September 2006 - Marcel Proust

  • Hallo zusammen,


    seit Sonntag plagt mich eine Magenschleimhautentzündung und somit habe ich erst 21 Seiten gelesen. Doch diese 21 Seiten hatten es wirklich in sich. Ich hätte ja nie gedacht, dass Proust die Karten so offen nun auf den Tisch legt. Das war schon delikat wie Jupiens und de Charlus sich stumm verständigten und wie schnell dann alles ging. Ich war nicht schlecht erstaunt.
    Vorweg - die Orchidee und die Hummel - raffiniert verwoben.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo :winken:


    ich schleich mich mal kurz in eure Leserunde rein. Ich freu mich richtig eure Leserunde verfolgen zu können, eure Leseeindrücke sind immer sehr spannend zu verfolgen. Und wenn ich nicht erst vor ein paar Tagen einen re-read des ersten Bandes (den ich richtig genossen hatte) beendet hätte und mir noch die nächsten Bände fehlen würden, dann würde ich mich euch glatt anschließen.
    Ich wünsch euch noch viel Vergnügen bei diesem Band und werde sozusagen euren Lesespuren hinterherstapfen :smile:


    Und jetzt schleiche ich mich wieder raus.


    Liebe Grüße
    wolves

  • Hallo zusammen,
    hallo wolves !


    Zitat

    und mir noch die nächsten Bände fehlen würden, dann würde ich mich euch glatt anschließen.


    Schade !


    Inzwischen bin ich bzw. der Protagonist auf der Soiree der Fürsten Guermantes angekommen. Ist ja zu drollig, wie schwierig es Marcel fällt, endlich dem Fürsten vorgestellt zu werden - und nur, damit er gehen kann zu seinem date mit Albertine. Ganz erstaunlich war auch die direkte Wendung an den Leser, ich weiß nicht, was ich davon halten soll ?


    Jetzt lege ich aber erstmal ein Päuschen ein, damit Maria aufholen kann.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    Teil I habe ich beendet.



    So, die ersten 50 Seiten habe ich gelesen. Stellenweise sind seine Beobachtungen ja ziemlich amüsant, auch den Vergleich mit der Hummel, aber manches wirkte auch auf mich etwas befremdlich, z.B. die Einteilung in verschiedene Unterarten der Homosexualität.


    Ging mir ebenso. Eigentlich verstand ich nur die Unterart "Einzelgänger" so richtig.
    In welche Kategorie würdet ihr Charlus einsortieren? :rollen:


    @wolves
    schön, dich hier zu lesen. :winken:


    Zitat von "manjula"


    Der Erzähler beobachtet zu Beginn die Orchidee, die ihrer Bestäubung harrt, und wird aber durch die Annäherung von Charlus und Jupien abgelenkt Der Erzähler beobachtet zu Beginn die Orchidee, die ihrer Bestäubung harrt, und wird aber durch die Annäherung von Charlus und Jupien abgelenkt (was er zum Schluss bedauert - etwas scheinheilig, findet Ihr nicht auch? (was er zum Schluss bedauert - etwas scheinheilig, findet Ihr nicht auch? ). An seine Beobachtungen schließen sich Gedanken zum Thema Homosexualität an, die ziemlich befremdlich erscheinen. So ganz kann ich seine Haltung nicht einschätzen, aber er kündigt ja mehrfach an, dass er sich noch ausführlich dazu äußern wird.
    An seine Beobachtungen schließen sich Gedanken zum Thema Homosexualität an, die ziemlich befremdlich erscheinen. So ganz kann ich seine Haltung nicht einschätzen, aber er kündigt ja mehrfach an, dass er sich noch ausführlich dazu äußern wird.


    gegen Ende vollendet er seine Beobachtungen zu den Befruchtungsarten der Orchideen; er kommt nochmals darauf zurück. Stilistisch perfekt.


    (was er zum Schluss bedauert - etwas scheinheilig, findet Ihr nicht auch?)


    bin ganz deiner Meinung. Ihm konnte es nicht schnell genug gehen, hinterher zu gehen und nahm nicht mal den sicheren Weg, sondern den kürzeren, auf die Gefahr hin, gesehen zu werden.


    Noch eine Notiz zum Titel "Sodom und Gomorrha", die im Anhang meiner TB-Ausgabe steht. Ich glaube, Manjula, du hast eine andere Ausgabe als wir(?):


    "Proust versteht die Namen der beiden biblischen Städte nicht im allgemeinen Sinn als Symbole für Lasterhaftigkeit, sondern - in Anlehnung an den als Epigraph zitierten Vers von Vigny - als Zeichen für die männliche und die weibliche Homosexualität."


    zur Titelüberschrift im 1. Teil heißt es:


    Erstes Auftreten der Zwitterwesen...


    "Eva Rechel-Mertens hat den Begriff "hommes-femme" mit "Weib-Mann" übersetzt; wir versuchen es mit "Zwitterwesen".


    Zitat von "Steffi"

    Jetzt lege ich aber erstmal ein Päuschen ein, damit Maria aufholen kann.


    :knuddel:


    Nachtrag:
    Proust schrieb die biblische Geschichte von Sodom und Gomorrha um. Ob er das auch für sich selbst als Erklärung für seine Neigung annahm? Natürlich ist die Geschichte erfunden, doch könnte es nicht ein tröstender Gedankengang für den Autor selbst gewesen zu sein? Oder vielleicht wollte er wenigstens im fiktiven Bereich mit dieser Abänderung einen Platz in der "Genesis" haben? Uff, ich kann es nur schwer ausdrücken, was mir im Kopf umgeht. Wie religiös war Proust nochmals eingestellt? Ich kann mich nicht mehr erinnern, obwohl ich letztes Jahr eine Biographie las.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo zusammen,


    Das Soiree der Fürsten Guermantes beginnt sehr amüsant. Der Leser trifft neue und alte Bekannte. Marcel versucht jemanden zu finden, der ihn dem Fürsten von Guermantes vorstellt. Die Leute, denen er auf Umwegen nun vorgestellt wird, führen bisher nicht zu seinem Ziel, dem Fürsten. Sehr spritzig beschrieben und über die Ironie, die er ab und zu miteinfließen lässt, mußte ich schmunzeln (z.B. Medizin ist keine exakte Wissenschaft. - die Szene als er Professor E. trifft und über die Nierenausscheidung und über das heiße Wetter spricht).


    Wie weit seit ihr denn?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    ich befinde mich ebenfalls noch auf dem Fest der Prinzessin. Marcels Anstrengungen, endlich dem Gastgeber vorgestellt zu werden, haben mich auch amüsiert. All diese Verrenkungen, um möglichst schnell seine Gastpflichten zu erfüllen und sich mit Albertine treffen zu können. Es erscheint ja alles sehr gestelzt und umständlich - aber das wird man vielleicht über unsere Umgangsformen in 100 Jahren auch sagen.


    Zitat

    Ganz erstaunlich war auch die direkte Wendung an den Leser, ich weiß nicht, was ich davon halten soll ?


    Ja, das hat mich auch gewundert. Ich fand es aber auch recht witzig, wie er ausführlich über das Erinnerungsvermögen und Namen referiert und sich dann vom ungeduldigen Leser (sozusagen "jetzt komm doch endlich mal auf den Punkt") unterbrechen lässt. Eine nette Selbstironie, und der Leser, der vielleicht doch manches zu weitschweifig fand, fühlt sich schmunzelnd ertappt.


    Maria, geht es Dir wieder besser? Eine Magenschleimhautentzündung ist wirklich eine Plage :trost:


    wolves, schleich Dich ruhig noch öfter ein :smile: Vielleicht schaffst Du es ja, bei einem der späteren Bände mitzulesen?


    Schönen Sonntag Euch allen!


    Manjula


    EDIT: Ich lese übrigens diesmal die Suhrkampausgabe von 1982.

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo Steffi,
    hallo Manjula



    Ganz erstaunlich war auch die direkte Wendung an den Leser, ich weiß nicht, was ich davon halten soll ?


    Zitat von "Manjula"


    Ja, das hat mich auch gewundert. Ich fand es aber auch recht witzig, wie er ausführlich über das Erinnerungsvermögen und Namen referiert und sich dann vom ungeduldigen Leser (sozusagen "jetzt komm doch endlich mal auf den Punkt") unterbrechen lässt. Eine nette Selbstironie, und der Leser, der vielleicht doch manches zu weitschweifig fand, fühlt sich schmunzelnd ertappt.


    nun habe ich diese Szene passiert und mußte ebenfalls schmunzeln. Vielleicht mußte sich Proust schon zu Lebzeiten anhören, dass er zu weitschweifig erzählt und daraus resultierend kam dieser Absatz heraus.


    Zitat von "Manjula"

    Maria, geht es Dir wieder besser? Eine Magenschleimhautentzündung ist wirklich eine Plage. :trost:


    Danke Manjula. Oja, ich könnte auch gut ohne auskommen. Es geht mir wieder besser. :smile:


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo,

    wolves, schleich Dich ruhig noch öfter ein :smile: Vielleicht schaffst Du es ja, bei einem der späteren Bände mitzulesen?


    mal sehen wie ich mit den weiteren Bände nachkomme, vielleicht hole ich ja auf und kann spätere Bände auch noch mitlesen.


    Ich wünsche euch auf jeden Fall noch viel Spaß bei eurer Leserunde.



    Liebe Grüße
    wolves

  • Hallo zusammen,


    habt ihr auch das Gefühl, dass eine neue Leichtigkeit in seinem Schreiben zu spüren ist? Proust mixt ja schon immer sehr gut seine Beschreibung mit Humor, Ironie ... Doch in "Sodom und Gomorrha" habe ich das Gefühl, dass es lockerer wirkt, er schreibt irgendwie befreit, nun da er das Thema der Homosexualität erkennbar eingebracht hat.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen !



    habt ihr auch das Gefühl, dass eine neue Leichtigkeit in seinem Schreiben zu spüren ist? Proust mixt ja schon immer sehr gut seine Beschreibung mit Humor, Ironie ... Doch in "Sodom und Gomorrha" habe ich das Gefühl, dass es lockerer wirkt, er schreibt irgendwie befreit, nun da er das Thema der Homosexualität erkennbar eingebracht hat.


    Das ist mir so nicht aufgefallen. Es stimmt, der Stil wirkt flüssiger, er schiebt nicht soviele philosophische Betrachtungen ein, aber ich habe es so empfunden, dass er den Plauderton auf der Soiree aufnimmt. Auf so einer Veranstaltung geht es ja hauptsächlich um "wer-mit-wem" und andere Skandälchen. Einzig in dem Gespräch mit Swann, der erschreckend dem Tod geweiht ist, wird es etwas ernsthafter. Aber Marcel geht ja völlig in der ganzen Atmosphäre auf, Gilberte "war für mich wie eine Tote, die man lange beweint hat ...".


    Ich bin nun dabei, mit Marcel die Soiree zu verlassen. Wie weit seid ihr ?


    Gruß von Steffi


  • Hallo zusammen,
    hallo Steffi,


    spätestens in den nächsten 2 Tagen möchte ich mit dem 1. Kapitel durch sein. Ich habe noch ca. 50 Seiten vor mir.


    wie du oben erwähnst (Gilberte), gab es einigen Bezug zum Tod. Es steigerte sich mit dem Auftreten Swanns. Davor jedoch noch die prägnante Stelle:


    "Wir wollen nur hoffen, daß es nach dem Tod besser eingerichtet ist. Auf alle Fälle hat man es dann nicht mehr nötig, eine dekolletierte Robe anzulegen. Aber wer weiß? Vielleicht wird man bei großen Festen seine Gebeine und seine Würmer zur Schau stellen. Warum auch nicht?.." (sagte die Herzogin von Guermantes).


    wie morbide. ;-)


    dann tritt Swann auf, sein Gesicht ausgezehrt wie ein abnehmender Mond.


    Alles gipfelt sich in einem "Memento mori"; ein Gedenken, dass man sterblich ist. Memento quia pulvis S. 136. Im Anhang heißt es dazu, dass dies der Priester in Ermahnung in seiner Aschermittwochsliturgie predigt.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Guten Abend,



    Hallo zusammen !



    Das ist mir so nicht aufgefallen. Es stimmt, der Stil wirkt flüssiger, er schiebt nicht soviele philosophische Betrachtungen ein, aber ich habe es so empfunden, dass er den Plauderton auf der Soiree aufnimmt. Auf so einer Veranstaltung geht es ja hauptsächlich um "wer-mit-wem" und andere Skandälchen. ...


    Prousts Erzählung der Soirée wirkt auf mich ebenfalls sehr locker und leicht. Deine Annahme, er ahmt damit den Plauderton der Gäste nach, finde ich nachvollziehbar; er zeigt auch die Oberflächlichkeit, die hier herrscht. Lediglich die Szene mit Swann fällt aus dem Rahmen.


    An einer Stelle schreibt er ja, dass der "Invertierte" sich zunächst für einzig in seiner Art hält, später hält er im Gegenteil den "normalen" Menschen für eine Ausnahme. Bei der Menge an Homosexuellen, die Marcel ausmacht (Charlus, Vaugoubert, Châtellerault, sämtliche Mitglieder der Gesandtschaft...), scheint er sich gerade im zweiten Stadium zu befinden :zwinker:


    Sehr schön fand ich die Beschreibung des Brunnens von Hubert Robert. Die Wasserstrahlen, die eigentlich lückenhaft und teils kraftlos sind, erwecken aus der Distanz eine Illusion der Kontinuität. Kann das ein Bild der Gesellschaft sein? Später schreibt Proust ja, dass die Bürger einer Epoche, so unterschiedlich sie sich auch vorkommen mögen, aus dem Abstand der Geschichte doch ganz einheitlich erscheinen.


    [quote author=JMaria]
    "Wir wollen nur hoffen, daß es nach dem Tod besser eingerichtet ist. Auf alle Fälle hat man es dann nicht mehr nötig, eine dekolletierte Robe anzulegen. Aber wer weiß? Vielleicht wird man bei großen Festen seine Gebeine und seine Würmer zur Schau stellen. Warum auch nicht?.." (sagte die Herzogin von Guermantes).
    [/quote]


    Und danach dann: "Sehen Sie nur die alte Rampillon an, finden Sie, dass ein großer Unterschied zwischen ihr und einem Skelett in ausgeschnittenem Totenhemd besteht?" Ganz schön bösartig. Ebenso wie Charlus' Bemerkungen über die Matinée von Madame Sainte-Euverte, die er mit einer Abortgrube in Verbindung bringt.


    Ich bin eben bei Marcels Gespräch mit Swann.


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo !


    Die Gedanken über den Tod gehen weiter. Marcel ist in Balbec, in seinem alten Zimmer und es befällt ihn eine starke Traurigkeit, ja fast Verzweiflung über den Tod der Großmutter. Hier sind die Erinnerungen am stärksten, so liegt er in seinem Bett an der Wand, wo sie sich damals immer mit Klopfzeichen verständigten. Ich finde, Proust beschreibt diese zu Herzen gehende Trauer sehr intensiv. Auch diese Auseinandersetzung zeigt, dass Marcel erwachsener geworden ist.


    Auffällig finde ich diese Thematisierung von Tod und Triebhaftigkeit. Marcel ist ja wegen der Suche nach dem Dienstmädchen nach Balbec gekommen.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    manche alte Verhaltensmuster kommen doch immer wieder durch. Als Albertine nicht kommen konnte, fühlte sich Marcel ähnlich wie damals als seine Mutter ihm nicht Gute Nacht sagen konnte.


    Zitat von "Steffi"

    Auffällig finde ich diese Thematisierung von Tod und Triebhaftigkeit. Marcel ist ja wegen der Suche nach dem Dienstmädchen nach Balbec gekommen.


    Diese Gegensätze die auftauchen sind wirklich auffallend. Mir fiel es auch in der Beschreibung von der "Sprache" auf. Marcel versteht Francois Tochter nicht. Diese Ausführlichkeit, die er dem Thema widmet, finde ich ebenfalls bezeichnend. Vielleicht sogar auch ein biblischer Aspekt, neben dem Begriff "Sodom und Gomorrha" noch die "Sprachenverwirrung" (?).


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Guten Morgen,



    Hallo !


    Die Gedanken über den Tod gehen weiter. [...]


    Ja, der Tod taucht immer wieder auf: Swann liegt im Sterben, was Marcel gar nicht zu berühren scheint. Bergotte ist ebenfalls todkrank und verhilft dadurch Odette zu einem eleganten Salon. Noch zynischer wird der Tod des Verwandten des Herzogs von Guermantes beschrieben: als er davon erfährt, verneint er die Tatsache, weil er ansonsten den Maskenball nicht besuchen könnte. Heftig.


    Ein weiteres immer wiederkehrendes Motiv ist die Dreyfusaffäre. Der Erzähler schildert die Ansichten Swanns, den Gewinn, den Odette daraus zieht und die Wandlung bei Saint-Loup, dem Herzog von Guermantes und dem Prinzen von Guermantes, selbst bezieht er aber nach wie vor nicht Position. Überhaupt kommt er mir in diesem Band leichtlebiger vor als in den vorigen: er scheint nur an den Salons interessiert, seine Liebe zur Literatur scheint erkaltet und seine Arbeit wird nur einmal erwähnt, nämlich in dem Zusammenhang, dass er sie hinausschiebt.


    Ach ja, Odette. Still und heimlich hat sie es geschafft, einen eleganten Kreis um sich zu scharen. Die Guermantes lehnen sie zwar nach wie vor ab, der Erzähler deutet aber schon ganz leicht an, dass sie sozusagen auf dem absteigenden Ast sind. Es scheint sich noch einiges zu verändern in der Gesellschaft.



    Hallo zusammen,


    manche alte Verhaltensmuster kommen doch immer wieder durch. Als Albertine nicht kommen konnte, fühlte sich Marcel ähnlich wie damals als seine Mutter ihm nicht Gute Nacht sagen konnte.


    Ja, diese Erinnerung fiel mir auch auf. Schön fand ich auch, als Marcel beschreibt, dass er gern eine bestimmte Dame besucht (mir fällt gerade der Name nicht ein), weil bei ihr immer Erinnerungen an Eulalie hochkommen.


    Ich bin nun mit Marcel in Balbec angekommen, wo er sich über die Sprachverhunzungen des Direktors lustig macht. Das wäre nun ein Teil, den ich gern im Original lesen können würde :zwinker:


    Liebe Grüße
    Manjula

    [size=10px] "Kunst soll keine Schulaufgabe und Mühseligkeit sein, keine Beschäftigung contre cœur, sondern sie will und soll Freude bereiten, unterhalten und beleben, und auf wen ein Werk diese Wirkung nicht übt, der soll es liegen lassen und sich zu andrem wenden." [/size]

  • Hallo !


    Manjula schrieb:

    Zitat

    Überhaupt kommt er mir in diesem Band leichtlebiger vor als in den vorigen: er scheint nur an den Salons interessiert, seine Liebe zur Literatur scheint erkaltet und seine Arbeit wird nur einmal erwähnt, nämlich in dem Zusammenhang, dass er sie hinausschiebt.


    Besonders in Balbec ist das sehr auffällig ! Marcel scheint nur an körperlicher Liebe interessiert zu sein, er zitiert Albertine her, wann es ihn gerade gelüstet und teilt dem Leser dann mit, dass ihm in dieser Saison 13 ihrer Freundinnen genußreiche Augenblicke geschenkt hätten :zwinker: Albertine ist die 14. und zum Zeitpunkt seiner Erinnerung bereits tot. Mit der Feststellung, dass Albertine auch Neigungen zu Frauen hat, kommt die Gomorrha-Seite ans Licht.


    Schön sind in Balbec wieder die Naturbeschreibungen, vor allem der Schluss des 1. Kapitels, die blühenden Apfelbäume und die Beschreibung des Frühlings, fand ich sehr beeindruckend.


    Gruß von Steffi


  • Hallo zusammen,


    vielleicht zeigt er sich von der leichtlebigen Seite, weil er zum ersten Mal den Tod und die Trauer um seine Großmutter richtig begriffen hat?


    Die Beschreibung um die Trauer seiner Großmutter war sehr berührend. Für mich der Höhepunkt im 1. Teil.


    Manjula:
    über die Sprachverhunzung habe ich mich köstlich amüsiert und der Wunsch diese Szenen im Original lesen zu können, kam auch in mir auf.


    ich bin gespannt ob das Thema "Sprache" sich noch durch die gesamte Geschichte zieht. Ich finds auffallend oft in irgendeiner Weise erwähnt.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Schön sind in Balbec wieder die Naturbeschreibungen, vor allem der Schluss des 1. Kapitels, die blühenden Apfelbäume und die Beschreibung des Frühlings, fand ich sehr beeindruckend.


    Gruß von Steffi


    Hallo zusammen,


    die blühenden Apfelbäume haben es mir auch angetan.
    Der Schluß von Kapitel I war von Proust sehr durchdacht, wie es im Anhang meiner Ausgabe dazu heißt:


    Proust beschließt das erste Kapitel von Sodom und Gomorrha II mit einem akustischen und einem visuellen Bild, einem Seestück und einer Landschaft. In beiden variiert er Themen aus den vorangehenden Teile des Romans. Vgl. die Seestücke in "Jeunes filles", den blühenden Weißdorn in "Swann" oder die blühenden Birnbäumen in "Guermantes".


    Zitat von "Manjula"

    Ach ja, Odette. Still und heimlich hat sie es geschafft, einen eleganten Kreis um sich zu scharen. Die Guermantes lehnen sie zwar nach wie vor ab, der Erzähler deutet aber schon ganz leicht an, dass sie sozusagen auf dem absteigenden Ast sind. Es scheint sich noch einiges zu verändern in der Gesellschaft.


    Die Salons vergleicht Marcel mit Schmetterlingen:


    Madame de Guermantes war sich nicht klar darüber, daß angenehme Leute mich kalt ließen und daß ich, wenn ich "Salon Arpajon" sagte, einen gelben Schmetterling sah, bei "Salon Swann" aber ... einen schwarzen Schmetterling mit schneegepolsterten Flügeln.


    Schmetterling:
    ein Symbol der Metarmophose?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()

  • Hallo !


    Zitat

    vielleicht zeigt er sich von der leichtlebigen Seite, weil er zum ersten Mal den Tod und die Trauer um seine Großmutter richtig begriffen hat


    Man sollte ja auch nicht vergessen, dass es eine Erinnerung des "alten" Marcel ist. Vielleicht hat er einfach eine Phase seines Lebens so empfunden. Erinnerung ist ja auch nie etwas ganzens, sondern meist bruchstückhaft oder einseitig, vor allem, wenn sie länger zurückliegt.


    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen,


    habt ihr bereits mit dem 2. Kapitel begonnen?
    ich warte gern. Ich glaube, Manjula ist noch nicht soweit (?)


    Liebe Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)