräutigams doch sehr gemindert.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)


  • Hm ... ich hatte das Buch immer in der Kategorie "sentimental" abgelegt. Könnte sein, dass da sehr viel Satire (mit) drin liegt ...


    Ich hatte das seinerzeit bei der Erstlektüre auch so abgelegt.
    Vielleicht war ich da noch nicht alt und abgeklärt genug für Ironie? :redface:


    Mein Englisch ist ja nicht gar so fit.
    Musste nachlesen, was Primrose bedeutet.
    Primel bzw. Schlüsselblume.


    Wenn das alles ernst gemeint wäre, hätte er dem Vicar vielleicht auch einen ernsthafteren Namen verpasst?

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Unterdessen bin ich am Schluss von Kapitel 4. Hm ... eine schillernde Lektüre, wahrhaftig. Ich bin mir in vielen Momenten nicht so sicher, ob das nun von Goldsmith im Ernst gemeint war oder ob's gut versteckte Satire ist. Dieser Ich-Erzähler scheint mir doch ein wahrer Pflock zu sein. Aber vielleicht trage ich auch Swift und Sterne einerseits, eine aufgeklärtere Haltung gegenüber Orthodocie in jeder Form andererseits an den Text heran.


    Jedenfalls liest es sich sehr süffig, finde ich ;).


    Die Figuren allerdings, mit Ausnahme des Ich-Erzählers und der Bekanntschaft am Wegesrand noch (?) sehr farblos gezeichnet.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    On second thought: Ich möchte "farblos" in "schematisch" ändern .


    ...was ja sehr für die Interpretation als Satire spricht.


    Gruss, Maja


  • On second thought: Ich möchte "farblos" in "schematisch" ändern ...


    Auftritt in Kapitel 5 ja auch schon der Nächste:
    Der Grundbesitzer, Geck, Verführer, übrigens auch mit einem sozusagen "sprechenden" Namen, den man glatt als Gegenstück zu dem der primeligen Hauptperson auffassen könnte.


    Es findet sich auch gleich im 1. Kapitel so ein Hinweis auf die Klischeekiste:

    Our second child, a girl,
    I intended to call after her aunt Grissel; but my wife, who
    during her pregnancy had been reading romances, insisted upon her
    being called Olivia. In less than another year we had another
    daughter, and now I was determined that Grissel should be her
    name; but a rich relation taking a fancy to stand godmother, the
    girl was, by her directions, called Sophia; so that we had two
    romantic names in the family; but I solemnly protest I had no
    hand in it.


    Der Name Grissel (Griseldis), viel verwendete literarische Figur seit Boccaccio, Inbegriff der Dulderin, wird also der einen wie der anderen Tochter versagt.
    Olivia und Sophie krieg ich nicht so auf die Reihe, Richardson ist das nicht.

    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber soviel, beides trägt nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. (G. C. Lichtenberg)

  • Kapitel 5 und 6


    Ja, der Verführer ... Tatsächlich auch eine Figur fixfertig aus der Schemenkiste. Unterdessen bin ich wieder der Meinung, dass hier weniger Satire als schriftstellerische Ökonomie am Werk waren. Hingegen gibt es immer wieder so nette Kleinigkeiten, die ich als satirische Spitzen aufzufassen geneigt bin. Und dazwischen die ländlich-idyllischen Momente, z.B., wenn der Kleine dem Besuch den Stuhl herbeischleppt (in meiner Ausgabe mit einer entsprechend idyllisch-niedlichen Vignette noch unterstützt).

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!



    Der Name Grissel (Griseldis), viel verwendete literarische Figur seit Boccaccio, Inbegriff der Dulderin, wird also der einen wie der anderen Tochter versagt.
    Olivia und Sophie krieg ich nicht so auf die Reihe, Richardson ist das nicht.


    Die Geschichte Griseldis wird später ja dann auch den Kindern erzählt ...


    Ich las inzwischen die ersten sechs Kapitel der deutschen Ausgabe. Zur Satirefrage habe ich mir noch kein endgültiges Bild gemacht. Meine (DDR) Ausgabe aus dem Jahr 1959 ist von Ilse Buchholz übersetzt.


    Jetzt werde ich vom Bücher lesen zum Bücher tragen übergehen: Fünf neue Billys in der Wohnung. Als erstes wird Goethe zwangsumgezogen und brutal von Schiller getrennt :breitgrins:


    CK

  • Hallo,


    nun bin ich auch dabei. Meine Ausgabe ist (sehr schön, verzierter Goldschnitt etc) 19.Jahrhundert James Hogg & Sons, undatiert und Illustrator unbenannt.


    Ich bin erst im 5. Kapitel. Bis jetzt Jane Austet es - die Töchter müssen unter die Haube und die Bewertungen des Autors drängen sich durch ein betontes Nichtkommentieren und - bewerten auf (deucht mich)


    Soweit ich Goldsmith bis jetzt meine zu verstehen - Satire scheint mir das eher weniger zu sein, aber massive Ironie.
    Wunderbar das Selbstverständnis des Familienvorstandes, der (im ersten Kapitel) eine Grabinschrift für seine sehr lebendige Gattin verfasst und schön gerahmt über dem Kaminsims aufstellt ...where it answered several very useful purposes. It admonished my wife of her duty to me, and my fidelity to her; it inspired her with a passion for fame, and consequently put her in mind of her end.


    Ach ja, und es ist so beruhigend zu lesen, daß der Verlust des gesamten Vermögens keinerlei Hartz IV Umstände zeitigt.
    Auf Wiederlesen bei künftigen Kapiteln
    g.

  • Hallo zusammen!


    Ich bin mir immer noch nicht schlüssig, was die Satire betrifft. Auf jeden Fall scheint es ganz deutlich zwei Erzähler zu geben:


    • Den Vicar, als Ich-Erzähler, der seine Frauen und auch die feine Gesellschaft mit mehr oder weniger feinen ironischen Spitzen darstellt.
    • Den Autor, der auch den Vicar als mehr oder weniger gutmütiges Schaf voller Vorurteile und Beschränkungen skizziert


    Jedenfalls nach wie vor sehr süffig zu lesen, das Büchlein ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo!


    • Den Vicar, als Ich-Erzähler, der seine Frauen und auch die feine Gesellschaft mit mehr oder weniger feinen ironischen Spitzen darstellt.
    • Den Autor, der auch den Vicar als mehr oder weniger gutmütiges Schaf voller Vorurteile und Beschränkungen skizziert


    Ich bin inzwischen etwa bei der Hälfte, der verlorene Sohn ist gerade zurückgekehrt und erzählt seine Geschichte.


    Die Erzählperspektive fand ich etwas irritierend, weil oft nicht wirklich klar ist, wer spricht. Einem neueren Roman würde man vorwerfen, dass der Ich-Erzähler regelmäßig seine Perspektive durchbricht. Lese den Roman aber sehr gerne.


    Die Satirefrage kann wohl nur entscheiden, wenn man etwas über Goldsmith Ansichten weiß. Ich werde demnächst zumindest den Britannica Artikel über ihn lesen.


    CK

  • Die Erzählperspektive fand ich etwas irritierend, weil oft nicht wirklich klar ist, wer spricht. Einem neueren Roman würde man vorwerfen, dass der Ich-Erzähler regelmäßig seine Perspektive durchbricht.


    Ja ... daran hängt wohl auch meine Unsicherheit, ob ich das nun als Satire zu betrachten habe oder nicht. Ist's künstlerisches Konzept beim Autor, dann ist's Satire. Ansonsten einfach auktorielles Unvermögen.


    Lese den Roman aber sehr gerne.


    Ich hatte jetzt in den letzten Tagen keine Zeit zum Weiterlesen, aber ja: Ich bin immer noch verblüfft, wie wenig "sentimental" dieses Buch tatsächlich ist.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich bin inzwischen etwa bei der Hälfte, der verlorene Sohn ist gerade zurückgekehrt und erzählt seine Geschichte.


    So weit bin ich noch nicht. Bei mir sind gerade zuerst der Sohn, etwas später der Vater um je ein Pferd betrogen worden. Diese Szenen sind m.M.n. eindeutig Satire.


    Das Buch ist in relativ kurze, in sich abgeschlossene Kapitel unterteilt, so, dass eine leichte Lektüre möglich ist. Dies wohl im Hinblick auf eine zeitlich eingeschränkte Aufnahmefähigkeit des Publikums. Grosse Kunst vielleicht nicht, aber eine beschwingte leichte Lektüre ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus