Februar 2006: Rilke - Die Aufzeichnungen [...] Brigge

  • Hier also mal Seiten zum Buch
    http://www.biblioforum.de/buch_brigge.php
    und auf Wikipedia:
    http://de.wikipedia.org/wiki/D…_des_Malte_Laurids_Brigge
    Ich hoffe das ist in Ordnung so?
    LIebe Grüße!


    [size=9px]Hi Undine! Ich habe die Überschrift Deines Beitrages mal auf die in diesem Unterforum eingebürgerte Standardform gebracht. Leider hatte so in der Überschrift nicht der ganze Titel von Rilkes Werk mehr Platz, sorry. Nix für Ungut! - sandhofer[/size]

    Doch vor dem ersten Tode kam der Mord. (Rainer Maria Rilke)

  • Hallo ihr Lieben!
    Hiermit eröffne ich also die Leserunde zu Rilke Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge.
    Ich kenne das Buch schon, glaube aber es nicht gründlich genug gelesen zu haben... fasziniert hat es mich auf alle Fälle.
    Also, gehen wir's an, ich hoffe auf vielseitige Anregungen!
    Liebe Grüße
    Undine

    Doch vor dem ersten Tode kam der Mord. (Rainer Maria Rilke)

  • Hallo Undine, hallo zusammen,


    Ich habe gestern die ersten paar Seiten gelesen. Das wimmelt ja nur so von Tod, immer wieder kontrastiert durch schwangere und gebärende Frauen.
    Toll, Undine, dass Du das Buch schon kennst, ich hoffe, dass Du aus zweiter Sicht mehr siehst und verstehst als ich als Erstleserin, und dass Du mit Deinen Einsichten nicht hinter dem Berg hältst!


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Oh-.... na dann, werd mich bemühen! ;-)
    Also bis jetzt hat niemand etwas gegen das Buch einzuwenden? *freu*
    Bis dann also...

    Doch vor dem ersten Tode kam der Mord. (Rainer Maria Rilke)

  • Zitat von "Maja"


    Ich habe gestern die ersten paar Seiten gelesen. Das wimmelt ja nur so von Tod, immer wieder kontrastiert durch schwangere und gebärende Frauen.


    Oh ja, der Tod... Die ersten paar Seiten haben mir etwas Mühe bereitet, aber seit dem Tod des Grossvaters komme ich besser klar mit den Aufzeichnungen.


    Was haltet ihr von den Schreien des Todes von Christoph Detlev Brigge?


    Entweder der Start war zu überraschend oder meine Mühe ist dadurch zu erklären, dass noch keine Handlung, keine Geschichte sichtbar wurde. Bin gespannt, wie es weiter geht, werde heute noch einiges lesen, so hoffe ich.



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Ohje, ich fürchte wenn du mit einer konkreten Handlung rechnest, werde ich dich enttäuschen müssen...
    Ist dir Handlung bei einem Buch so wichtig?
    Bin gespannt, was du dazu sagen wirst.
    Ich persönlich finde die Tod-Schilderungen überragend...
    Am besten gefällt mir in den ersten paar Seiten der Absatz mit den Gesichtern... ich weiß nicht genau warum, aber von dem bin ich wahnsinnig angetan...!
    Ich bin wirklich immer gespannter, was alle anderen von dem Buch halten...
    Bitte also um möglichst viele Meinungen =)
    Herzliche Grüße,
    Undine

    Doch vor dem ersten Tode kam der Mord. (Rainer Maria Rilke)

  • Zitat von "Undine"

    Ohje, ich fürchte wenn du mit einer konkreten Handlung rechnest, werde ich dich enttäuschen müssen...


    Habe ich etwas von einer "konkreten" Handlung geschrieben :zwinker: Nein, nein, solche Ansprüche stelle ich nicht an ein Buch, aber irgendwie einen Zusammenhang zwischen den Bruchstücken muss ich schon sehen/finden, sonst kommt mich die Lektüre etwas sauer an; vielleicht verstehst du das?


    Die Tod-Schilderungen sind schon geniessbar, aber der Einstieg, diese Schilderung von Paris als einem einzigen grossen Krankenhaus - irgendwie kam ich nicht ganz zurecht mit ihm...


    Die Schilderung seiner "Verwandtschaft" mit den "Abfällen der Gesellschaft" finde ich sehr spannend und frage mich, ob dieses Thema noch ausgebaut wird, ob er die Zeichen mit der Zeit verstehen wird.


    Das Motiv der Schreie zieht sich hin ("chou-fleur"...) ohne dass ich seinen Sinn besser verstehen würde :sauer:



    Grüsse
    alpha

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  • Hallo zusammen!


    Was dagegen, wenn ich auf den fahrenden Zug mitaufspringe?... - Der "Malte Laurids Brigge" liegt schon länger bei mir rum aber irgendwie habe ich mich nie rangetraut. Vielleicht, weil es sich beim Autor um einen Lyriker handelt und mir Lyrik oft so subjektiv, verschlüsselt und schwer verständlich vorkommt (der Kommentar bezeichnet den Roman gar als "Prosagedicht"...). Jedenfalls bin ich jetzt auf Seite 35 (Bibliothèque National: "Ich sitze und lese einen Dichter") und bin schon auf etliche "Highlights" gestossen, die ich mir angekreuzt habe. Sachen wie diese:


    Es sind viele Leute im Saal [Bibliothèque National], aber man spürt sie nicht. Sie sind in den Büchern. Manchmal bewegen sie sich in den Blättern, wie Menschen, die schlafen und sich umwenden zwischen zwei Träumen.


    Oder die Begegnung mit einer armen Frau auf der Strasse: "Sie war ganz in sich hineingefallen, vornüber in ihre Hände." Und wie sie, gestört von Maltes Schritten, hochschrickt: "zu schnell, zu heftig, so dass das Gesicht in den zwei Händen blieb."


    Auch Maltes "ästhetische Wahrnehmung der Realität" (Kommentar) gefällt mir. Wenn alles um ihn rum beseelt zu sein scheint, Scherben lachen, Splitter kichern und Blumen in Beeten aufstehen und mit erschrockener Stimme "Rot" sagen.


    Oder Fragen wie: "Ist es möglich zu glauben, man könne einen Gott haben, ohne ihn zu gebrauchen?", d.h. abzunützen und zu verschleissen.


    Oder die Gedanken über den Tod, wie banal er für die Leute geworden ist, so dass sie froh sind, "wenn sie einen finden, der ungefähr passt, Zu weit darf er sein: man wächst immer noch ein bischen. Nur wenn er nicht zugeht über der Brust oder würgt, dann hat es seine Not."


    Und, und, und...


    Dies jedenfalls meine ersten Eindrücke. Freue mich darauf, mehr von euch zu lesen.


    Gruss


    riff-raff

  • Also ich muss sagen: Das Buch ist sonderbar. Ergreifend, erschütternd...


    Die Geschichte von der Hand ist ja einfach grauenhaft. - Dafür die Schilderung rund um Sopie - so süss, psychologisch hoch interessant usw. - Und die beiden Geschichten so nahe beieinander!


    Mir fehlen irgendwie die richtigen Worte...



    Grüsse
    alpha

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  • Es ist sonderbar still hier, in der Leserunde :sauer:


    Ich bin bei den Abschnitten über die Nachbarn, der Nikolaj Kusmitsch ist ja ein sehr eindrücklicher Nachbar! - Hat mich an Momo erinnert, auch wenn es etwas anders ist... Eine naive, seltsame Idee, zu meinen, man könne Zeit sparen und diese dann am Wochenende ausgeben - obwohl, je nachdem geht es ja, wenn man unter der Woche Dinge erledigt, die man sonst am Wochenende erledigen müsste, aber das ist ja trivial...


    Was einen früheren Abschnitt betrifft, kurz vor dem Tod des Jägermeisters: Habt ihr eine Vorstellung, wie es kam, dass Brigges ihr Stammhaus verliessen und in die Stadt zogen? - Und ob Malte eigentlich verarmt ist oder ob er nur mehr Geld braucht, weil er herumreist und in der Fremde wohnt, statt in der angestammten Heimat? - Vielleicht tut das nicht viel zur Sache, aber interessant fände ich es schon...


    Die Geschichte von Abelone und dem Grafen gefällt mir: Ein egozentrischer Mensch (so wirkt der Graf auf mich) erzählt von einem, den er bewundert!


    Oder der Kammerherr (ich habe mich vielleicht zu wenig geachtet: Der Graf Brahe ist identisch mit dem Kammerherrn? - Es scheinen mir beide die Vätern der Mutter von Malte zu sein?), der sein Glas absichtlich überfüllt: eine unvergessliche Geschichte!



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo zusammen!
    Hallo alpha!


    Der Kammerherr, der sein Weinglas absichtlich überfüllt, scheint mir Maltes Grossvater väterlicherseits zu sein. Er ist es auch, dessen "rücksichtsloses" Sterben so eindringlich geschildert wird. Zusammen mit seiner Frau Margarete Brigge bewohnen sie das Gut Ulsgaard.


    Auf dem Gut Urnekloster hingegen wohnen die Brahes, Maltes Grosseltern mütterlicherseits.


    Der Graf Brahe und der Kammerherr sind folglich nicht dieselbe Person; so jedenfalls hab ich das verstanden...



    Gruss


    riff-raff


    P.S.: Bin leider mit Lesen noch nicht so weit wie du, alpha, habe eben erst die Episode mit der Hand gelesen...

  • Hallo zusammen!


    Was die Episode betrifft, in welcher Malte in die Rolle der Sophie schlüpft um seine Mutter glücklich zu machen, die sich lieber ein Mädchen statt eines Jungen gewünscht hatte... - Wusstet ihr, dass Rilkes Mutter ihren Sohn "bis zu seinem fünften Altersjahr wie ein Mädchen kleidete und zu erziehen versuchte" (laut meinen Erläuterungen jedenfalls)...


    Was die Akzeptanz der eigenen Geschlechtlichkeit anbelangt, muss das doch für einen Menschen schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Stammt daher Maltes Angst vor dem "Grossen"? Ihr wisst doch, jene Episode, in der er erzählt, was ihn als Kind so erschreckte, wenn er im Fieber lag:


    ... das Grosse. Ja, so hatte ich immer gesagt, wenn sie alle um mein Bett standen und mir den Puls fühlten und mich fragten, was mich erschreckt habe: Das Grosse. Und wenn sie den Doktor holten und er war da und redete mir zu, so bat ich ihn, er möchte nur machen, dass das Grosse wegginge, alles andere wäre nichts.


    Bin ich der Einzige, der hier eine Erektion hineininterpretiert?


    Es war später einfach ausgeblieben, auch in Fiebernächten war es nicht wiedergekommen, aber jetzt war es da, obwohl ich kein Fieber hatte. Jetzt war es da. Jetzt wuchs es aus mir heraus wie eine Geschwulst, wie ein zweiter Kopf, und zwar ein Teil von mir, obwohl es doch gar nicht zu mir gehören konnte, weil es so gross war...


    Bei so einer Kindheit muss eine Erektion doch wie ein Vertrauensbruch an der geliebten Mutter erscheinen. "Ich möchte wohl wissen, was aus Sophie geworden ist", habe ihn die Mutter später des öfteren gefragt, ohne dass er darauf eine Antwort wusste. Aber wenn Maman vorschlug, dass sie gewiss gestorben sei, dann widersprach er [Malte] eigensinnig und beschwor sie, dies nicht zu glauben... - Und nun straft ihn sein eigener Körper Lügen... Die Erektion als augenfälligster Beweis, dass er doch nicht das Mädchen ist, das er seiner Mutter zuliebe gerne zu sein vorgab.


    Gruss


    riff-raff

  • Zitat von "riff-raff"

    Wusstet ihr, dass Rilkes Mutter ihren Sohn "bis zu seinem fünften Altersjahr wie ein Mädchen kleidete und zu erziehen versuchte" (laut meinen Erläuterungen jedenfalls)...


    Gewusst habe ich es nicht und was an der Erziehung auf ein Mädchen abziehlte, würde mich sehr interessieren, aber was die Kleidung anbelangt, kann ich dazu nur sagen, dass mein Grossvater auch noch in Röckchen grossgezogen wurde...


    Zu deinem Verdacht mit der Erektion möchte ich gar nichts sagen, kenne mich in der Psychoanalyse (auf welche dieser Verdacht ja zurückzuführen ist?) überhaupt nicht aus, kenne diese ganze Symbolik nicht wirklich und lasse also lieber die Finger davon...


    Bei meiner Verwirrung mit dem Kammerherrn und dem Grafen Brahe liess ich mich wohl durch das Ende, dass "Maman" zu lachen begann, zu stark beeinflussen - ich setzte die Episode zu einer Zeit an, in der "Maman" noch zu Hause wohnte - konnte mir irgendwie besser vorstellen, dass die Tocher zu lachen beginnt, als die Schwiegertochter, aber du hast schon recht, der Kammerherr ist Gemahl von Margarethe Brigge, also der Vater von Maltes Vater...



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo zusammen,
    endlich hatte ich mal Zeit, Eure Beiträge zu lesen.
    Danke für die Denkanstösse, ich komme selber mit dem Buch auch noch nicht klar. In meinem Unverständnis habe ich mich wieder einmal in die Sekundärliteratur geflüchtet, aber bisher erst mitbekommen, dass man das Ganze vom letzten Abschnitt, der "Legende" (nicht Gleichnis!) vom verlorenen Sohn her lesen müsse, diese sei der Schlüssel zum Verständnis. Also habe ich zuerst mal diesen letzten Abschnitt gelesen. Sehe trotzdem noch nicht klarer.


    Zitat von "riff-raff"

    ...in welcher Malte in die Rolle der Sophie schlüpft um seine Mutter glücklich zu machen, die sich lieber ein Mädchen statt eines Jungen gewünscht hatte...


    Offenbar musste Rilke als Ersatz für ein früh verstorbenes Schwesterchen hinhalten. (dtv-Portrait)


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo!
    Dass Rilke bis zu seinem 6. (oder 5.) Lebensjahr als Mädchen erzogen wurde, stimmt. Er trug nicht nur Röcke sondern auch Kleider und hatte längere Haare.
    Zurückzuführen ist diese Erziehung (die von der Mutter ausging) wahrscheinlich auf den Tod einer Tochter kurz nach ihrer Geburt, den Sophia Rilke nicht gut verkraftete. Rilke wurde also als seine ältere Schwester großgezogen...
    Ein Foto: http://www.onlinekunst.de/rilke/kind.jpg
    Mich persönlich hat bis zu der Stelle mit Nikolaj Kusmitsch die Schilderung der Teppiche der Madame a la Licorne besonders beeindruckt. Vielleicht, weil ich noch immer nichts genaues damit anfangen kann. Doch die Sprachgewalt, mit der sie beschrieben werden, ist unübertrefflich. Oder Sprachgewalt ist wohl das falsche Wort dazu, es ist einfach dieses unheimlich tiefe Einfühlen in die Dinge...
    Was meint ihr?
    Liebe Grüße,
    Undine

    Doch vor dem ersten Tode kam der Mord. (Rainer Maria Rilke)

  • :smile:
    Nun gut, Maja ist mir zwei Minuten zuvor gekommen... jetzt habt ihr halt eine doppelt sichere Antwort ;)
    Was mir gerade noch untergekommen ist: Rilke in einem Brief an Lou Andreas-Salome:
    "...aber niemand als Du, liebe Lou, kann unterscheiden und nachweisen, ob und wieweit er mir ähnlich sieht. Ob er der ja zum Teil aus meinen Gefahren gemacht ist, darin untergeht, gewissermaßen um mir den Untergang zu ersparen, oder ob ich erst recht mit diesen Aufzeichnungen in die Strömung geraten bin, dich mich wegreißt und hinübertreibt. Kannst Du’s begreifen, dass ich hinter diesem Buch recht wie ein Überlebender zurückgeblieben bin, im Innersten ratlos, unbeschäftigt, nicht mehr zu beschäftigen? Je weiter ich es zu Ende schrieb, desto stärker fühlte ich, dass es ein unbeschreiblicher Abschnitt sein würde, eine hohe Wasserscheide, wie ich mir immer sagte; aber nun erweist es sich, dass alles Gewässer nach der alten Seite abgeflossen ist und ich in eine Dürre hinuntergeh, die nicht anders wird. Und wär’s nur das: aber der Andere, Untergegangene hat meines Lebens den immensen Aufwand seines Untergangs betrieben, da ist nichts, was nicht in seinen Händen, in seinem Herzen war, er hat sich mit der Inständigkeit seiner Verzweiflung alles angeeignet, kaum scheint mir ein Ding neu, so entdeck ich auch schon den Bruch daran, die brüske Stelle, wo er sich abgerissen hat. Vielleicht musste dieses Buch geschrieben sein, wie man eine Mine anzündet: vielleicht hätt ich ganz weit wegspringen müssen davon im Moment, da es fertig war.“ (28.Dezember 1911)
    Liebe Grüße
    Ps an Maja: Mit der Sekundärliteratur müsstest du eigentlich gut eingedeckt sein, wo liegt genau das Problem? Vielleicht ist auf dieser Seite noch was zu finden... http://www.biblioforum.de/buch_brigge.php[/b]

    Doch vor dem ersten Tode kam der Mord. (Rainer Maria Rilke)

  • Hallo zusammen, hallo Undine,


    Zitat von "Undine"

    Ps an Maja: Mit der Sekundärliteratur müsstest du eigentlich gut eingedeckt sein, wo liegt genau das Problem?

    Darin, dass jeder Tag nur 24 Stunden hat :zwinker:


    Bei den Teppichen der Dame à la Licorne bin ich gestern abend angekommen. So beschreiben zu können!

    Zitat von "Undine"

    Oder Sprachgewalt ist wohl das falsche Wort dazu, es ist einfach dieses unheimlich tiefe Einfühlen in die Dinge...


    Oder das Gefühl, dass alles symbolisch aufgeladen ist. Laut meinem Kommenar sind die "allegorischen Motive (gemeint damit die 5 Sinne) wie ein Programm zu lesen: als die Geschichte einer grossen, sich selbst bewusst werdenden Liebe."
    Davon habe ich selber nur so viel verstanden, dass er am Schluss durch die Liebe sich selber erkennt.


    In welchem Alter hat Malte eigentlich die Mutter verloren? Hat das jemand mitbekommen?


    Zwei Motive, die sich durch das Werk ziehen, scheinen "Gesicht" und "Hand" zu sein. Was habt Ihr für Gedanken dazu?


    Herzliche Grüsse,
    Maja

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Maja"

    dass man das Ganze vom letzten Abschnitt, der "Legende" (nicht Gleichnis!) vom verlorenen Sohn her lesen müsse, diese sei der Schlüssel zum Verständnis.


    Komme eben jetzt zu diesem Abschnitt - mal sehen, ob hernach das Ganze etwas durchsichtiger wird.


    Die Episode über Nikolaj Kusmitsch habe ich köstlich gefunden und sehr genossen. Könnte ich das doch nur auch vom Rest des Buches sagen... Ich ertrappe mich dabei, wie ich ganze Seiten lese ohne wirklich etwas zu begreifen. Und dann alle diese historischen Exkurse... Dabei nennt Rilke oft nicht einmal die Namen, der Persönlichkeiten, um die es dabei geht; ohne erläuternden Kommentar ist man da echt aufgeschmissen. So gesehen hat mir die erste Hälte des Buches besser gefallen, zumindest etwas verständlicher jedenfalls.


    Gruss


    riff-raff


    P.S. Danke für den Link, Undine- werde mal nachlesen, was in diesem anderen Forum zum Thema so gepostet wurde.

  • Ja, Kusmitsch... Herrlich!


    Nicht, dass ich die "Legende" vom verlorenen Sohn vollständig verstanden hätte, aber sie war irgendwie schon eindrücklich - und geht nahe!


    Mit den historischen Anspielungen habe ich meine liebe Mühe, um ehrlich zu sein. Manchmal sind sie an sich interessant, manchmal auch nicht. Mal sind sie einigermassen verständlich, ander fallen wie aus dem Rahmen... - Man müsste wissen, um was es sich handelt, ander Schilderungen kennen usw. - Haltet ihr diese Szenen für zentral?



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo zusammen!


    Habe die Geschichte vom verlorenen Sohn gelesen und auch wenn es sich um eine Legende und nicht um ein Gleichnis handeln soll, kommt man natürlich nicht umhin, Parallelen zu Malte selbst zu ziehen. Meines Erachtens würde die Legende zumindest Maltes soziale Vereinsamung und Bindungslosigkeit erklären: Jemand, der Liebe nur als Bedrohung der eigenen Individualität aufzufassen vermag, als Etwas, das einen umzumodeln und auf ein fremdes Mass zurechtzustutzen versucht, ein solcher Mensch kann doch gar nicht anders, als allen menschlichen Bindungen aus dem Weg zu gehen. Selbst Tiere stellen ja Erwartung an einen...:


    Die Hunde, in denen die Erwartung den ganzen Tag angewachsen war, preschten durch die Büsche und trieben einen zusammen zu dem, den sie meinten. Und den Rest tat das Haus. Man musste nur eintreten in seinen vollen Geruch, schon war das Meiste entschieden. Kleinigkeiten konnten sich noch ändern; im ganzen war man schon der, für den sie einen hier hielten...


    Das hat mich an Bertolt Brecht und seinen Herrn K. erinnert:


    "Was tun Sie", wurde Herr K. gefragt, "wenn sie einen Menschen lieben?" "Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K. "und sorge, dass er ihm ähnlich wird." "Wer, der Entwurf?" "Nein", sagte Herr K., "der Mensch".


    Eine solche Liebe wollen wir wohl alle nicht. Aber eine Liebe ohne alle Ansprüche an das Gegenüber, eine „besitzlose“ Liebe wie Malte sie sich erträumt, gibt es das überhaupt? Müsste man nicht schon beinahe ein Heiliger sein um so zu lieben? Der Roman liefert zwar einige geschichtliche Beispiele für eine solche bedingungslose Liebe – Gaspara Stampa, Heloïse, die altgriechische Lyrikerin Sappho usw. –, aber zumindest im Falle der portugiesischen Nonne Marianna Alcoforado scheint sich Rilke – den angefügten Erläuterungen nach... – geirrt zu haben: die von ihr überlieferten Liebesbriefe haben sich jedenfalls als literarische Fiktionen herausgestellt...


    Rilkes „verlorener Sohn“ scheint um seine eigenen Unzulänglichkeiten was die Liebe anbetrifft zu wissen und nimmt sich daher vor, „niemals zu lieben, um keinen in die entsetzliche Lage zu bringen, geliebt zu werden.“ Eine solche Konsequenz mag einem Bewunderung abringen, aber der Preis, der dafür zu zahlen ist, heisst Alleinsein.


    Gruss


    riff-raff