Imre Kertesz - Eine Gedankenlänge Stille,...

  • Ich lese gerade: Imre Kertesz - Eine Gedankenlänge Stille, während das Erschießungskommando neu lädt


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    Ich habe zwar erst den Anfang gelesen, aber ich bin fasziniert von der Erzählgewalt von Kertesz. Er versucht den Holocaust begreifbar zu machen, zu erklären. Und das geht meiner Ansicht nach nicht. Man kann das Unerklärliche nicht erklären.


    Was sagt ihr zu dem Buch?


    Katrin


  • Er versucht den Holocaust begreifbar zu machen, zu erklären. Und das geht meiner Ansicht nach nicht. Man kann das Unerklärliche nicht erklären.


    Hallo,


    keineswegs ist alles an der Shoah unerklärlich. Sie ist nicht vom Himmel gefallen, sondern von Menschen gemacht und zugelassen worden, Menschen aus dem Volk der Dichter und Denker, weshalb es eine wahnsinnig umfangreiche Literatur dazu gibt - wissenschaftliche (um nur einen - selbst auch betroffenen - Autor zu nennen, Saul Friedländer; sehr zu empfehlen), wie rein autobiographische.
    Ich kenne das von Dir genannte Buch leider noch nicht. Aber selbstverständlich ist auch im "Roman eines Schicksallosen", "Kaddish für ein ungeborenes Kind", "Dossier K.", "Ich - ein anderer" Kertesz' traumatische Biographie, wo nicht zentrales Thema, doch immer der Hintergrund auf dem alles weitere stattfindet.
    Es ist ja grundsätzlich keine eigene Erfahrung einem anderen je begreifbar zu machen. Das gilt schon für das kleine Kind, das erst begreift was "heiß" bedeutet, nachdem es sich erstmals die Finger verbrannt hat - wie viel mehr, bei einem Geschehen, das uns zeigt, wie dünn der kulturelle und zivilisatorische Boden ist, auf dem wir, vermeintlich so sicher, stehen. Auch dieser äußerst beunruhigende Aspekt könnte einer der Gründe sein, weshalb es nach wie vor Leugner, Verdränger und aktiv Desinteressierte dieser 1000 Jahre deutscher Geschichte gibt.
    Die Menschen allerdings, die bereit sind sich auch heute noch wenigstens via Buch mit dem "Unbegreiflichen" zu konfrontieren, sind vielleicht die einzige kulturelle Hoffnung auf einen gewissen Bestand der Aufklärung und Humanität. Und dafür müssen diese Bücher geschrieben werden.


    Gruß
    g.


  • keineswegs ist alles an der Shoah unerklärlich. Sie ist nicht vom Himmel gefallen, sondern von Menschen gemacht und zugelassen worden, Menschen aus dem Volk der Dichter und Denker, weshalb es eine wahnsinnig umfangreiche Literatur dazu gibt


    Dass der Judenhass in der Geschichte begründet ist, weiß ich zwar, kann es mir aber nicht erklären, warum dem so ist. Genauso lese ich Bücher und sehe Filme über den Zweiten Weltkrieg, die Shoa und die Konzentrationslager. Aber ich begreife einfach nicht, wie Menschen zu so einer Tat fähig sein konnten. Wieso war es möglich Millionen Menschen zu vergasen? Sicher gab es die Bewegungen dagegen, aber wie war es möglich diese Menschen jahrelang zu unterdrücken, zu foltern und von der Bildfläche verschwinden zu lassen?
    Ich kann einfach nicht begreifen, dass es keinen Aufschrei weltweit gegeben hat und diese Antwort versuche ich in den Büchern zu finden. Auch wenn es Erklärungsversuche gibt, werde ich sie nie kapieren.


    Katrin