Ich habe dieses Gedicht nun schon einige Zeit im Zwischenspeicher und wollte es unbedingt einmal hierher kopieren, da es eines meiner Lieblingsgedichte aus meiner Schulzeit ist. Es war kein Lehrstoff und dennoch kannte ich es auswendig, schneller als einge Balladen von Schiller und einiges von Goethe... Es gab ein damals ein schönes Buch mit dem Namen "Alles Unsinn" aus dem Eulenspiegel-Verlag, in dem ich ziemlich oft las und einiges zu meinem und anderer Leute Vergnügen auswendig lernte. Ich wusste nur nicht mehr, dass das Gedicht von Liliencron war. Man lernt eben nie aus...
ZitatAlles anzeigenLyrikmail-Spezial: Kindergedichte
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Lyrikmail Nr. 1296 30.05.2006
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Ballade in U-dur
Es lebte Herr Kunz von Karfunkel
Mit seiner verrunzelten Kunkel
Auf seinem Schlosse Punkpunkel
In Stille und Sturm.
Seine Lebensgeschichte war dunkel,
Es murmelte manch Gemunkel
Um seinen Turm.
Täglich ließ er sich sehen
Beim Auf- und Niedergehen
In den herrlichen Ulmenalleen
Seines adlichen Guts.
Zuweilen blieb er stehen
Und ließ die Federn wehen
Seines Freiherrnhuts.
Er war just hundert Jahre,
Hatte schneeschlohweiße Haare
Und kam mit sich ins klare:
Ich sterbe nicht.
Weg mit der verfluchten Bahre
Und ähnlicher Leichenware!
Hol sie die Gicht!
Werd ich, neugiertrunken
Ins Gartengras hingesunken,
Entdeckt von dem alten Halunken,
Dann grunzt er plump:
Töw Sumpfhuhn, ick wil di glieks tunken
In den Uhlenpfuhl zu den Unken,
Du schrumpliger Lump.
Einst lag ich im Verstecke
Im Park an der Rosenhecke,
Da kam auf der Ulmenstrecke
Etwas angemufft.
Ich bebe, ich erschrecke:
Ohne Sense kommt mit Geblecke
Der Tod, der Schuft.
Und von der andern Seite,
Mit dem Krückstock als Geleite,
In knurrigem Geschreite,
Kommt auch einer her.
Der sieht nicht in die Weite,
Der sieht nicht in die Breite,
Geht gedankenschwer.
Hallo, du kleine Mücke,
Meckert der Tod voll Tücke,
Hier ist eine Gräberlücke,
Hinunter ins Loch!
Erlaube, daß ich dich pflücke,
Sonst hau ich dir auf die Perücke,
Oller Knasterknoch.
Der alte Herr, mit Grimassen,
Tut seinen Krückstock fest fassen:
Was hast du hier aufzupassen,
Du Uhu du!
Weg da aus meinen Gassen,
Sonst will ich dich abschrammen lassen
zur Uriansruh!
Sein Krückstock saust behende
Auf die dürren, gierigen Hände,
Die Knöchel- und Knochenverbände:
Knicksknucksknacks.
Freund Hein schreit: Au, mach ein Ende!
Au, au, ich lauf ins Gelände
Nach Haus schnurstracks.
Noch heut lebt Herr Kunz von Karfunkel
Mit seiner verrunzelten Kunkel
Auf seinem Schlosse Punkpunkel
In Stille und Sturm.
Seine Lebensgeschichte ist dunkel,
Es murmelt und raunt manch Gemunkel
Um seinen Turm.
Detlev von Liliencron
(1844-1909)
* der Autor
geb. am 3. Juni 1844 in Kiel als Sohn eines dänischen Zollbeamten, Liliencron, eigentlich Friedrich Adolf Axel Freiherr von Liliencron, besucht nach Abbruch des Gymnasiums die Realschule in Erfurt u. eine Berliner Kadettenschule, nach Auszeichnungen im Deutschen Krieg (1866) bzw. im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71), muss er später wegen Glücksspieles die Armee verlassen, danach Aufenthalt in Amerika, wo er seinen Lebensunterhalt als Sprachlehrer, Klavierspieler u. Maler bestreitet, von dort zurück tritt er 1882 in den Verwaltungsdienst, nach 1887 freier Schriftsteller in München u. Berlin, 1883 erscheint sein erster Gedichtband Adjutantenritte u. andere Gedichte, nachfolgende Bände verschaffen ihm genügenden Bekanntheitsgrad, er erhält ein Ehrengehalt von Wilhelm II. u. die Ehrendoktorwürde der Universität Kiel, er stirbt am 22. Juli 1909 in Alt-Rahlstedt (heute ein Stadtteil Hamburgs) an einer Lungenentzündung.
Quelle: Lyrikmail