Anspruchsvolle Literatur und Parapsychologie

  • Halli-Hallo ;-)


    Beim neuerlichen Lesen von T.Manns Doktor Faustus beschäftigt mich wieder die Frage, inwiefern sich Hochliteraten mit der Parapsychologie beschäftigt haben.


    Schon bei Tolstois Krieg und Frieden fiel mir dieses Motiv auf, noch mehr bei Gustav Meyrinks Golem etc.


    Dieses Thema scheint ein zentrales Grundmotiv der Anspruchsvollen Literatur zu sein und mich würde interessieren, was Ihr dazu gelesen habt.

  • Hallo,
    auch im zauberberg von thomas mann wird sich mit parapsychologie beschäftigt (gläserrücken). Dies soll auch in dem Freundeskreis, zu dem Kafka, Brod, Werfel (?) gehört hat, eine Zeit praktiziert worden zu sein, eine solche Szene kommt z.B. auch im Abituriententag vor.


    gruss, rezk


    Edit: Tolstoi verwendet das Motiv auch in "Anna Karenina"

    "Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, was wir Weg nennen ist zögern" (F. Kafka)

  • Hallo rezk


    Interessant, das wäre dann schon eher Spiritismus, auch ein parapsychologisches Phänomen.


    Ich meine mit Parapsychologie aber alles von der Jungschen Synchronizität aufwärts, würde man heute vielleicht mit Esoterik gleichsetzen. Doch ich bevorzuge den wissenschaftlichen Begriff, da dahinter durchaus erforschbare Phänomene zu vermuten sind, eben noch Grenzwissenschaft oder Grenzwahrnehmung, wohin ja z.B. auch präkognitive Träume gehören.


    Kafkas traummagische Welt und T.Manns (von ihm selbst bezeichneten) "sensitiven" Erzählstil gehören in diesem weiten Sinne auch zur Grenzwahrnehmung. Dieses Pionierhafte der Wahrnehmung ist wohl immer Kennzeichen grosser Schriftsteller. Deshalb interessiert es mich besonders.

  • Zitat von "Evelyne Marti"


    Ich meine mit Parapsychologie aber alles von der Jungschen Synchronizität aufwärts, würde man heute vielleicht mit Esoterik gleichsetzen. Doch ich bevorzuge den wissenschaftlichen Begriff, da dahinter durchaus erforschbare Phänomene zu vermuten sind


    Wobei hier zu sagen ist, dass trotz großen wissenschaftlichen Aufwands noch keines dieser Phänomene belegt werden konnte, während im Gegenteil oft gezeigt wurde, dass hinter vielen Ereignissen bewusste Täuschungen standen.


    Das Interesse mancher Autoren für Parapsychologie bestätigt meiner Meinung nach nur, dass viele Schriftsteller nur etwas von Literaturproduktion verstehen, aber ansonsten ebenso für Blödsinn anfällig sind, wie Normalsterbliche :breitgrins:


    CK

  • Zitat von "xenophanes"

    Das Interesse mancher Autoren für Parapsychologie bestätigt meiner Meinung nach nur, dass viele Schriftsteller nur etwas von Literaturproduktion verstehen, aber ansonsten ebenso für Blödsinn anfällig sind, wie Normalsterbliche


    z.B. der blöde Goethe: In seinem "Faust" spukt's ja auch. :entsetzt:

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "xenophanes"

    "Blöd" wäre bei Goethe eher in Richtung seiner Anti-Newton-Besessenheit angebracht.


    Nicht einmal hier. Es ist einfach so, dass "Natur" (und deshalb auch "Natur"wissenschaft!) für Goethe nicht ganz dasselbe war wie für Newton. Ein An-einander-vorbei-Reden war vorprogrammiert.


    (Es ist, nebenbei gesagt, ganz interessant, z.B. Goethe, Lavater, Pestalozzi und Rousseau zum Begriff "Natur" zu vergleichen. 4, die praktisch Zeitgenossen waren, aber völlig andere Begriffe von "Natur" hatten bzw. verwendeten ...)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo,

    Zitat von "xenophanes"

    Was aber erfreulicherweise nicht heißt, das Goethe an Gespenster glaubte.


    Soll das bedeuten, daß andere Autoren, im Gegensatz zu Goethe, an das glauben, was sie schreiben? - Da komme ich nicht ganz mit .... :rollen:


    Gruß,
    R.

  • Hallo xenophanes!


    Zitat von "xenophanes"

    Aber genau das war ja das Problem: mit einem nichtwissenschaftlichen Naturbegriff Naturwissenschaft betreiben zu wollen.


    Danke! Habe gerade eine Wette gewonnen, dass diese oder eine ähnliche Antwort von Dir kommen wird :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"

    Danke! Habe gerade eine Wette gewonnen, dass diese oder eine ähnliche Antwort von Dir kommen wird :breitgrins:


    Und jemand war so dumm, sich auf diese Wette einzulassen? :breitgrins:


    Nehme das als Kompliment, dass ich eine transparente und konsistente philosophische Position vertrete.


    Wenn jemand die Meinung vertritt, die Natur bestünde aus unsichtbaren rosa Suppenhühnern, würdest du dem dann auch mit einem "anderen" Naturbegriff entschuldigen?


    CK

  • Zitat von "xenophanes"

    Wobei hier zu sagen ist, dass trotz großen wissenschaftlichen Aufwands noch keines dieser Phänomene belegt werden konnte, während im Gegenteil oft gezeigt wurde, dass hinter vielen Ereignissen bewusste Täuschungen standen.


    Das Interesse mancher Autoren für Parapsychologie bestätigt meiner Meinung nach nur, dass viele Schriftsteller nur etwas von Literaturproduktion verstehen, aber ansonsten ebenso für Blödsinn anfällig sind, wie Normalsterbliche :breitgrins:


    CK


    Hallo ;-)


    Was die Gefahren (Spiritismus/Abhängigkeit/Scharlatane) betrifft, kann ich Deine Bedenken verstehen, doch sollte man m.M.n. das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, wenn es um die höheren Werte von Esoterik/Parapsychologie/Religion geht.


    Wir dürfen nicht vergessen, dass etliche Geistes-/Naturwissenschaftler, Astrophysiker, (naturwissenschaftliche) Nobelpreisträger, Psychologen (Jung), Philosophen etc. durchaus von so etwas wie einer metaphysischen Welt ausgehen.


    Deine Meinung sei Dir gnädig :breitgrins: belassen, aber es ist keineswegs eine unumstössliche naturwissenschaftliche Gegebenheit.


    Natürlich meine ich mit diesen metaphysischen Grundgedanken nicht heiter-komische Gespenstergeschichten und dergleichen, sondern durchgängige Werkelemente der entsprechenden Schriftsteller, was ich keinesfalls dumm empfinde, im Gegenteil. Das ist aber nur meine persönliche Meinung, ohne dass ich jetzt grossartig deswegen streiten möchte.

  • Hallo zusammen!


    Um doch auch noch auf die ursprüngliche Frage zu antworten:


    Zitat von "Evelyne Marti"

    Beim neuerlichen Lesen von T.Manns Doktor Faustus beschäftigt mich wieder die Frage, inwiefern sich Hochliteraten mit der Parapsychologie beschäftigt haben.
    [...]
    Dieses Thema scheint ein zentrales Grundmotiv der Anspruchsvollen Literatur zu sein und mich würde interessieren, was Ihr dazu gelesen habt.


    Ich nehme mal an, dass auch die eigene Einstellung und Erwartungshaltung eine Rolle spielt. Mir persönlich sind jetzt diese Motive nie derart ins Auge gefallen, dass ich von einem "zentralen Grundmotiv" sprechen würde.


    Zitat von "xenophanes"

    Das Interesse mancher Autoren für Parapsychologie bestätigt meiner Meinung nach nur, dass viele Schriftsteller nur etwas von Literaturproduktion verstehen, aber ansonsten ebenso für Blödsinn anfällig sind, wie Normalsterbliche


    Die Tatsache, dass ein Schriftsteller bei der Schilderung einer Gesellschaft z.B. auch parapsychologische "Experimente" schildert, heisst weder, dass er nun selber daran glaubt, noch, dass er diese Schilderungen nur aus Berechnung (nämlich mit der Sensationsgeilheit des Publikums) gibt. Mit derselben Logik müsste Döblin dann ein Kleinkrimineller gewesen sein, weil er in Berlin Alexanderplatz das Leben eines solchen beschreibt. Bzw. die Mentalität eines Bild-Reporters gehabt haben.


    Gerade Th. Mann z.B. hat mir durchaus das Gefühl vermittelt, die spiritistischen Séancen eher ironisch-kritisch zu betrachten; auch und gerade, weil er vermittelt, dass die betroffenen Personen dem Phänomen recht hilflos gegenüberstehen.


    Natürlich gibt es Autoren - der wohl bekannteste: Sir Arthur Conan Doyle; aber auch der späte Karl May entwickelte eine persönlich Form davon -, die "echte Spiritisten" waren. Die aber gehören eigentlich nicht dem Segment der anspruchsvollen Literatur an.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Zitat von "sandhofer"


    Die Tatsache, dass ein Schriftsteller bei der Schilderung einer Gesellschaft z.B. auch parapsychologische "Experimente" schildert, heisst weder, dass er nun selber daran glaubt, noch, dass er diese Schilderungen nur aus Berechnung (nämlich mit der Sensationsgeilheit des Publikums) gibt.


    Habe nicht nur nichts Gegenteiliges behauptet, sondern in bezug auf Goethe sogar darauf hingewiesen. Trotzdem gibts Autoren, die affirmativ Parapsychologisches verwenden, etwa Meyrink.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "xenophanes"

    Trotzdem gibts Autoren, die affirmativ Parapsychologisches verwenden, etwa Meyrink.


    Den würde ich in die Kategorie der Doyle und May einreihen. Also nicht wirklich "anspruchsvolle" Literatur ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Ich möchte übrigens nicht den Eindruck erwecken, der Meinung zu sein, dass eine Beschäftigung mit Parapsychologie und ein Glauben daran schon prinzipiell ein Hindernis dafür wären, "anspruchsvolle" Literatur zu verfassen. Mir kommt allerdings im Moment keine/r in den Sinn, den/die ich beiden Kategorien (glaubt an paranormale Phänomene + schreibt "anspruchsvolle" Literatur) zuordnen könnte.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Es klingt jetzt merkwürdig, dass ich Xenophanes zustimme :breitgrins: , doch hat er wenigstens meinen Definitionsexkurs richtig verstanden und einige Hochliteraten mit parapsychologischen Werkelementen genannt, wobei eben nicht die ironischen spiritistischen Szenen gemeint sind.


    Es gab/gibt übrigens Sekundärliteratur, wo Kafka, Gustav Meyrink und Döblin miteinander verglichen werden: Phantastische Literatur des 1.Viertels des 20.Jahrhunderts oder ähnlich hiess es, als ich es vor Jahren begeistert las.


    Gustav Meyrink hat zwar einige Schwächen wie jeder Hochliterat, doch zählt er sicherlich nicht zu May & Co. Abgesehen davon, dass ich einiges von ihm gelesen habe, fand ich nie derartiges in der Sekundärliteratur. Seine Werke sind sehr komplex und weisen eindeutig eine Meta-Ebene auf. Schwachpunkte sind wie bei Kafka das fragmenthaft Zusammengesetzte, das liegt am irrationalen Stoff.


    Sandhofer, weshalb reihst Du Meyrink so weit unten an? An welchen Stilelementen machst Du das fest? Das würde mich echt interessieren, denn ich bin eigentlich sonst auch sehr kritisch und deshalb immer offen für Einwände, welche ich für mich verifizieren kann. Vielleicht kannst Du mich überzeugen! :breitgrins:

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Evelyne Marti"

    Es gab/gibt übrigens Sekundärliteratur, wo Kafka, Gustav Meyrink und Döblin miteinander verglichen werden: Phantastische Literatur des 1.Viertels des 20.Jahrhunderts oder ähnlich hiess es, als ich es vor Jahren begeistert las.


    Es gibt auch Sekundärliteratur, in der Meyrink, May, Kafka, Musil, Joyce und andere als Überleitung in die Postmoderne dargestellt werden. Was mir persönlich durchaus einleuchtet.


    Für Deine weiteren Fragen brauche ich mehr Zeit, als ich im Moment zur Verfügung habe. Ich hoffe, dass ich noch irgendwann diesen Monat dazu komme. OK?


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus