Brauche Hilfe bzgl.Interpretation Huchel - Löwenzahn

  • Hallo Leute!


    Ich brauche drigend Hilfe bei der Bewältigung einer (Gedichts-)Interpretation des Gedichts "Löwenzahn" von Peter Huchel:


    "Fliegen im Juni auf weißer Bahn
    flimmernde Monde vom Löwenzahn,
    liegst du versunken im Wiesenschaum,
    löschend der Monde flockenden Flaum.


    Wenn du sie hauchend im Winde drehst,
    Kugel auf Kugel sich weiß zerbläst,
    Lampen, die stäubend im Sommer stehn,
    wo die Dochte noch wolliger wehn.


    Leise segelt das Löwenzahnlicht
    über dein weißes Wiesengesicht,
    segelt wie eine Wimper blaß
    in das zottig wogende Gras.


    Monde um Monde wehten ins Jahr,
    wehten wie Schnee auf Wange und Haar.
    Zeitlose Stunde, die mich verließ,
    da sich der Löwenzahn weiß zerblies."


    Ich habe echt keine Ahnung, auf was Huchel hier andeutet... aber ich persönlich würde denken, dass er auf eine verschmähte Liebe anspricht...?!
    Vielleicht kann mir jemand helfen, sein Verständnis von dem Gedicht mitteilen oder auch nur einen kleinen Hinweis zu der "Klärung des Falles" :) geben
    Ich wäre über jede Art von Hilfe eurerseits sehr erfreut!!!


    MfG, Danny :D

  • Hallo Danny,

    Zitat von "Danny"


    Ich habe echt keine Ahnung, auf was Huchel hier andeutet... aber ich persönlich würde denken, dass er auf eine verschmähte Liebe anspricht...?!


    das Gedicht trägt den Titel "Löwenzahn" und nicht "verschmähte Liebe". ;-)


    Damit will ich sagen, daß Du Dich zunächst einmal damit beschäftigen solltest, was in diesem Gedicht tatsächlich erwähnt und beschrieben wird. Ist Dir die Bedeutung jedes einzelnen Wortes klar? Welche Situation (Zeit, Ort) wird in dem Gedicht geschildert? Welche Bilder werden für den titelgebenden Löwenzahn verwendet (Mond, Kugel, Lampe, Docht, [Löwenzahn-]Licht)? Welche Personen sind im Gedicht erkennbar (Analyse der Kommunikationsstruktur)? Dazu betrachtet man die Personalpronomen (ich, du usw.) und die zugehörigen Possessivpronomen (mein, dein usw.). In der letzten Strophe erkennt man an dem Wort "mich", daß sich hier ein 'Ich' äußert ("lyrisches Ich" wird das auch genannt, ein nicht unumstrittener Ausdruck). In den ersten drei Strophen wird von diesem Ich ein 'Du' angeredet. Wer genau sich hinter dem 'Ich' und hinter dem 'Du' verbirgt, wird nicht ausdrücklich gesagt. Sind das ein Mann und eine Frau? Oder vielleicht gar nur eine Person (also ein Ich, das sich selbst rückblickend mit 'du' anspricht)? Kann man da irgendeine Möglichkeit mit Sicherheit ausschließen? Welche Vorstellung hast Du selbst beim Lesen gehabt?


    Noch ein paar Hinweise: Die Farbe Weiß spielt eine zentrale Rolle in diesem Gedicht (auch bei "Schaum", "Mond", "Licht", "Schnee" denkt man an Weißsein oder an Helligkeit). Welche Symbolik verbindest Du mit der Farbe Weiß? In der vierten Strophe gibt es ja den schon erwähnten Wechsel vom angesprochenen Du zum sich äußernden Ich. Was ändert sich an dieser "Bruchstelle" im Gedicht (Perspektive, Zeit, Stimmung usw.)? Beim Lesen der letzten Strophe denke ich an Vergänglichkeit und Verlust, ein melancholischer Rückblick auf ein früher erlebtes wunschloses Glücklichsein. Das ist umfassender als die von Dir erwähnte "verschmähte Liebe", geht aber in dieselbe Richtung.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Zitat von "Wolf"

    Beim Lesen der letzten Strophe denke ich an Vergänglichkeit und Verlust, ein melancholischer Rückblick auf ein früher erlebtes wunschloses Glücklichsein. Das ist umfassender als die von Dir erwähnte "verschmähte Liebe", geht aber in dieselbe Richtung.


    Das klingt einleutend.
    Schau mal, ich hab so ein Idee (kurzgefasst):
    Ein Leben, wunschlose Glücklichkeit (somit schließe ich mich deinem an)
    Aber man hat das Gefühl, dass gerade dieses (vergängliche) Gefühl verflogen ist (Pusteblume; einmal pusten, Blume leer)


    Deswegen denke ich, dass er von einer Liebe schreibt, die er überfroh erlebt hatte und sich dann von Abschnitt zu Abschnitt verfremdet; es wird auch unpersönlicher (dein Hinweis; 1. Ich 2. Du 3. unpersönliche Wendungen).
    Letztendlich ist die Liebe verflogen und der Kummer erscheint; Die Blume ist zerstört, zurück geblieben ist somit ein leeren, kahler Stengel; ein zerstörtes (zeitloses) (Eben-)bild (der Blume) irgendwie.


    Ich bräuchte noch Hilfe bei dem zeitlichen Hintergrund, den Umständen Huchels und zusätzlichen Infos, die mehr auf die Intention des Gedichts hindeuten. Denn vielleicht liege ich auch vollkommen falsch


    Was denkst du/ihr dazu?

  • Hallo Danny,


    das Gedicht steht im 1967 erschienenen Gedichtband "Die Sternenreuse. Gedichte 1925-1947", es stammt also aus Huchels "erster Schaffensphase" (Kindlers Neues Literaturlexikon). Vielleicht kannst Du Dir mal den Artikel über Huchels Lyrik in <i>Kindlers Literaturlexikon</i> durchlesen.


    Daß Du mit Deiner Interpretation vollkommen falsch liegst, glaube ich nicht. Wichtig ist, daß Du Deine Interpretation anhand des Textes begründen kannst. Du hast das ja in Kurzform nachvollziehbar dargestellt. Es kann natürlich immer sein, daß man irgendwelche Anspielungen übersieht, die man erst dann entdeckt, wenn man außer dem Text noch zusätzliche (z.B. biographische) Quellen heranzieht.


    Du könntest in einer Bibliothek auch einmal im von Wulf Segebrecht herausgegebenen <i>Fundbuch der Gedichtinterpretationen</i> nachschlagen. Dort ist verzeichnet, wo welches Gedicht interpretiert worden ist. Vielleicht findest Du dort eine Dir zugängliche Interpretation, in der etwas Erhellendes steht.


    Noch eine Anmerkung zu "unpersönliche Wendungen". Das ist mir insbesondere im letzten Vers auch deutlich aufgefallen ("da sich der Löwenzahn weiß zerblies"). Da steht eben nicht "du zerbliest" oder "ich zerblies".


    Schöne Grüße,
    Wolf