Hallo!
Bin seit fast zwei Jahren ein riesiger Tschechow-Fan und wünsche mir nichts sehnlicher, als Tschechow irgendwann einmal in Original lesen zu können.
Was mich an Tschechow so fasziniert, ist dieser große Respekt, den er seinen Lesern gegenüber an den Tag legt. Man findet in Tschechows Werk nie auch nur ein belehrendes Wort. Ich hasse es, wenn ich ein Buch lese, genau die Intention des Autors zu erkennen. In mir erweckt Didaktik oder auch nur provokant wirkend wollende Literatur einen so großen Widerwillen, dass ich einfach nicht gewillt bin, weiterzulesen. Bei Tschechow jedoch hat man nie das Gefühl, in vom Autor festgelegten Bahnen denken zu müssen. Nichts scheint arrangiert in seinen Stücken und Kurzgeschichten. Wenn ich Tschechow lese, habe ich nie das Gefühl, dass er mich in eine bestimmte Rolle drängen will, in die des erstaunten Lesers zum Beispiel oder in die des traurigen Lesers, des wütenden usw. Wenn ein Autor offensichtlich meine Erschrockenheit oder was auch immer "erzwingen" will, fühle ich mich in meiner Position als Leser abgewertet. Wenn man jedoch Tschechow liest, spürt man genau, dass er seine Leser respektiert und sich keinesfalls über den Rezipienten erheben will, indem er ihn einfach an seinen Werken und Welten teilhabenlässt, ohne ihn "erziehen" zu wollen. Tschechow selbst war ein sehr selbstzweiflerischer Schriftsteller und Mensch, der sich jedesmal, wenn eines seiner Theaterstücke ein Misserfolg war, schwor, nie wieder eines zu schreiben. (Zum Glück hat er's dann doch immer wieder getan!)