April 2005: Thomas Mann - Doktor Faustus

  • Hallo,
    ich bin gerade bei Kapitel 23 und mit ging es mit den Musikkapiteln wie Zola. Ich konnte bei meinen eher rudimentären Musikwissen den Ausführung nicht im geringsten Folgen. Die theologischen Dispute fand ich hingegen sehr interessant und lehrreich. Auch der Erzähler ist mir nicht unsympathisch. Ich muss auch sagen, dass man dieses Buch nur bei wachem Geiste lesen sollte, mir fällt es auch bedeutet schwerer, was wohl auch an dem musikalischen Teil liegt, es zu lesen als z.B. Zauberberg. Also bisher bin ich von Buch noch nicht begeistert, was mich begeistert es allerdings die altbekannte T. Mann-Sprache.


    Viele Grüße,
    Julian

    "Es verrät geistige Armut, sich dauernd mit dem Körper zu beschäftigen[....]. Nein, diese Bedürfnisse sollte man nur nebenbei befriedigen, und die ganze Aufmerksamkeit gelte der Entfaltung der geistigen Anlagen."
    <br />
    <br />Epiktet

  • Hallo Julian,


    mir geht's wie Dir, ich finde das Buch so voller Inhalt, dass man schnell etwas überliest, wenn man nicht 100%ig bei der Sache ist. Das macht das Lesen so anstrengend. Bei den anderen Romanen und Erzählungen von Thomas Mann, die ich bisher gelesen habe, ging es mir nicht so.
    Die theologischen Ausführungen finde ich auch sehr interessant (da mich das Thema persönlich interessiert, weniger weil ich besonders christlich bin, sondern weil mich gerade Religionsphilosophie interessiert).
    Mit der Zeit gefällt mir das Buch immer besser, wobei ich es immer noch nicht schaffe allzuviel am Stück zu lesen, ohne dass die Konzentration nachläßt.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Halli-Hallo


    Beim neuerlichen Lesen von T.Manns Doktor Faustus beschäftigt mich wieder die Frage, inwiefern sich Hochliteraten mit der Parapsychologie beschäftigt haben.


    Schon bei Tolstois Krieg und Frieden fiel mir dieses Motiv auf, noch mehr bei Gustav Meyrinks Golem etc.


    Dieses Thema scheint ein zentrales Grundmotiv der Anspruchsvollen Literatur zu sein und mich würde interessieren, was Ihr dazu gelesen habt.


    Ich habe dafür einen Extra-Thread eröffnet:
    http://www.klassikerforum.de/forum/viewtopic.php?t=1360

  • Zitat von "Xenophon"


    Zola. Ich konnte bei meinen eher rudimentären Musikwissen den Ausführung nicht im geringsten Folgen


    Das ging mir in meinem 18. Lebensjahr bei der Erstlektüre auch so. Dann habe ich mich jahrelang immer wieder mit Beethoven beschäftigt und als ich schließlich den Roman zum zweiten Mal las, fand ich vor allem die musikalischen Stellen hochgradig spannend.


    CK

  • Hallo zusammen!


    Bevor ich wieder zu Doktor Faustus griff, las ich Leroux' Phantom der Oper, wo es ebenfalls um einen genial teuflischen Musiker geht. Schon interessant, wie unterschiedlich dieses Motiv in den beiden Werken umgesetzt wurde. Leroux so alptraumhaft düster und grobschlächtig, T.Mann hingegen feingliedrig und szenisch poetisch. Leroux lautes Theatergeschrei, T.Mann hohe Kunst in sparsam virtuoser Gestik.

  • Hallo,


    liest noch jemand mit oder habt ihr alle gähnend das Buch aus der Hand gelegt :-) ?


    Ich bin mittlerweile im letzten Viertel und nach einigen (für mich) sehr mühseligen Kapiteln über Musiktheorie fängt es wieder an Spaß zu machen und interessant zu werden. Nicht weil es in irgend einer Weise etwas wie Spannung gibt, aber schon die Beschreibung des Lebens von Adrians Freunden ist doch recht interessant. Die Personen fangen langsam an einem vertraut und teilweise sogar sympathisch zu werden.
    So beispielsweise Hochzeit und Ehebruch der Ines Rodde, da war ja kurz fast so etwas wie Spannung da (zumindest für mich als Fontane-Fan).


    Interessant fand ich die Geschichten/Erzählungen, die Leverkühn vertonte, vor allem die Legende von Gregorius dem Sünder, die Mann auf über zwei Seiten beschreibt. Genau davon handelt ja sein Roman "Der Erwählte" (habe ich bisher noch nicht gelesen), den er nach dem "Doktor Faustus" veröffentlichte. Weiß jemand, ob Mann den Plan zu diesem Roman schon länger hatte oder ob er hierüber auf die idee kam einen Roman über das Thema zu schreiben ?


    Sehr schöne Namen: R. Schildknapp, der stetige Begleiter Leverkühns, weniger wohl als Freund denn als untergeordneter Begleiter (so wird er zumindest beschrieben). Darauf paßt der Name herrlich.
    Die Schweigestills, auch wohl ein treffender Name. Frau Schweigestill zeichnet sich zuerst dadurch aus, dass sie zuhört (der Name kommt aber wohl auch daher, dass ihr Vorbild eine Frau Schweighardt aus Polling war. Ich überlege mir auch gerade nach Polling zu fahren, dem Vorbild des Ortes "Pfeiffering").


    Merkwürdig finde ich die Ausdrucksweise des Erzählers (Zeitblom). Er lehnt das Nazi-Regime ab, spricht aber von "unserem Führer" und kann sich auch Stolz auf militärische Erfolge der Deutschen nicht verkneifen. Aus heutiger Sicht ist "Führer" natürlich ein faschistischer, bzw. Nazi-Ausdruck. Aber wie war das damals. War der Begriff soweit gebräuchlich, dass auch Leute, die nichts von Hitler und seinem Regime hielten den Ausdruck "Führer" verwendeten ?


    Etwas enttäuschend fand ich die Szene mit dem Teufel. Gut und irgendwie auch realistisch beschrieben, aber dafür, dass es eine Schlüsselszene war, wirkte es (auf mich) zu unbedeutend.
    Leverkühns Verlangen nach der Prostituierten Esmeralda, wie er sie in Österreich aufsucht und trotz ihrer Syphilis-Erkrankung mit ihr schläft, hätte man meiner Meinung nach (vor allem der psychologische Teil, was er denkt, welche Gefühle in ihm vorgehen) viel deutlicher beschreiben können (dass das nicht geschah lag wohl daran, dass der Erzähler natürlich keine Details darüber wissen konnte und vor allem nicht beschreiben konnte, was in Leverkühns Inneren vorging).


    Sehr gut gefallen mir auch die immer wieder kurz eingeflochtenen Beschreibungen zur (meist militärischen) Lage Deutschlands zur Zeit des Erzählers, oft gut mit der Zeit des Ersten Weltkriegs (aktueller Erzählungszeitpunkt) verknüpft.


    (ich habe das Buch gerade nicht vorliegen, daher sind evtl. einige Namen falsch geschrieben).


    wo seid ihr gerade ?


    Viele Grüße,
    Zola

  • Hallo


    Ich bin auf Seite 577 meiner Fischer-Ausgabe. Ich finde auch, dem Roman hätte ein bisschen mehr Handlung nicht geschadet. Allerdings finde ich nach Leroux' Handlungsroman die ruhige vertiefte Variante des Genial-Teuflischen-Musikers schon besser und vor allem glaubhafter.


    Ein richtiger Stimmungsroman ist es jedoch auch nicht, ein bisschen papieren an manchen Stellen, wie blass gewordene Erinnerungen. Das liegt natürlich daran, dass Erinnerungen des Erzählers reflektiert werden. Dadurch wird dem Ganzen die unmittelbare Erlebniskraft genommen.


    So weit ich mich ad hoc entsinne, arbeitete Thomas Mann ziemlich lange und mühsam an Dr.Faustus bzw. parallel zu seinen anderen Romanen. Die Idee hatte er von Goethe.

  • Hallo Ivy,

    Zitat von "Evelyne Marti"

    Die Idee hatte er von Goethe.


    meinst Du damit die Grundidee zu diesem Roman oder beziehst Du Dich nur auf Goethes "Faust"
    (seine Abwandlung der Sage von Dr. Faustus) ?


    Viele Grüße,
    Zola

  • Ein bisschen mehr als die Grundidee war es wahrscheinlich schon. Und Thomas Mann war ja bekanntlich Goethe-Fan. Nicht dass ich dies negativ werte. :breitgrins:


    Genaue Parallelen werden bestimmt irgendwo in der Sekundärliteratur aufgezeigt, hab mich da nicht weiter darum gekümmert, da mich die Umsetzung des Faust-Stoffes mehr interessiert, ob nun teilweise übernommen oder nicht. Mich faszinieren sowieso mehr die in typisch mannscher Manier ausgemalten Szenen.

  • Theoretisch bin ich noch am lesen, praktisch greife ich aber doch immer zu anderen Büchern, und stecke von daher schon seit fast zwei Wochen auf S. 150 fest. Mal sehen, ob ich demnächst weiterlese. Vor habe ich das auf jeden Fall.


    Saltanah

  • Halihallo


    Huch, Ihr seid aber stille Leser :breitgrins:


    Ich bin mittlerweile fertig mit dem Doktor Faustus, was nicht heissen soll, dass ich nicht gern weiterposte mit Euch, falls sich noch was tut. :zwinker:


    Zitat:


    http://www.evelyne-marti.com/zitate.html


    Am Besten gefallen mir die anmutigen Musikbeschreibungen. Auch der Erzählfluss ist angenehm, die realistischen Szenerien eindrücklich. Doch überall, wo die Handlung sich ins Phantastische kehrt, empfinde ich es zu theatralisch, vor allem am Schluss. Allerdings finde ich die Idee originell, Adrians Rede in grobschlächtigem Mundart vortragen zu lassen. Damit wird die unbewusst-volkstümlich triebhafte Teufelsnaturhaftigkeit hervorgehoben, durch die merkwürdigen Verbesserungen poetisiert.

  • Hallo,


    ich habe das Buch gestern fertiggelesen. Anschließend habe ich das 25. Kapitel (der "Teufelspakt") nochmals gelesen und jetzt den Zusammenhang besser verstanden. Adrian ist den Pakt mit dem Teufel eigentlich nicht aus freien Stücken eingegangen, sondern er war zur "Verdammnis" auserwählt. Jetzt gibt es auch einen Grund, weshalb Thomas Mann explizit wert darauf legte, dass Adrian Protestant war.


    Klar wurde mir dieser Zusammenhang erstmals durch den Besuch Nepomuks, dessen Gebete vom (schweizerischen) calvinistischen Protestantismus geprägt waren.
    Was mich wundert ist, dass Adrian als mitteldeutscher Prostestant der Prädestinationslehre anhängt (das hat er in seiner "Bekenntnisrede" am Ende des Buchs erklärt). Seiner Herkunft nach sollte er eigentlich Lutheraner sein, und somit seinem Glaube nach sein Schicksal selbst in der Hand haben (Erlösung durch den Glauben und die Gnade Gottes).


    Im Grunde liegt im Roman "Doktor Faustus" somit kein freiwilliger Teufelspakt vor, sondern Adrian erfährt eigentlich nur, dass er zur Verdammnis auserwählt wurde und er den Pakt somit fast unfreiwillig eingeht.


    Sehr schön hat mir gefallen, wie Thomas Mann den Teufelspakt ausgearbeitet hat. Es bleibt offen: Hat Adrian wirklich den Teufel getroffen und war Esmeralda eine Gesandte des Teufels (immer wieder bringt er sie in Zusammenhang mit dem Schmetterling "Hetera Esmeralda", den ihm sein Vater zu Beginn des Buches gezeigt hatte), die ihn mit der Syphilis ansteckte, was ihn in Wahnsinn und Tod führte oder hat Adrian sich aufgrund seiner Religiosität und seines damit verbundenen Schicksalsglaubens die ganzen Zusammenhänge und das Zusammentreffen mit dem Teufel zusammengesponnen ?


    Schade, dass ich keinen besonderen Bezug zur (klassischen) Musik habe, sonst wäre das wohl eines der besten Bücher, das ich je gelesen habe. Aber auch so kann ich im Nachhinein sagen, dass ich den "Doktor Faustus" für einen großartiger Roman halte. Hier ist ein Kommentar in der Größenordnung der "Großen Kommentierten Frankfurter Ausgabe" sicherlich angebracht, zumindest ich bin mir sicher, dass mir (mangels ausführlichen Kommentars) einiges entgangen ist.


    Ich werde jetzt im Anschluß noch "Die Entstehung des Doktor Faustus" lesen.


    Viele Grüße,
    Zola