Was ist Kunst? Picasso soll einmal geantwortet haben, er wisse es nicht. Doch wenn er es wüsste, würde er es für sich behalten.
Thomas Mann ist dieser Frage nicht ausgewichen. Er hat sie sich ein Leben lang immer wieder gestellt - und beantwortet. Seine Kunstauffassung teilt er in Anmerkungen mit, die über das gesamte schriftstellerische und essayistische Werk verstreut sind, von der frühen Künstler-Novelle Tonio Kröger bis zu dem großen Alterswerk Doktor Faustus.
Von der Kunst erwartete Thomas Mann die Gestaltung von Gegensätzen und Aporien. Zweideutigkeit als System und künstlerische Paradoxie hat er diese Simultanität genannt. Damit unterscheidet sich er sich von seinem Bruder und Schriftsteller-Rivalen Heinrich Mann. Eindeutige Aussagen in der Kunst, bei Heinrich Mann nicht ungewöhnlich, hielt Thomas Mann für unkünstlerisch. Seine Prosa macht aus dem ´Entweder - Oder´ ein janusköpfiges ´Sowohl – Als auch´. Interessantere Lebenserscheinungen – und mit ihnen die Kunst - haben wohl immer dies Doppelgesicht von Vergangenheit und Zukunft, wohl immer sind sie progressiv und regressiv in Einem. Sie zeigen die Zweideutigkeit des Lebens selbst.
Thomas Manns Ironie ist kein unbeteiligtes Geltenlassen, sondern Ausdruck von Güte und Humanität. Wo seine Akzeptanz oder heimliche Sympathie liegen und wo er sich distanziert oder gar verabscheut, ist bei aller antithetischen Beredsamkeit immer spürbar.
Zitate aus dem literarischen und essayistischem Werk Thomas Manns: http://www.haack-leipzig.de