Beiträge von hrybak

    Ich lese gerade die "Menschliche Komödie" von Balzac in der 12-bändigen Ausgabe des Bertelsmann-Verlags von 1975.


    Wie bin ich dazu gekommen? Ich hatte schon vor 40 Jahren den 9. Band der Ausgabe gelesen und den Eindruck, dass Balzac ein auch für seine Zeit totaler Reaktionär ist (dazu in einem anderen Beitrag später mehr). Von daher habe ich es mir erspart, weitere Bände zu kaufen.


    Dann hatte ich letztes Jahr das Buch "Kapitalismus im 21. Jahrhundert" des franz. Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Piketty gelesen. Dort wurde Friedrich Engels zitiert mit der Anmerkung, dass die besten Informationen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in England und Frankreich für die Zeit vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bei Balzac und Jane Austen zu finden sind. In diesem Zusammenhang wurde u.a. "Vater Goriot" erwähnt.


    Hatte das Buch in einer Einzelausgabe und daher sofort neu gelesen und war total fasziniert. Daher habe ich dann die Gesamtausgabe antiquarisch erwerben können und von vorne angefangen. Ergebnis nach 8 Bänden:

    • Faszinierende Beschreibungen von Personen, Interieurs, Umgebungen, etc.,
    • allein schon die Beschreibung einer Frau über 2 Seiten ohne aufkommende Langweile ist einfach nur traumhaft,
    • nicht zu reden von den Beschreibungen heruntergekommen Personen oder Häusern, wo ein gewisses Maß an Ekelfestigkeit hilfreich ist,
    • die Informationen über die wirtschaftliche Situation der Zeit und die daraus folgenden Konsequenzen, z.B. für Beamte, sind wirklich sehr gut,
    • ebenso die Schilderungen der Machenschaften der aufkommende Finanz-Bourgeoisie und des Kleinbürgertums
    • und das Ganze verpackt teilweise in besinnliche und teilweise in wirklich spannende Romane.

    Ferner fehlt bei ihm jede Herabsetzung von Frauen, insbesondere deren vielfach mindere Bildung wird vor allem mit den damals herrschenden gesellschaftlichen Zwängen begründet.


    Jetzt bin ich wieder beim 9. Band und der erste Roman "Madame de la Chanterie" hat alle alten Einschätzungen über Balzacs politische Grundeinstellung bestätigt. Aber wie schon gesagt dazu in einem anderen Beitrag mehr.


    Nichtsdestoweniger kann ich das Lesen zumindest der ersten 8. Bände nur empfehlen und ich werde auch alle weiteren Bände lesen in der Hoffnung auf Besserung.

    Karamzin hat am 16. Mai 2014 geschrieben:

    Es gibt eine in meinen Augen substantielle Kritik an Lev Tolstoj, . . .

    Die danach folgende Einschätzung kann ich nur bestätigen. Auch wenn der Roman sehr gut geschrieben ist und viele Informationen über die Zeit enthält, ist er wesentlich geprägt durch die ahistorische Abneigung gegen Napoleon. Es reicht halt nicht alle Schlachtfelder zu besuchen, um die Umgebung im Roman korrekt wiederzugeben. Viel wichtiger wäre gewesen, die politischen Prozessse im Hintergrund zu evaluieren und die Folgen auf die Romanhandlung viel besser zu berücksichtigen (ob ich deswegen 2000 oder 2500 Seiten lesen darf, ist dann unerheblich) Denn selbst englische Historiker gestehen mittlerweile ein, dass England der eigentliche Kriegstreiber im Hintergrund war und jede Friedenbemühung Napoleons hintertrieben oder getroffenen Vereinbarung bei passender Gelegenheit provokativ gebrochen hat. (Überfall auf franz., unbewaffnete Handelsschiffe am 16. Mai 1803 in den engl. Häfen: siehe u.a. spiegel-online vom 5. Mai 2021: "War Napoleon wirklich klein und größenwahnsinnig?")


    Leider bin ich völlig neu im Forum und konnte erst jetzt ensprechend antworten.